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HD-TV: High sein, HD muss dabei sein

ARD und ZDF wollen mit Digital-TV mehr Publikum für sich gewinnen.

„High Definition“ ist ein großes Wort und ein großes Durcheinander. Zwar sollen 13 Millionen Fernsehgeräte in deutschen Haushalten stehen, die die HD-Technologie in ein neues, beglückenes Fernseherlebnis verwandeln können, aber nur wenige Besitzer solcher TV-Geräte können in „High Definition“-Qualität fernsehen. Für ZDF-Intendant Markus Schächter sind weniger die Sender als die Transporteure des Fernsehsignals und die Geräteindustrie an diesem Missstand schuld. „Die Nutzer sind zu Recht irritiert, wenn sie sich ein HD-fähiges Gerät kaufen und dann feststellen, dass sie von dieser Technik nichts haben“, sagte Schächter am Dienstag in Berlin. Der ARD-Vorsitzende, SWR-Intendant Peter Boudgoust, ergänzte beim gemeinsamen Pressegespräch: „HD braucht Aufklärung.“

Trotzdem wollen sich ARD und ZDF von ihrem Weg zum digitalisierten Fernsehvergnügen nicht abbringen lassen. Die beiden Senderchefs kündigten an, den HD-Regelbetrieb mit den Olympischen Winterspielen im Februar 2010 aufnehmen zu wollen. Für das Frühjahr 2012 kündigten sie das Ende der analogen Ausstrahlung an. Dann soll Fernseh-Deutschland komplett digitalisiert sein. Ein hehres Ziel, das schon einmal verfehlt wurde, eigentlich war der Switch-Off bereits für 2010 angesetzt.

Die Bremser sind in den Augen der Intendanten vor allem die Kabelgesellschaften, die sich in der analogen Welt eingerichtet hätten. Die Musik spiele deswegen bei den Satelliten-Betreibern, die die digitale Umstellung beschleunigten und das HD-Vergnügen sichtbar machten und mehr und mehr Endkunden für sich gewinnen könnten.

In der digitalen Fernsehwelt ist die Zahl der empfangbaren Programme je Haushalt ungleich höher. Das wollen ARD und ZDF zur Steigerung von Quote und Marktanteil nutzen. Das Zweite macht den Vorreiter. Mit dem neuen Digitalkanal „ZDFneo“ sollen gezielt jüngere Menschen und Familien erreicht werden. Das neue Programm wird von 1. November an den ZDF-Dokukanal ersetzen. Damit will der Sender auf die Aufsplittung der Zuschauerschaft in der digitalen Medienlandschaft reagieren. „Wo es nicht mehr gelingen kann, mit einem Kanal alle Zuschauer zu erreichen, liegt der Erfolg im Angebot einer starken Senderfamilie, in der sich die unterschiedlichen Zielgruppen unter dem Dach des ZDF wiederfinden“, erläuterte Schächter.

ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut sieht den neuen Kanal auch als Möglichkeit, bestimmte Sendungen für das Hauptprogramm zu testen. „Mit seiner Ausrichtung auf jüngere Zuschauer wird ZDFneo zum Innovationsmotor, von dem auch das ZDF-Hauptprogramm profitieren wird.“.

Sollte es vielleicht auch. Wie eine Übersicht der Sender zeigt (siehe Grafik), liegt das ZDF bei den Marktanteilen 2009 erkennbar unter dem Wert von 1999. Nicht das ZDF allein, diese Entwicklung trifft alle großen Fernsehsender. Die größten Einbußen haben die ARD mit 1,5 Prozent und der Privatsender RTL mit 2,8 Prozent erlitten. Die ARD-Dritten liegen in der Zuschauernachfrage aktuell vorne, was freilich mehr mit der summarischen Betrachtung zu tun hat. Würde jedes einzelne Dritte nach seinem bundesweiten Marktanteil berücksichtigt, gehörte jedes der sieben Programme in die Kategorie der kleineren Angebote.

Für die „TV-Bundesliga“ gilt: Augenscheinlich nimmt die Strahlkraft der Hauptprogramme ab, zugleich die Anziehung der kleineren gewachsen ist. Die Ergebnisse des ARD-Medienforschers Stefan Geese stützen diese These. „Betrug der Anteil der 15 meistgenutzten Angebote am gesamten Fernsehkonsum 1999 noch knapp 95 Prozent, so sind es derzeit noch 89 Prozent. Diese Veränderung ist zwar nicht weltumstürzend, aber sie macht sich natürlich in den numerischen Werten der Einzelsender bemerkbar.“ Da ist ein Erfolg wie der des Senders Vox umso sensationeller: Das Mitglied der RTL-Senderfamilie hat seinen Marktanteil in zehn Jahren beinahe verdoppelt.

Wesentlicher Grund dafür ist die größere Verfügbarkeit von Programmen. Nach Geeses Angaben konnte ein Fernsehhaushalt 1999 im Durchschnitt etwa 35 Programme empfangen, im Jahr 2009 liegt dieser Wert bereits bei 74 Programmen. Das kann nicht ohne Folgen für die allgemeine wie individuelle Nutzung bleiben, Fernsehen wird mehr und mehr zum „Special-interest“-Programm.

Die gewachsene Zahl der Spartenkanäle scheint beim Publikum die Zufriedenheit mit dem Medium und zugleich dessen Anziehungskraft zu erhöhen. Klingt paradox, ist aber so. Verglichen mit 1999 verbrachte der Bundesbürger pro Tag etwa 185 Minuten vor dem Bildschirm, im vergangenen Jahr waren es 207 Minuten. Und das bedeutet, dass die tatsächliche Sehdauer das ARD-Programm nicht gelitten hat – täglich 26 Minuten.

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