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© dpa

Handy-TV: Bei Anruf Tor

Handy-TV zur Fußball-EM? Noch fehlen Mobilfunker als Vermarktungspartner. Die Kosten für das mobile TV werden auf mehrere hundert Millionen Euro geschätzt.

Die Uhr auf zählt unaufhaltsam rückwärts. Bis zum Anpfiff der Begegnung Schweiz – Tschechische Republik am 7. Juni in Basel sind es, wenn man diese Zeilen am Donnerstagmorgen liest, nur noch 58 Tage. Den Fußballfan, der die Europameisterschaft in der Schweiz und Österreich sehnlich erwartet, wird’s freuen. Für das Unternehmen Mobile 3.0, das Ende letzten Jahres den Auftrag erhalten hat, in Deutschland ein mobiles Handy-Fernsehsystem aufzubauen und zu betreiben, ist es vor allem eins: eine gewaltige Herausforderung. Mobile-3.0-Präsident Rudi Gröger gibt sich zuversichtlich. „Wir werden pünktlich loslegen“, lässt sein Unternehmen verlauten. Doch der Zeitplan ist äußerst knapp, wie Branchenexperten besorgt beobachten. Und die Mobilfunkkonkurrenz sucht bereits nach alternativen Lösungen.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Betrieb des mobilen Fernsehens auf Basis von DVB-H – einem für den Handybetrieb optimierten Ableger des sogenannten Überallfernsehens DVB-T – ist gegeben. Seit Ende letzten Jahres sitzen die wichtigen deutschen Sender von ARD, ZDF, ProSiebenSat1 und RTL im Boot. Ohne ihre Zusagen hätte es das OK der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten für die Betreiberfirma, an der die Verlage Burda und Holtzbrinck sowie der südafrikanische Medienkonzern Naspers beteiligt sind, auch gar nicht gegeben. „Dennoch ist die jetzige Situation nicht gut, denn zur Vermarktung fehlen nach wie vor die Mobilfunknetzbetreiber“, sagt Michael Schmid, Consultant für das Themengebiet Digital-TV beim Berliner Medieninstitut Goldmedia. „Die Mobilfunker hätten das gerne selbst gemacht. Nachdem sie nicht zum Zuge gekommen sind, wird nun nach Alternativen gesucht.“ Wie die aussehen könnten, hatten die Mobilfunker unlängst auf der IT-Messe Cebit gezeigt. „Die dort präsentierten TV-Handys von LG arbeiten mit dem ganz normalen DVB-T und bringen es dennoch auf eine Laufzeit von zwei Stunden“, beschreibt Schmid die Kampfansage an Mobile 3.0. T-Mobile überlegt bereits, ob man im Sommer ein DVB-T- Handy ins Angebot aufnehmen soll. „Ob das bereits zur EM klappen könnte, kann allerdings nicht gesagt werden“, sagte ein Sprecher. Die Entscheidung der Landesmedienanstalten für Mobile 3.0 können die Bonner zwar nicht nachvollziehen. Dennoch will man kein schlechter Verlierer sein und verhandele darum mit Mobile 3.0, „zumal DVB-H die technisch bessere Lösung ist. “ Aber auch Mobile 3.0 hat weitergehende Optionen, da sich inzwischen neben den vier großen Mobilfunknetzbetreibern weitere Vertriebskanäle etabliert haben.

Egal, ob nun mit oder ohne die Mobilfunker, zum Start zur Fußball-EM wird der Sendebetrieb von DVB-H kaum größer sein als beim WM-Showcase vor zwei Jahren. Anfang Juni will Mobile 3.0 in fünf Ballungsräumen auf Sendung gehen, bis Ende des Jahres sollen die 16 deutschen Landeshauptstädte mit Handy-TV versorgt sein, so sehen es die Auflagen der Bundesnetzagentur vor. Noch fehlt allerdings die Unterschrift auf dem Vertrag mit dem Netzbauer Media & Broadcast. Dem Vernehmen nach sind die Verhandlungen allerdings abgeschlossen.

Es geht um viel Geld. „Für Aufbau und Betrieb des Systems können Kosten in Höhe von 500 Millionen Euro für die ersten drei Jahre anfallen“, rechnet Schmid vor. Auch die Inhalte-Lieferanten – zumindest die privaten – wollen bezahlt werden. Da der Empfang der öffentlich-rechtlichen Sender den Verbraucher nichts kosten darf, können ARD und ZDF zufrieden sein, wenn sie für die Ausstrahlung nichts zahlen müssen. Welche Monatskosten der Handy-Nutzer einkalkulieren muss, steht noch nicht genau fest. Mobile 3.0 geht von rund zehn Euro aus, von denen ein mehr oder minder großer Teil bei den Vermarktungspartnern, also den Mobilfunkern, hängen bleiben würde.

Der Markt ist vorhanden, das zeigen die Erfolge in Italien. Zehn Prozent der Kunden von 3 Italia schauen bereits in die Handy-Glotze. Eine ähnliche Durchdringung sei mittelfristig auch in Deutschland möglich, wenn den deutschen Kunden ähnlich attraktive Angebote gemacht werden, sagt Goldmedia-Berater Schmid. „Wenn sich Mobile 3.0 und die Mobilfunk-Netzbetreiber nicht einigen, kann es allerdings passieren, dass DVB-H trotz aller technischen Vorteile auf der Strecke bleibt und die Mobilfunker auf die UMTS-Nachfolger oder DVB-T setzen.“

Das Handy-TV wird kommen, und sei es als Videostreams auf mobilen Internetportalen, da ist sich Schmid sicher. Wenn nicht zur Fußball-EM, dann spätestens zur nächsten Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Bis dahin sind es übrigens noch 791 Tage, wie man auf de.fifa.com nachlesen kann.

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