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Medien: Habemus primetime

„heute“ mit weißem Rauch, „Tagesschau“ mit Papst.

Die Kurie denkt öffentlich-rechtlich. Um 19 Uhr 07, mitten in der „heute“-Sendung, stieg weißer Rauch aus der Sixtinischen Kapelle auf. Die „Tagesschau“ um 20 Uhr hatte das „Habemus papam“: Jorge Mario Bergoglio, Erzbischof von Buenos Aires, der sich Franziskus I. nennt.

Die Dramaturgie wirkte wie eine Belohnung für den Eifer und den Einsatz, mit dem ARD, ZDF, aber auch die Nachrichtenkanäle n-tv, N 24 und Phoenix das Konklave begleiteten. Und wie eine Erlösung. Die Spekulationen um den Nachfolger von Benedikt XVI. hatten die langen Stunden des Wartens bis ins Absurde gefüllt, und selbst in der einen Stunde zwischen dem Rauchzeichen und dem ersten Auftritt von Franziskus I. drehte sich das Nicht-Wissen immer neue Locken in die Glotze. Alles auf und neben dem Petersplatz bekam eine unheimliche Bedeutung, der Regen apokalyptische Dimensionen.

Das Fernsehen kommt immer ins Schwimmen, wenn die Bilder fehlen, sich gleichen oder wiederholen. Dann reden die schier zahllosen Experten die Agenda rauf und runter, selbst so gestandene Chefredakteure wie Peter Frey (ZDF) und Sigmund Gottlieb (BR) ringen um neue Worte. Dann sagt einer wie Alois Glück, Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, so bemerkenswerte Sätze wie „Die Themen des neuen Papstes werden die drei großen K’s sein: Kurie, Kultur und Gesamtkirche.“

Für die öffentlich-rechtlichen Sender, darunter auch einige Dritte, gab es nur das Papst-Programm. Die Privaten negierten in der Mehrzahl das Ereignis: Unterhaltung muss sein, egal, was auf dieser Welt Relevantes geschieht. RTL stellte sich am cleversten an: Erst in dem Moment, da der neue Papst ruchbar wurde, gab es die Schalte nach Rom, Peter Kloeppel moderierte die entscheidende halbe Stunde. Dass die Ressourcen knapp sind, zeigte sich, als es um Informationen zum doch weitgehend unbekannten Mann aus Buenos Aires ging. Da stolperte Kloeppel, wo ARD und ZDF schon erste Archivbilder und biografische Abrisse boten. Das Wettrennen um die erste Schalte nach Lateinamerika gewann das Zweite, dummerweise hatte das ZDF einen Mann aus Brasilien erwartet – also kam der Korrespondent in Sao Paulo ins Bild. Lässlichkeiten im Vergleich mit dem, was Sat 1 anstellte. In den Nachrichten passte gerade noch das „Habemus papam“, Informationsdirektor Peter Limbourg bettelte um Verlängerung und wurde gnadenlos abgeknipst. Sat 1 kann Fernsehen?

Auf Twitter gingen die Nachrichten zum Papst im Sekundentakt ein, innerhalb kürzester Zeit war #HabemusPapam das Trend-Thema weltweit. Auch das ZDF twitterte mit – und erlaubte sich während der Wartezeit einen Scherz: „Es wird ein Mann“, twitterte die Redaktion. @pontifex mischte auch wieder mit, ab 20 Uhr 33. Ist das ein abgrundtief böser Gedanke? Der neue Papst ist 76 Jahre alt, taufrisch wirkte er nicht. Ob die Sender ihre Übertragungswagen in Rom geparkt lassen sollten? Joachim Huber/sop

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