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Waffengewalt kommt für den italienisch-schwedischen Inspektor Barbarotti (Sylvester Groth) nur als Ultima Ratio infrage. Foto: ARD/Degeto

© ARD Degeto/Trebitsch Entertainme

Hakan-Nesser-Krimi: Schwarzer Mittsommer

Mit Inspektor Barbarotti kommt ein weiterer Schwedenkrimi ins Fernsehen. Er stammt aus der Feder von Hakan Nesser, der neben Henning Mankell der populärste Kriminalschriftsteller Schwedens ist

Es ist wirklich ein Jammer, dass Walter Hermansson ermordet wurde. Der Schöngeist aus der schwedischen Kleinstadt Kymlinge hatte sich eines Junitages eine Weile von seiner tyrannischen Familie zurückziehen wollen, um sein zehn Jahre altes Romanprojekt „Mensch ohne Hund“ zu vollenden. Doch da kam ihm eine frühere Geliebte dazwischen, eine Psychopathin mit einer großen Kühltruhe. So wird „Mensch ohne Hund“ also auf ewig ein unfertiges Manuskript und die Neugier der potenziellen Leserschaft ungestillt bleiben. Mit „Människa utan hund“ eröffnete Hakan Nesser 2006 seine bislang dreiteilige Reihe von Inspektor-Barbarotti-Romanen. Seit den Edgar-Wallace-Straßenfegern der sechziger Jahre ist die deutsche Vorliebe für einheimische Schauspieler in fremdländischer Krimikulisse virulent.

Die ARD-Tochter Degeto folgte diesem Trend und tat mit der Besetzung von Sylvester Groth als dem italo-schwedischen Polizeiinspektor Gunnar Barbarotti einen Glücksgriff. Zurückhaltung bei gleichzeitiger Intensität ist ein Markenzeichen dieses Ausnahmeschauspielers. Unter der Regie von Jörg Grünler legt Groth den Inspektor als freundlichen Grübler an. Der erklärte Atheist wettet mit Gott: Jede erhörte und jede nicht erhörte Bitte hält er in einer Strichliste fest. Seine Scheidung vor vier Jahren hat den alleinerziehenden Vater einer unglücklich verliebten Tochter im Teenageralter (der ehemalige Kinderstar Henriette Confurius als Sara) den Rückzug vor der Liebe und damit vor möglichen neuen Verletzungen antreten lassen.

Doch natürlich verliebt er sich nun zaghaft. Als er seine Flamme Marianne zur Hochzeit ihrer Schwester begleitet, kommt er durch eine Zufallsbekanntschaft in seinem verzwickten Fall entscheidend voran.

Menschen ohne Hund, Menschen ohne Orientierung: Hakan Nesser, der neben Henning Mankell populärste Kriminalschriftsteller Schwedens, nutzt die gleißende Helligkeit des Mittsommers, um in diesem so absurden wie spannenden Fall familiäre und gesellschaftliche Abgründe auszuleuchten.

So war Walter bei seinen moralinsauren Eltern Karl-Erik (Vadim Glowna) und Rosemarie (Marie-Anne Fliegel) in Ungnade gefallen, weil er als Mitwirkender einer Reality-Show von einer Kamera beim Onanieren beobachtet wurde. Seitdem war er als „Wichs-Walter“ verschrien, was seine Eltern zur Auswanderung nach Spanien veranlasste. Nur der Geburtstag des Patriarchen Karl-Erik Hermansson am 18. Juni, drei Tage vor Mittsommer, sollte noch mit der ganzen Familie gefeiert werden. Aber unmittelbar nach Walter verschwand auch dessen Neffe Erik. War er tatsächlich schwul, wie sein jüngerer Bruder Kristoffer (beeindruckend: Theo Trebs) bemerkt haben will? Und führt die Spur des Vermissten nach Thailand? Gunnar Barbarotti verhört Walters Schwestern, die kontrollierte Oberärztin Ebba, Mutter von Erik und Kristoffer, sowie Kristina, gespielt von Johanna Christine Gehlen. Die Frau eines undurchsichtigen Fernsehproduzenten gibt sich betont unkonventionell. Umso merkwürdiger, dass sie panische Angst vor ihrem Mann zu haben scheint.

Hakan Nessers Tatort Kymlinge wirkt weit weniger düster-existenzialistisch als Henning Mankells Ystad. Gedreht wurde „Mensch ohne Hund“ in einer wunderschönen norwegischen Fjordlandschaft. Hier bringt noch die vom Wind zerzauste Polizistin Eva Backman (Nina Kronjäger) ihrem Lieblingskollegen per Fahrrad den neuen Fall ins Haus. Nur dass die Bewohner dieser skandinavischen Idylle so große Kühltruhen besitzen, irritiert.

„Inspektor Barbarotti – Mensch ohne Hund“: ARD, 20 Uhr 15

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