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Medien: Gusseiserne Kommunikation

Wer am Sonntag bei Google die Begriffe „Kirchhof“ und „Streichliste“ eingab, erhielt 129 000 Treffer. Irgendwas muss da in der Wahlkampfzentrale der Union während der vergangenen Woche aus dem Ruder gelaufen sein.

Wer am Sonntag bei Google die Begriffe „Kirchhof“ und „Streichliste“ eingab, erhielt 129 000 Treffer. Irgendwas muss da in der Wahlkampfzentrale der Union während der vergangenen Woche aus dem Ruder gelaufen sein.

In Marketingabteilungen von Unternehmen gibt es ein Zauberwort, das im Zentrum aller Werbeplanung steht: Integrierte Kommunikation. Dabei geht es um die Erkenntnis, dass alle Marketingbemühungen tunlichst aufeinander abgestimmt sein sollten: Wenn eine Erfrischungsbrause auf jung und flippig macht, darf die Website nicht bieder daherkommen; wenn eine Handelskette mit günstigen Preisen wirbt, sollten die Anzeigen ruhig ein bisschen trashig sein. Eigentlich banale Weisheiten.

Die Wahlkampfstrategen der Union wurden nun schmerzlich darin erinnert, wie schwierig es in Wahlkampfzeiten ist, solche Weisheiten zu beherzigen. Einer der zentralen Begriffe der Merkel-Kampagne sollte ja „Ehrlichkeit“ sein. Um diese zu demonstrieren, wurde dem Wähler mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer ein symbolisches Opfer gebracht. Dieses Opfer tat nicht allzu weh, die Kampagne der politischen Gegner gegen die „Merkel-Steuer“ blieb weitgehend wirkungslos. Als dann aber – nach Stoibers und Schönbohms Wählerbeschimpfungen – die Karte „Kirchhof“ aus dem Hut gezaubert wurde, passierte der entscheidende Fehler: Um des kurzfristigen Vorteils willen – die Medien machten ja begeistert mit beim Kirchhof-Festival – wurde übersehen, dass es keine wirkliche Abstimmung zwischen dem Wahlprogramm der Union und den Vorstellungen des Steuerexperten gab. Die Flanke war also offen: SPD, Grüne und Linkspartei schossen sich schnell auf Kirchhofs Streichliste ein, Angela Merkel wusste im TV-Duell keine plausible Antwort auf die Widersprüche zwischen Wahlprogramm und Kirchhof-Konzept, und der Steuerexperte selbst stiftete mit seinen Interviews munter weitere Verwirrung. Merkels Parteifreunde aus der Riege der Ministerpräsidenten schließlich nahmen Kirchhof unter „friendly fire“.

Zwei Lehren kann man ziehen aus diesem Desaster: Politik aus einem Guss erfordert Kommunikation aus einem Guss – so schwer das ist in einer großen Partei. Und: Wer einen externen Experten als zentrale Figur seiner Strategie präsentiert, sollte diesen umgehend auf einen längeren Auslandsurlaub schicken. Jost Stollmann – Schröders Kirchhof von 1998 – machte nach seinem Scheitern eine Weltreise.

Michael Geffken

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