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Medien: Helden wie wir

Die Idee stammt von Tom Hanks, Steven Spielberg setzte sie um. Nun zeigt RTL2 die „Band of Brothers“

Eisenhower soll Tränen in den Augen gehabt haben, als er seine Fallschirmjäger verabschiedete. Der General rechnete mit bis zu 80 Prozent Verlust. So schlimm kam es nicht. Von den in der Nacht des 6. Juni 1944 über der Normandie abgesprungenen rund 6600 Elite-Soldaten, mit denen die Invasion begann, ließen bis Kriegsende etwa 2500 ihr Leben.

Ob tot oder lebendig, zu Helden sind sie alle geworden, zumindest in ihrer Heimat. In seinem Bestseller nannte der TV-Journalist und Patriot Tom Brokaw die Veteranen des Zweiten Weltkriegs „The Greatest Generation“. In der Bush-Ära ist die „größte Generation“ noch ein Stück größer geworden. Das Image der Vietnam- oder gar Irakkrieger ist nicht halb so clean.

Die zehnteilige, mit Preisen dekorierte TV-Reihe „Band of Brothers“ zeigt auf gute amerikanische Art, wie man sich Weltkriegs-Heldentum vorzustellen hat: lässig, cool, kameradschaftlich. Beinahe makellos. Das zehnstündige Werk rehabilitiert Soldatentum, Zweifel am Sinn von Kriegen, wie sie Oliver Stone oder Francis Coppola hatten, kommen gar nicht erst nicht auf. Und doch unterscheidet sich die Fernsehreihe von den Schlachtgemälden Hollywoods. Hier gibt es keine Stars in Uniform (die weitgehend unbekannten Darsteller glänzen im Ensemble), hier dominiert nicht Melodramatik in olivgrün und nicht das theatralisch gedehnte Sterben von Heroen, die sich freiwillig oder unfreiwillig ihrem Land opfern. Hier wird nicht pausenlos gegen „Krauts“ gekämpft, sondern durchaus auch gegen Langeweile. Die Nazis bleiben im Übrigen so gut wie unsichtbar. Für den nüchtern denkenden GI sind sie der Gegner, der auch bloß kämpft. Man merkt, Amerikaner hassen nicht.

Das Fernsehen spielt in „Band of Brothers“ seine Stärke aus. Es ist Zeit für Details aus dem Kompanie-Alltag. Man erfährt, dass die deutsche Militärpistole Luger das begehrteste Beutestück eines GI war. Berührend auch das Bild der auf dem Rollfeld kampierenden Fallschirmjäger, die per Megaphon an ihre Unterschrift unter die Lebensversicherung erinnert werden, ohne die es im Todesfall nicht die 10 000 Dollar für die Angehörigen gäbe. Der Krieg bekommt andere Proportionen. Er ist nur selten infernalisch, meistens ist er profan.

„Band of Brothers“ ist die – nicht ganz lückenlose – Chronik eines Einsatzes der Easy-Kompanie der 101. Airborne-Division. Sie beginnt im Ausbildungscamp im heimatlichen Georgia und führt von der Sammelstelle aller Invasionskräfte im Südwesten Englands in die Normandie. Wer dort nicht von Artilleriefeuer getötet vom Himmel fiel, ging nachts in unübersichtlichem Gelände auf die Suche nach den Kameraden und wenn es gut lief im Morgengrauen zum Angriff über. Im zweiten Teil hebt die Easy mehrere deutsche MG-Nester aus. Die Attacke soll so mustergültig geführt worden sein, dass sie in der Militärakademie von West Point noch heute gelehrt wird, wie der Abspann aufklärt.

Nach einem Himmelfahrtskommando in Holland und dem winterlichen Stellungskrieg in den Ardennen marschiert die Truppe quer durchs erledigte Dritte Reich bis auf den Obersalzberg. In der amerikanischen Armeeführung hielt sich – was der Film so nicht sagt – hartnäckig die Mär, dass rund um den Berghof noch SS-Einheiten lägen, die dort an Geheimwaffen werkeln. Was symbolisiert militärischen Triumph besser als stolze Eroberer im Privatreich des Führers? Die Bilder kommen einem bekannt vor. Knapp sechzig Jahre später sitzen Soldaten der 101. Airborne in Saddams Sesseln und rauchen Zigarre. Am Ende des Zweiten Weltkriegs hält die Easy-Kompanie Einzug im tirolerischen Zell am See, wo Major Winters, der Boss, baden geht. Der Krieg ist aus.

„Band of Brothers“ ist Spitzen-TV zum Spitzenpreis. 120 Millionen Dollar kostete das Großprojekt. Man sieht dem Opus den Aufwand an. Oder gerade nicht. Denn keine der tagebuchartig erzählten Episoden ist bloß kostümiertes Kriegsspiel im Sandkasten. Die mit subjektiver Kamera gefilmten Gefechte plus das Sounddesign vorbeizischender MG-Salven verfehlen nicht ihre Wirkung: Man soll ja dabei gewesen sein. Doch „Band of Brothers“ kann mehr als nur aktuelles Kriegskino imitieren. Besonders die Teile sechs und sieben fallen in ihrer hypnotisierenden Eindringlichkeit aus dem Rahmen. Wie jeder Soldat für sich im Erdloch eines leicht verschneiten, gespenstischen Ardennenwaldes ausharrt, lehrt, woraus Albträume sind: Monotonie und Schrecken.

Die Idee zu „Band of Brothers“ stammt von Tom Hanks. Als ausführenden Produzenten holte er sich Steven Spielberg ins Boot, seinen Regisseur aus „Der Soldat James Ryan“. Die beiden liefern mit der Reihe quasi das historische Hintergrundpanorama zu ihrem Kriegsepos von 1997. Inspiriert hatten den Schauspieler die als Buch erschienenen Interviews mit den Kämpfern von damals. 47 haben bis heute überlebt. In der Fernsehfassung leiten kurze Statements der Veteranen die einzelnen Episoden ein. Ihre Ruhmestaten durften sich die einstigen Hasardeure sozusagen live und vor Ort ansehen: die TV-Premiere fand im September 2001 in der Normandie statt. Anschließend gab‘s kaltes Büfett.

In Amerika lief das von der Kritik hymnisch gefeierte „period piece“ im Pay-TV-Kanal HBO, dem Auftraggeber der Reihe. In Deutschland fand es zunächst keinen Abnehmer. Pro7 und RTL war es zu teuer und zu sperrig. Zehnmal eine Stunde lassen sich in der formatierten Primetime nicht programmieren. Jetzt schlägt auf RTL2 die Stunde der Easy-Boys.

Waren wirklich alle Helden? Wenigstens die englische Presse – immer beleidigt, wenn die Amerikaner mal wieder im Alleingang die Nazis besiegen – störte ein bisschen die alliierte Harmonie. Die „Daily Mail“ witterte unter den Airbornes viele „Galgenvögel“, und bemerkte, dass es auch in der US-Army zu Vergewaltigungen, Plünderungen und Meuterei kam, so dass Eisenhower angeblich mit öffentlichen Hinrichtungen gedroht haben soll, um Ordnung in die Truppe zu bringen. Da gibt sich „Band of Brothers“ völlig unschuldig. Zuviel der guten Tat ist allerdings die Beteiligung der Kompanie an der Befreiung des KZ Dachau. Wie US-Soldaten die örtliche Bevölkerung zwingen, die offen herumliegenden Toten zu begraben, gehört zu den emotionalsten und stärksten Momenten des Films. Nur: die Easy war nicht dabei. In diesem Fall war den Machern die geschichtliche Lektion wichtiger als Akkuratesse im historischen Detail. Einverstanden.

„Band of Brothers“, zehnteilige Reihe auf RTL2, ab Freitag, 20 Uhr 15

Andreas Rolf

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