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Levin

© AFP

Hollywood: Der Klatsch-König

Süchtig nach Promis und Possen: Harvey Levins Website TMZ.com läuft den etablierten Medien den Rang ab.

Unfall oder blutiger Ehekrach? Beim mysteriösen Crash von Tiger Woods hatte eine Website wieder einmal die Nase vorn: TMZ.com. Nicht die Polizei oder eine seriöse Nachrichtenagentur lieferte die Fotos, sondern die US-amerikanische Klatschwebsite. Nicht zum ersten Mal. Ob bei Michael Jacksons überraschendem Tod oder Mel Gibsons antisemitischen Ausfällen – niemand hatte diese Scoops schneller als TMZ. Beim Tod von Jackson schlug sie sogar die Gerichtsmediziner – um sechs Minuten. Als Folge checken nun nicht nur gestandene Reporter altehrwürdiger Zeitungen wie die „Los Angeles Times“ regelmäßig TMZ.com. Die Konkurrenz fragt sich auch, wie die Website zu diesen Exklusivmeldungen kommt.

Location, location, location – würden die einen sagen. Sitzt doch TMZ im Westen Hollywoods direkt am Sunset Boulevard. TMZ, was für „Thirty Mile Zone“ steht, ein antiquierter Insiderbegriff für den Radius der Hollywood-Studios rund um Los Angeles, hat seine Lauscher und Zulieferer vermeintlich überall. Andere würden einfach Harvey Levin sagen. Der „Klatschboss von L. A.“ („Los Angeles Times“) hält die Fäden in der Hand. Er ist das öffentliche Gesicht für TMZs Besessenheit für Promis und deren Possen.

Als er neulich endlich ans Telefon kommt, ist es vier Uhr nachmittags und Levin seit elf Stunden auf den Beinen. Wenn VIPs und Nachtschwärmer ins Bett fallen, beginnt sein Arbeitstag. Der 58-Jährige sichtet News, Fotos und Videos, die bei TMZ einlaufen, und steht den Redaktionssitzungen vor, die täglich vom Sender Fox News übertragen werden. Dazwischen hängt er am Telefon. „Ich war gerade eine Stunde wegen dieser Videoaufnahmen von Carrie Prejean am Apparat“, sagt er. Und nimmt selbstverständlich an, dass man weiß, dass es um die in Ungnade gefallene ehemalige Miss California geht, die vor einiger Zeit ihren Freund mit Aufnahmen von sich selbst erfreute. Jemand hat TMZ das Video zugespielt, doch es sei „zu scharf“. TMZ ließ die Finger davon.

Was angeblich des Öfteren passiert, will man Levin glauben. Wenn auch Schauspieler Alec Baldwin ihn beschuldigt, „einen Ständer zu kriegen, wenn er das Leben anderer ruinieren kann“, seine Mission sei das nicht. Wenn angebotenes Material Gesetze oder die Privatsphäre verletzt oder illegal erworben wurde, lehne TMZ die Veröffentlichung ab. Die peinlichen Fotos, die die Tochter von David Hasselhoff 2007 schoss, als dieser trunken auf dem Boden lag – sie waren geklaut, sagt Levin. Baldwin und Co. dürfte diese Selbstzensur wenig beeindrucken. Der Seriendarsteller selbst hatte eine peinliche Tirade auf dem Anrufbeantworter seiner elfjährigen Tochter Ireland hinterlassen, was TMZ prompt veröffentlichte. Seitdem beschimpft Baldwin die Seite als „aktualisierter Abfalleimer“.

Levin ficht das wenig an. Klatsch ist sein Geschäft. Die 4,5 Millionen User im Monat beweisen doch wohl, dass die Website und die TV-Show mit gleichem Namen etwas richtig machen. TMZ hat nach den Nielsen NetRatings nicht nur mehr Nutzer als die Konkurrenten „The Smoking Gun“ und „Entertainment Weekly’s“ zusammen. Levin hat Skandalgeschichten und Paparazzi massenfähig gemacht. Jeder Hansel mit einem Handy oder einer Videokamera ist eingeladen, TMZ zur Hand zu gehen. Dass TMZ dafür bezahlt, bestreitet Levin nicht. Die Fotos der misshandelten Rihanna ließ sich TMZ angeblich 62 000 Dollar kosten. Für ungesicherte Infos fließe kein Geld. Dass der gelernte Jurist der heißesten Klatschadresse im Netz vorsteht, verdankt er O. J. Simpson. Levin berichtete 1995 als Gerichtsreporter für einen Lokalsender über den Mordprozess gegen den Football-Star. Und leckte Blut. Levin arbeitete als Analyst für die TV-Show „The People’s Court“ und entwickelte sein eigenes Programm mit Namen „Celebrity Justice“. 2005 lancierte er TMZ als „Hollywood and entertainment-centric news site“. Mit einem Budget von acht Millionen Dollar machte die Online-Sensation, die zu Time Warner gehört, nach einem Jahr einen kleinen Profit. Levin machte jüngst Schlagzeilen, als er der Polizei in L. A. den Kampf ansagte. Sie hatte sich illegal Abschriften seiner Telefonate besorgt, um herauszufinden, wer TMZ 2006 den Tipp über Mel Gibsons Verhaftung wegen Trunkenheit am Steuer gab.

Dass der „King des Klatsches“ selbst inzwischen zu Hollywoods Berühmtheiten gehört, nimmt er als Nebenprodukt seiner Arbeit hin. Den Party-Zirkus kann er dennoch immer noch nicht ab. Lieber, so vertraut er dieser Zeitung an, verbringe er mit seinem Partner den Abend in einem Restaurant oder zu Hause. Wenn er dafür überhaupt Zeit findet, denn, wie sagt Levin doch so schön, „Klatsch kennt keinen Schlaf“.

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