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Führer Hitler? Am 25. April 1983 präsentierte „Stern“-Reporter Gerd Heidemann die vermeintlichen Hitler-Tagebücher mit den aufgeprägten Initialen „FH“.

© Thomas Grimm, ddp images/AP

Hitler-Tagebücher: Alles nur gefälscht

ARD und ZDF widmen dem Skandal um die Hitler-Tagebücher zwei Dokus. Wieder wird deutlich, wie bizarr sich der "Stern" von Konrad Kujau hereinlegen ließ.

Sie sind wieder da. Die Hitler-Tagebücher feiern Jubiläum, oder: Das größte Desaster des „Stern“ wird 30 Jahre alt. Am 25. April 1983 hatte die Zeitschrift aus dem Hause Gruner + Jahr der Weltöffentlichkeit in Hamburg schwarze Kladden mit den Initialen FH unter die Nase gerieben und behauptet, die Geschichte müsse umgeschrieben werden. Dabei waren Verlagsmanager und namhafte Journalisten, auch „Stern“-Gründer Henri Nannen, auf bizarre Weise einem Fälscher auf den Leim gegangen und hatten zudem vor lauter Enthüllungseifer übersehen, dass sie ihre Hände in einen „Eimer brauner Jauche“ (Thomas Osterkorn) tauchten. Der Führer war in den Tagebüchern nur ein lächerlicher Tropf mit Bauchgrimmen, es stank gewaltig. Für den heutigen „Stern“-Chefredakteur Osterkorn ist das Ganze aufgearbeitet, aber einige Fragen sind durchaus offengeblieben.

In der ZDF-Doku „Die Jahrhundertfälschung“ darf Ex-Reporter Gerd Heidemann, der die von Konrad Kujau gefälschten Tagebücher dem Verlag untergejubelt hatte, ein paar O-Töne aus seinem umfangreichen Archiv mitgeschnittener Telefonate präsentieren. Zufällig stützt ein Gespräch mit Kujau vom 9. Mai 1983 Heidemanns Beteuerung, er habe nichts von einer Fälschung gewusst – falls das Telefonat denn ausnahmsweise echt ist. „Wo sind die Bücher her, sag es mir doch?“, bedrängt er Kujau, noch drei Tage nachdem das Bundesarchiv in Koblenz das verheerende Urteil „plumpe Fälschung“ gefällt hatte. „Die sind aus der DDR, Mensch“, antwortet Kujau ungerührt. Heidemann: „Ich kann mir im Grunde nur eine Kugel in den Kopf schießen.“

Der heute 81-Jährige lebt „von 360 Euro monatlich“ (ZDF) und will „alles abgeliefert“ (Heidemann) haben. Gemeint sind die stattlichen Summen, die ihm der „Stern“ damals zum Ankauf der Hitler-Tagebücher bereitwillig übergab, insgesamt 9,34 Millionen D-Mark. Ein Teil des Geldes ist jedoch verschwunden. Das Gericht glaubte Heidemann nicht, er wurde wegen Unterschlagung zu einer Haftstrafe verurteilt. Seine zweifelhaften Tonbänder hatte er nicht vorspielen dürfen, aber für Reporter packt er sie hin und wieder aus. Konrad Kujau starb im September 2000.

Angesichts der grotesken Umstände schlägt Autor Jörg Müllner in seinem Film einen spöttischen Kommentarton an, der jedoch nur halb so lustig ist wie jeder Schnipsel aus „Schtonk“. Zumal neben den wenigen Filmzitaten auch die „szenischen Rekonstruktionen“ ganz alt aussehen. Dazwischen werden allerlei Interviewfragmente eingestreut, mit Heidemann, ehemaligen „Stern“-Redakteuren oder dem Medienpsychologen Jo Groebel. Harald Juhnke singt „Barfuß oder Lackschuh“ und Schauspieler Christoph Maria Herbst darf ein paar Sätze aus den falschen Hitler-Tagebüchern rezitieren. Seine schnarrenden Hitler-Parodien sind populär, seit er in den „Wixxer“-Filmen den Butler Alfons Hatler spielte. Und das Hörbuch zum Timur-Vermes-Bestseller „Er ist wieder da“ hat Herbst ebenfalls gelesen. Man wird bei dieser süffigen Doku-Mischung das Gefühl nicht los, der lustigen Fälschungsgeschichte um Jahrzehnte voraus zu sein. Als ob die Medien nicht immer noch anfällig für „plumpe Fälschungen“ sein könnten.

Die ARD verblüfft eine knappe Woche später mit einem anderen Ansatz: einer Recherche in Börnersdorf, dem Ort in Sachsen, wo in den letzten Kriegstagen 1945 ein mit allerlei Utensilien aus der Reichskanzlei beladenes Flugzeug abgestürzt war – dem Ursprung der Tagebuch-Legende. Heidemann tritt für „Absturz im Wald“ nicht vor die Kamera, dafür Thomas Walde, der damals beim „Stern“ das Ressort Zeitgeschichte leitete und mit dem Heidemann auch im November 1980 nach Börnersdorf in die DDR gereist war. Neues gibt es nur bedingt, wie auch, die Hitler-Tagebücher waren ja gefälscht. Die befragten Bewohner waren Kinder, als das „Hitler-Flugzeug“ in den Wald krachte. Ihre Erinnerungen sind wohl eher Dorfgerede. Aber eines ist sicher: Das vermeintliche Kanzelfenster des abgestürzten Flugzeugs, das Heidemann stolz im „Stern“ präsentiert hatte, waren nur die Seitenscheiben des Autos von Horst Elbe aus Börnersdorf. Das habe ihm immerhin ein Päckchen eingebracht, sagt Horst Elbe und lächelt zufrieden über die gelungene Täuschung des durchgeknallten Reporters, der bei seinen Besuchen immer Kaffee, Schnaps und Damenstrümpfe für die Börnersdorfer dabeihatte. Wie sagt Thomas Walde heute: „Nach der Affäre war man ja selbst nicht mehr sicher, ob man nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.“

„Die Jahrhundertfälschung“; ZDF, 20 Uhr 15; „Absturz im Wald“; ARD, 15. April, 23 Uhr 30

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