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Erst Schiff beschießen, dann Leben retten. Kapitän Hartenstein (Ken Duken, rechts) berät sich mit seinem Bordingenieur Rostau (Matthias Koeberlin). Foto: ARD

© ARD Degeto/SWR/Teamworx/Boris Gu

Gute Deutsche: Das Boot 2

U-Boot-Kapitän Werner Hartenstein war dem Führer treu ergeben. Das hielt ihn nicht von der Rettung vieler Passagiere eines torpedierten Truppentransporters ab. Die ARD zeigt die Geschichte um die „Laconia“ als Event-TV mit Tiefgang.

Es ist die Fernsehwoche der „guten Deutschen“: Nach den Filmen über John Rabe und Claus Schenk Graf von Stauffenberg erzählt ein ARD-Zweiteiler die Geschichte des U-Boot-Kommandanten Werner Hartenstein, der im Zweiten Weltkrieg den britischen Truppentransporter Laconia vor der Küste von Westafrika erst versenken ließ und dann viele der Überlebenden rettete. Ein bemerkenswerter Akt der Menschlichkeit, bei dem Hartenstein auch sein eigenes Leben und das Leben seiner Besatzung aufs Spiel setzte, denn er gab in einem offenen Funkspruch den Alliierten die Position seines U-Boots und der Schiffbrüchigen preis. Tatsächlich bombardierte ein amerikanisches Flugzeug den Konvoi. Hartensteins humanes Einschreiten verwirrte Freund und Feind.

Diese seltsamen Ereignisse aus dem Sommer 1942 sind hierzulande nicht sonderlich bekannt, vielleicht weil die Karriere des unpolitischen Hartenstein nicht zu einer großen Heldengeschichte taugt. Der Korvettenkapitän war ein treuer Soldat Hitlers und ging auch nach der Episode mit der Laconia wieder auf Feindfahrt (bei der er ums Leben kam). Mit dieser Haltung, die, von heute aus betrachtet, widersprüchlich erscheint, ist Hartenstein ein typischer Deutscher seiner Zeit. Aber einer, der Menschlichkeit bewiesen hat, wohl aufgrund eines seemännischen Ethos’, das er zumindest dieses eine Mal über die Logik und den Vernichtungswillen der militärischen Führung stellte.

Mit seiner guten Tat ist Hartenstein nun ein Fall für das historische Eventfernsehen geworden, das insbesondere Produzent Nico Hofmann und seine Firma Teamworx mit immer neuen Stoffen befeuert. Wie zuletzt der RTL-Zweiteiler „Hindenburg“ entstand „Laconia“ als internationale Koproduktion, diesmal für die ARD und die BBC. Das in Südafrika gedrehte Drama ist mit 13 Millionen Euro drei Millionen teurer als „Hindenburg“, die Sender trugen rund zwei Drittel der Kosten. So wurden unter anderem ein seetüchtiges, 70 Meter langes U-Boot und das beinahe ebenso lange Oberdeck der Laconia nachgebaut. Man darf ein kinoreifes Szenenbild erwarten. Hofmann und Co. liefern prompt.

Was man leider auch erwartet, ist Pathos und Kitsch, mit Pauken und Trompeten dramatisierte Geschichte, überzuckert mit einem Liebesmelodram im Dreiecksverhältnis. Doch da liefert „Laconia“ zum Glück nicht, oder jedenfalls nur in vergleichsweise bescheidenem Umfang. Vielleicht liegt es daran, dass mit Alan Bleasdale ein britischer Autor das Drehbuch schrieb. Oder auch dass mit Uwe Janson ein Regisseur verpflichtet wurde, der dank „Vulkan“ Erfahrung mit der Eventfilmerei, aber sich auch intensiv mit Theaterfilmen beschäftigt hat. Jedenfalls überrascht „Laconia“ positiv, weil der Film behutsam mit historischen Fakten umgeht und sich mit seinen sorgfältig erzählten Hauptfiguren Zeit und Raum lässt, um die Fragen nach Schuld und Vergebung nicht allzu plakativ abzuhandeln.

Zudem tragen Franka Potente, Ken Duken und der Brite Andrew Buchan die „Laconia“ durch ihre Kunst, große Gefühle mit minimalen Gesten und Blicken zu transportieren, auch über seichte Gewässer hinweg. Potente ist das Zentrum des Films. Sie spielt eine Deutsche mit falschem britischen Pass auf der Flucht vor der Gestapo, in den Armen ihre kleine Nichte, die sechs Monate alte Ella, deren Eltern hingerichtet wurden. Die Laconia soll sie von Suez aus nach Liverpool bringen. Auf dem Schiff freundet sie sich mit dem Offizier Thomas Mortimer (Andrew Buchan) an, einem echten Gentleman. Die angedeutete Liebesgeschichte bleibt im Konjunktiv, es ist ja Krieg, und Mortimer findet irgendwann heraus, dass Hilda Smith Hildegard Schmitz heißt.

Der erste Teil spielt an zwei Schauplätzen, auf dem britischen Schiff und dem deutschen U-Boot – bis zur Versenkung der Laconia, deren „Passagiere“ zum großen Teil aus im Bauch des Schiffes eingepferchten italienischen Kriegsgefangenen besteht. Das ergibt eine kuriose Mischung aus „Das Boot“ und „Titanic“. Besonders die Figur des Hartenstein, den Ken Duken mit kühlem Blick und leiser Stimme spielt, sieht wie ein Wiedergänger des „Boot“-Kommandanten Jürgen Prochnow aus und gewinnt erst im zweiten Teil des Films an Format, in dem mit der Rettungsaktion die Handlungsstränge zusammengeführt werden.

In Wirklichkeit überlebten rund 1100 von 2700 Menschen, die an Bord der Laconia gewesen waren. Hartenstein erhielt trotz seiner ungewöhnlichen Entscheidung das Ritterkreuz, aber noch am selben Tag stellte Admiral Dönitz (Thomas Kretschmann) im „Laconia“-Befehl klar, wie sich ein deutscher U-Boot-Kapitän zu verhalten habe: Rettungsversuche seien zu unterlassen, weil sie „den primitivsten Forderungen der Kriegführung nach Vernichtung feindlicher Schiffe und Besatzungen“ widerspreche.

„Laconia“, ARD, Mittwoch und Donnerstag, 20 Uhr 15

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