zum Hauptinhalt
„Thank you for being a friend.“ Der Song ist mehr als nur die Titelmelodie zu den „Golden Girls“. Er zeigt, was Dorothy Zbornak (Bea Arthur, v. l. n. r.), Sophia Petrillo (Estelle Getty), Rose Nylund (Betty White) und Blanche Devereaux (Rue McClanahan) im Innersten zusammenhält.

© mauritius images

Ich gestehe: Ich sehe "Golden Girls": Die Großmütter, die wir werden wollen

„Golden Girls“: Vier Frauen jenseits der 50 sitzen auf dem Sofa und sagen sich gemeine Wahrheiten. - Erste Folge der Serie über Lieblingsserien

Meine größte Angst bei dieser Sache hier ist, dass mein Unbewusstes mir hinterher Verrat vorwerfen könnte und mich für das Geständnis bestraft. Ehe ich mich versehe, darf ich nicht mehr nach Miami zurück. Ich mag plötzlich keinen Käsekuchen mehr oder finde Dorothys Bemerkungen nicht mehr witzig. Ehrlich gesagt, das wäre sehr schade für mich. Denn ich halte mich gern im Bungalow in Miami auf und sitze bei den „Golden Girls“ auf dem Sofa.

Wir lesen Zeitung, das Telefon klingelt, jemand läutet an der Haustür. Meistens ist es ein Date für Blanche, oder es ist Dorothys Ex-Mann Stanley. Nach 38 Ehejahren hat er Dorothy wegen einer Stewardess verlassen. Jetzt bettelt er wegen jeder Kleinigkeit um Hilfe. Dorothy schlägt ihm die Tür vor der Nase zu und zählt die Sekunden, bis Stanley wieder einmal keinen Stolz beweist – aber bevor ich zu familiär werde: Es wohnen vier Frauen in diesem Bungalow.

Die intelligente und vernünftige Dorothy (Bea Arthur). Blanche (Rue McClanahan), erotisch größenwahnsinnig. Sie bemitleidet uns, weil wir keinen so tollen Erfolg bei Männern haben wie sie. Ihr gehört übrigens das Haus. Rose (Betty White) wohnt hier, liebenswert und, sagen wir, nicht besonders schnell im Kopf. Und Sophia (Estelle Getty), Dorothys 84-jährige und zu sarkastischen Bemerkungen neigende Mutter.

Ich mag sie am liebsten. Gleichzeitig fürchte ich mich vor ihr. Man weiß nie, ob man nicht gleich auch einen dieser schnellen, bösen, wahren Sätze abkriegt. Es wird wohl das Beste sein, ich halte etwas Abstand und tue so, als wären die „Golden Girls“ für mich das, was sie für jeden neutralen Beobachter sind: ein Stück Fernsehgeschichte. Eine der beliebtesten Sitcoms aller Zeiten.

1985, ein Jahr vor Tschernobyl, lief die Pilot-Folge, die von Leuten der Branche als „perfekt“ gewertet wurde. 68 Emmy-Nominierungen kamen in sieben Staffeln zusammen. Teenager bettelten darum, anstatt bei den Eltern lieber mit vier Frauen jenseits der 50 leben zu dürfen, die sich helfen und gemeine Wahrheiten sagen. So in diesem Stil. Das wird unverfänglicher sein als das Austeilen persönlicher Erinnerungen an die eigene Einsamkeit. Abgesehen davon, dass Sentimentalitäten nicht gut ankommen in Miami, besonders bei Sophia nicht, die das Glück hat, von Estelle Getty gespielt zu werden. Selten hat die Welt jemanden gesehen, der ähnlich witzig und liebenswert gewesen ist wie sie.

Lachen sei für sie das herrlichste Geräusch, sagte Estelle Getty

Als Tochter polnisch-jüdischer Einwanderer ist Estelle Getty auf Manhattans Lower Eastside geboren. Ihre Eltern hatten eine kleine Glaserei. Samstags ging der Vater mit den Kindern ins Kino oder ins Theater, um etwas Schönes zu sehen, das die Gedanken von den täglichen Sorgen wegträgt. Lachen sei für sie das herrlichste Geräusch, sagte Getty. Sie spielte Theater, arbeitete als Sekretärin, zog zwei Kinder groß. Abends, nachdem sie ihrem Mann, der müde von der Arbeit nach Hause kam, das Essen zubereitet hatte, verließ sie das Haus, um zu Proben und den Vorsprechen zu eilen. Seine Eltern, erklärte Sohn Carl, hätten irgendwann begonnen, ihren Alltag in unterschiedlichen „Schichten“ zu organisieren. In der Rolle der Sophia erkannte Carl übrigens seine Mutter und seinen Vater wieder – „Aber bitte sagen Sie es nicht meiner Mutter.“

„Picture it: Sicily, 1922.“ „Stell dir vor, Sizilien ...“ Das ist Sophias Auftaktgeste. Ihr Rezept gegen Schmerzen aller Art. Wer einen Augenblick von sich wegschaut, der ist gerettet. Sophia Petrillo war Gettys erste große Fernsehrolle. Man engagierte sie von der Bühne des Actor’s Playhouse herunter, wo sie in der sagenhaften „Torch Song Trilogy“ von Harvey Fierstein die jüdische Mutter des schwulen Travestieclub-Sängers Arnold Beckoff spielte. Sie hatte einen Namen in der New Yorker Künstlerszene. Einem breiteren Publikum war sie vor den „Golden Girls“ vollkommen unbekannt. Im Gegensatz zu Bea Arthur, die, beeindruckend stattlich, begabt mit einer enormen Bass-Stimme und dem untrüglichen Sinn fürs Timing, bereits in den 70ern im TV erschienen war. Susann Harris, die Erfinderin der „Golden Girls“, hatte für die Rolle der Dorothy jedenfalls einen „Bea-Arthur-Typ“ im Sinn. Jemanden, der seinen Blick derart schwer auf sein Gegenüber hinabsenken kann, dass dieser glaubt, nie wieder darunter hervorkrabbeln zu können.

Es hätte nicht genauer passen können. Ebenso wie zwischen Rue McClanahan und ihrer Blanche. In einem Interview für das „Archive of American Television“ hat die exzentrische Rue McClanahan erklärt, dass die Figur leicht unangenehm eindeutig hätte wirken können. Nichts als Sex und Männer im Kopf. In Wahrheit liefert Blanche ihr Ego nicht den Männern, sondern einem fantastisch-lustvollen Selbstbild aus. Darin liegt Souveränität. Und der Grund, warum der erotische Clown aus Georgia so viel Wärme und Sinn für Freundschaft ausstrahlt.

Nur Freunde können sich so streiten. „Ich habe ihn zuerst gesehen“, besteht Dorothy Blanche gegenüber Dr. Clayton. Der fügt sich dem Urteil. In der vierten Staffel kämpfen Blanche und Sophia um einen kubanischen Gentleman. Der wiederum stirbt. Rose hält sich heraus. Rose, die Naive, die solchen Appetit aufs Gewinnen hat. In Beziehungen ist sie im Grunde erfolgreicher als Blanche. Nur hält sie Männer für nichts, um das man wie um einen Baseball-Home-Run fighten müsste.

Von einem geschützten Raum hat Betty White gesprochen. Fehler sind dort erlaubt. Ja, erwünscht. Je mehr Fehler, desto besser. Keiner wird schlimme Folgen haben. Das gilt für jede Sitcom. Das Besondere der „Golden Girls“ ist, dass die Fehler genau denen Vergnügen bereiten, die sich unter dem Gesetz des Patriarchats besonders davor hüten müssen: den Frauen jenseits der Wechseljahre, die ihren Lebenshunger, ihre Spielfreude zügeln sollen. Aber glücklicherweise: Der männliche Machtmensch hat in diesem Bungalow in Miami nicht viel zu sagen. Hier, wo Sophia Petrillo nachts um halb drei mit stabilem Basthandtäschchen und scharfer Zunge bewaffnet die Küche betritt. „Picture it.“

„Ich gestehe, ich sehe“: Autoren bekennen sich zu ihrer Lieblingsserie. In der nächsten Folge schreibt Caroline Fetscher über „The Big Bang Theory“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false