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Medien: „Ich bin halt gespalten“

Ex-RAF-Mitglied Christof Wackernagel spielt einen Polizisten

Können Sie sich eigentlich nie entscheiden, Herr Wackernagel?

Wieso?

Wenn man sich Ihre Biografie so anschaut: Sohn einer Schauspielerin, Hilfsarbeiter in einer Bibeldruckerei, Regisseur von Videofilmen und Theaterstücken, RAF-Sympathisant, Autor, Maler, Künstleraktivist, Schauspieler. Sie tanzen auf vielen Hochzeiten.

Bis vor ein paar Jahren habe ich darunter gelitten. Ich hatte den Eindruck, ich weiß nicht, was ich will, muss mich entscheiden fürs Eine oder Andere. Dann habe ich mir gesagt: O.k., ich entscheide mich beruflich für die Schauspielerei. Das ist mein Platz in der Gesellschaft…

Schauspielerei als Resozialisation, nach der Geschichte mit dem Terrorismus und der Haftstrafe?

Ich muss ja das machen, was gebraucht wird in der Gesellschaft. Als Schauspieler will mich die Gesellschaft, da hat sie mich auch nach dem Knast sofort wieder aufgenommen, problemlos. Das Andere, die Malerei, die Stücke-Schreiberei, das ist etwas, was ich jetzt in die Gesellschaft hineintragen will.

Die Welt verändern wollten Sie ja schon mal: als Sie bei der RAF mitmachten.

Vielleicht. Aber das ist jetzt der umgekehrte Weg. Das mit der Malerei, Schauspielerei und den Theaterstücken. Das sind natürlich alles Sachen, wo ich weiter gegen Mauern laufe. Nur bei der Malerei, da ist alles nur schön. Ich bin halt gespalten.

Wie sehen Sie heute Ihre Zeit, im heißen Herbst 1977?

Mir ist das nie unangenehm gewesen. Was mich nervt, ist die Reduktion meiner Person auf die acht Wochen Illegalität bei der RAF.

Man kann sich das gar nicht vorstellen. Sie sind Maler, Schauspieler – offenbar ein sehr musischer Typ. Und dann die rauhe Welt der RAF, die Waffen, die Gewalt…

Das Sensible, was Sie da ansprechen, das war ja der Grund, dabei zu sein. Schauen Sie sich einen Typen wie Christian Klar an, ein blasser Öko, Nichtraucher, Sitzpinkler. Der absolut sanfte Typ. Gerade aufgrund dieser Sensibilität hielt man es nicht aus, zuzugucken, was für ein Wahnsinn in der Welt herrscht.

Die Biografie des Schauspielers Christof Wackernagel war ein gefundenes Fressen für die Medien. Die Geschichten beginnen gerne mit: Wackernagel, der Ex-Terrorist…

Ich war acht Wochen bei der RAF. So eine dicke Nummer kann ich nicht gewesen sein. Warum werde ich heute auf den Begriff „Ex-Terrorist“ reduziert? Das ist geschäftsschädigend. Wenn ich in Talkshows gehe, mache ich zur Bedingung, dass in der Unterzeile steht: Christof Wackernagel, Schauspieler!

Das klingt verbittert.

Ich spiele jetzt eine Hauptrolle in „Abschnitt 40 …

…einen Polizisten…

Ja, ja. Die RTL-Serie wurde beim „New York Festival" ausgezeichnet. Es kann nicht sein, dass ich immer noch „Ex-Terrorist“ bin.

Reden Sie mit ihren Schauspieler-Kollegen über Ihre Vergangenheit als Terrorist?

Die sind meistens so in ihrer Welt, das sie das gar nicht interessiert.

Zurzeit planen Sie schon wieder ein neues Projekt, die „Künstlerkarawane".

Ja, da sollen 200 Künstler aus aller Welt in einer extremen Situation über einen langen Zeitraum zusammen leben und arbeiten. Die Karawane soll in Tripolis starten, es geht auf Kamelen nach Uganda.

Wann geht es los?

Wenn wir endlich Sponsoren bekommen, aus d er Industrie. Uns fehlen rund 40 Millionen Euro. Das ist nichts, höchstens das Schmiergeld für ein paar Leopard-Panzer.

Das Gespräch führte Markus Ehrenberg.

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