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Medien: „Herr Andrack, was habe ich verpasst?“

Mit Bibliothek und ohne Helmut Zerlett: Wie Harald Schmidt heute in die ARD zurückkehrt

Wenn heute Abend alles normal läuft, dann beginnt um Viertel vor zehn eine lustige Sendung und hört um halb elf auf, pünktlich zu den „Tagesthemen“. Sie wird von einem ganz normalen Menschen aus Fleisch und Blut präsentiert, aus einem ganz normalen Studio, vor ganz normalen Zuschauern. So sieht’s für die einen aus. Für die anderen läuft heute das Fernsehereignis des Jahres. Quasi eine Erlösung. Harald Schmidt kehrt zur ARD zurück, nach genau einem Jahr „Kreativpause“. Wie sonst nur über Osama bin Laden ist über eine abwesende Person des öffentlichen Interesses so viel spekuliert und geschrieben worden wie über Harald Schmidt in den vergangenen Wochen. Was will Schmidt? Was macht Schmidt? Was kriegt Schmidt? Und weil Schmidt bis Sonntag auf Weltreise war, musste einer zur Show mit Antworten herhalten: Schmidts Stichwortgeber Manuel Andrack.

Andrack wirkt etwas müde an diesem Morgen, in seinem Büro bei Schmidts Produktionsfirma Bonito, Kölner Schanzenstraße. Am Abend zuvor war eine Weihnachtsfeier in München. Andrack musste fliegen. Das macht er nicht so gerne, und jetzt auch noch die x-ten Fragen: Wie die neue „Harald-Schmidt“-Show aussieht, wie oft er seinen Chef in den vergangenen Monaten gesehen hat, und was man von der Aufregung um Schmidts tollen Vertrag denkt. Rund 140 000 Euro soll die ARD für jede halbe Stunde Schmidt-Show zahlen. Das sind fast neun Millionen Euro jährlich. „Gebührenskandal!“, titelten Boulevardzeitungen. Schmidts alter Kompagnon Herbert Feuerstein sagte, er kenne niemanden, der „die ARD so genial abgezockt habe“ wie Schmidt. Das macht Stimmung. Manuel Andrack schmunzelt. „Das Thema ,Gebühren’ ist doch immer gut für ’ne Schlagzeile. Dass das nicht unkommentiert bleibt, war klar, egal, ob Schmidt nun 140 000, 120 000 oder 60 000 Euro pro Show bekommt.“ Mehr nicht dazu. Andrack war bei den Vertragsverhandlungen sowieso nicht dabei. „Ich bin Angestellter der Bonito TV GmbH, die von der Kogel & Schmidt GmbH den Auftrag für die Show bekommen hat. Ich rede lieber über Kunst.“

Gut. Kleine Führung vor der Show, stellvertretend. Das neue Studio im Bonito-Haus ist fünf Schritte von Andracks Büro entfernt. Am anderen Ende des Flurs: Schmidts Zimmer. Bis zuletzt wurde am Studio gebastelt. Es ist kleiner, wirkt kuscheliger. 120 statt 240 Zuschauer. Edelholz, gedecktere Farben, Gelbtöne, kein ARD-Blau (Andrack: „Hat mir nicht gefallen“). Eine kleine Bibliothek. Biolek-Touch. Kein Helmut Zerlett, dafür eine ARD-Band. Keine Gäste. Die beiden Schreibtische rücken zusammen. Noch mehr Zeitgeschehen, Stichworte von Manuel Andrack. „Die Premiere wird den Charakter eines Jahresrückblicks haben, so nach dem Motto, Harald fragt: ,Herr Andrack, was habe ich hier verpasst?’“ Man habe die Show noch nicht bis April durchgeplant. Nur das Langzeit-Motto steht: Man wolle helfen, dass Deutschland zur WM 2006 nach vorne kommt. „Die ,Harald Schmidt Show’ war ja vom Konzept her erfolgreich. Einige Sachen waren auserzählt, zum Beispiel das mit den Playmobil-Figuren.“ Dafür werde man andere Formen finden, aktueller werden. Andrack blickt auf den Zeitungsstapel vor sich auf dem Schreibtisch. Die „Süddeutsche“ obenauf. Worüber will Schmidt lästern? Die Themen? „Eher mal Angie Merkel als Kader Loth.“

Dann kommt, nein geht Laurenz Meyer ja wie gerufen. Was der Zuschauer heute Abend nicht sieht: An Andracks Bürotür steht jetzt „Chefdramaturg“. Harald Schmidt ist der „Intendant“. Manuel Andrack spricht vom „Text der Welt“, den „Stoffen aus Zeitungen, Fernsehen und Literatur“, die man in einer halben Stunde Fernsehen verarbeiten wolle. Ganz schön gediegen. Ganz schön – hochtrabend?

Der „Spiegel“ schrieb diese Woche von der Niederkunft des „Erlösers“. Ein überzogener Vorabverriss in der allgemeinen Schmidt-Mania, doch etwas ist schon dran. Regisseur Dieter Wedel glaubt, dass der Entertainer die Erwartungen kaum erfüllen könne, nach dem „Jubel der Jünger, als würde Christus auf die Welt zurück kehren“. Irgendwie beschleicht selbst den größten Schmidt- Fan ein leises Unbehagen in diesen Tagen. Was ist, wenn „Harald Schmidt“ nicht mehr so funktioniert wie bei Sat 1, auch nicht als Theaterschar? Manuel Andrack hat zwar in diesem Jahr zwei Bücher geschrieben, eins über den 1. FC Köln und eins übers Wandern, mit Schmidt Theater gespielt, aber was ist das gegen die Ersatzdroge Fernsehen, die große ARD-Show? „Gut, das mit der Theaterterminologie ist ja auch eine Spielerei. Aber unsere Bühnentour in diesem Sommer war brillant. Und Feuerstein hat mal gesagt, Schmidt war immer am besten, wenn er direkt aus dem Urlaub zurückkehrt.“

Klingt alles ganz entspannt, ganz easy. Jedenfalls aus dem Mund des Mannes, dessen „Sozialpädagogik-Charme“ (der „Spiegel“ über Andrack) sowieso selten Zweifel aufkommen lässt. Mal sehen, was Schmidt daraus macht. Mal sehen, ob sich der Meister von der ARD nicht doch noch mehr ins Handwerk pfuschen lassen wird, als ihm lieb ist. Wie gesagt: Vielleicht läuft heute Abend nur eine ganz normale lustige Sendung. Vielleicht auch nicht, und das Erste kriegt mit seinem teuren Import die große Krise. „Harald Schmidt“ soll um eine Million Zuschauer erreichen, heißt es. Es könne „schon ein halbes Jahr dauern“, räumt Andrack ein, „bis der Zuschauerstamm da ist, bis die Leute sagen: ,Heute Abend ist Schmidt’.“ Eins ist aber schon geschafft, bevor der Chef aus der Südsee zurückkam. Der geplante Titel „Die ARD- Show“ wurde erst mal in „Harald Schmidt“ geändert. Andrack: „Das hat den Vorteil, dass man Leute nicht so einfach austauschen kann – bei ,ARD-Show’ wäre das anders.“

„Harald Schmidt“: 21 Uhr 45, ARD

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