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Medien: „Ich schlafe wie Churchill“

Nach dem Krieg ist der Frieden kaum auszuhalten. Sagt Reporterin Antonia Rados. Als Therapie schrieb sie ein Buch

Frau Rados, kaum vom Kriegseinsatz zu Hause, sind Sie wieder nach Bagdad gefahren, um eine Reportage zu drehen. Was zog Sie dorthin zurück?

Ich wollte die Menschen besuchen, mit denen ich im Krieg viel zu tun hatte, ich dachte, sie würden jetzt offen mit mir reden. Aber wirklich offen reden sie noch immer nicht. Solange Saddam Hussein noch nicht gefasst ist, besteht das Regime in den Köpfen weiter. Das ist wie Stalinismus ohne Stalin.

Wohnten Sie wieder im Hotel Palestine, wo Sie im Krieg arbeiteten und lebten?

Nein, mein Nachfolger von RTL ist in ein kleines Hotel umgezogen, das einen Strom Generator hat. Dort wohnte ich auch. Im Palestine fällt immer noch oft der Strom aus. Aber ich bin natürlich für meine Reportage ins Palestine zurückgegangen. Ich war sehr neugierig, ich wollte unbedingt sehen, was mit den Leuten ist. Das war für mich persönlich wichtig.

Zurzeit sterben in Bagdad mehr amerikanische Soldaten als während des Krieges. Empfinden Sie die Stadt als bedrohlich?

Ich fühlte mich sicherer als im Krieg, klar. Ein Luftkrieg ist viel gefährlicher für Journalisten als eine fast bürgerkriegsartige Situation wie jetzt. Das Problem ist: Iraker und Amerikaner könnten unterschiedlicher nicht sein. In der irakischen Gesellschaft hat der Staat eine große Rolle gespielt, in den USA zählt die Eigenverantwortung. Nehmen Sie diese Szene: Ein Palästinenser ärgert sich über die Amerikaner, dass sie den Müll nicht wegbringen. Die US-Soldaten sagen: „Just do it! Do it yourself!“ Die Iraker denken aber: Es könnte verboten sein, ungesund, überhaupt unmöglich.

Der Irakkrieg hat Sie berühmt gemacht.

Ja. Berühmt für five Minutes – wie Andy Warhol gesagt hat. Verstehen Sie mich richtig: Ich find’ das Interesse an meiner Person schon toll. Aber glauben Sie mir: Es gibt ein Leben außerhalb der Kriegsberichterstattung, und an dem Leben hänge ich. Ich bin 50 Jahre alt, seit 20 Jahren Journalistin. Da gab es schöne und weniger schöne Momente.

War Kriegsreporterin Ihr Wunschberuf?

Ich wollte Reporterin werden. Nach dem Studium bin ich beim Fernsehen gelandet, als freie Mitarbeiterin, und hatte relativ große Schwierigkeiten. Ich muss dazu sagen: Ich habe im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ohne Parteibuch gearbeitet…

… beim ORF in Österreich…

…meine erste große Geschichte war das Erdbeben in Friaul, 1979, sie hatten damals niemanden dort, und sie waren sehr zufrieden. Dann schickten sie mich nach Beirut. Wenn man es analysiert, glaube ich, dass eine Frau meiner Generation, die politische Reporterin werden wollte, nur zwei Möglichkeiten hatte: Entweder sie kämpfte sich im Machtapparat durch. Oder sie musste sich in extreme Situationen begeben, auffallende Reportagen machen.

Sie waren außerdem in Somalia, Algerien, Afghanistan – üben Kriege eine Faszination auf Sie aus?

Überhaupt nicht. Ich sehe Kriegsberichterstattung als politische Berichterstattung und als nichts anderes. Ich bin ein sehr politischer Mensch.

Aber Sie setzen doch jedes Mal Ihr Leben aufs Spiel – Ihr politisches Interesse könnten Sie auch anders ausleben.

Sehen Sie, ich habe zehn Jahre über den Irak berichtet, da ist es normal, im Kriegsfall zu bleiben. Wenn Kollegen abreisen – ihre Sache. Ich finde: Reporter müssen so nahe wie möglich am Geschehen dran sein. Da musste ich ein Minimum an Risiko eingehen.

Ihnen drohte Giftgas oder eine Geiselnahme.

Ich habe vom ersten bis zum letzten Tag gesagt: Es wird keine Geiselnahme geben. Mein Dauerfreund und ich haben am Telefon gestritten, weil er sagte: „Pass auf.“ Ich antwortete immer: „Ich kann mir das nicht vorstellen.“ Wozu? Why?

Weil gefangene internationale Journalisten ein Druckmittel wären.

Nein. Eine Geiselnahme muss aufwändig organisiert werden.

Sie sind ja wirklich so cool, wie Sie im Fernsehen rüberkommen.

Natürlich hat man Angst. Natürlich hangelt man sich von einem Tag zum nächsten weiter. Aber wenn man in den Krieg fährt und erwachsen ist, weiß man, was man tut. Dass wir alles verfluchen – klar. Dass einer weint – auch klar. Aber es nicht unsere Aufgabe, unsere Emotionen vor der Kamera auszuleben. Ich finde, dass man sich einen journalistischen Panzer anziehen muss. Nur so kann ich versuchen, objektiv zu berichten.

Wann immer man RTL und n-tv während des Krieges einschaltete, waren Sie auf Sendung. Wann schliefen Sie?

Ich schlafe wie Churchill – zwischendurch. Ich falle für zehn Minuten in den Tiefschlaf und bin dann wieder fit. Mehr oder weniger.

Sie waren 81 Tage am Stück im Land.

Ich war wirklich erschöpft. Gleich nach Kriegsende hat RTL schnell reagiert und gesagt: „Raus Antonia, Du bekommst sofort eine Ablösung.“ Da war ich erleichtert wie nur was.

Wann fiel die Anspannung von Ihnen ab: Als Sie im Taxi nach Amman saßen?

Da war ich noch sehr aufgeregt. Die Strecke war nicht sehr gefährlich. Doch ich dachte: Hoffentlich passiert nichts. Nur jetzt nicht.

War die Rückkehr ins normale Leben schwer?

Es war ziemlich hart. Weil man so viel erlebt hat: an Leid und an Glück, das muss man auch sagen. Es kommt einem alles andere langweilig vor. Und deshalb ist die Art, wie manche in Deutschland damit umgehen, ein bisschen schockierend. Wenn man hört, da hat jemand über deine Blusen geredet …

… Harald Schmidt hat Sie zu seiner Lieblingskorrespondentin erklärt – unter anderem wegen Ihrer immer perfekt gebügelten Blusen …

… genau, dann hat man den Eindruck, man kommt von einem anderem Planeten.

Ist das Buch, das Sie geschrieben haben, eine Art Therapie?

Es gibt schon ein großes Bedürfnis, Sachen mitzuteilen. Und dann sagt man: Es wäre gut, wenn ich ein Buch mache.

Es heißt, Sie haben schon ein neues Visum für den Iran.

Ich habe es beantragt.

Sie rechnen damit, dass sich die nächste Krise im Iran anbahnt?

Ich werde bezahlt, dass ich Reportagen mache. Der Krieg im Irak ist drei Monate her, ich bin ziemlich lange herumgesessen. Also überlegte ich mir, was könnte ich sonst machen?

Aber Sie sind doch die Frankreichkorrespondentin von RTL, oder?

Mein langjähriger Lebensgefährte ist Franzose. Als RTL mal ankündigte, wir werden überall Büros aufmachen, hab’ ich gesagt: „Ich nehme Paris.“ Aber ich habe dazu gesagt: „Ich möchte darauf aufmerksam machen, ich mache alles andere auch.“

Deshalb sieht man Sie öfter aus einer Krisenregion als aus Paris.

Das stimmt nicht. Ich habe wochenlang von einer Ölpest im Atlantik berichtet, wie ein Tier gearbeitet, keiner redete davon. Ich berichte sogar über diefranzösische Mode.

Und dann fehlt Ihnen manchmal der Krieg?

Überhaupt nicht. Wie können Sie glauben, dass mir in Paris, in der schönsten Stadt der Welt, wo ich ein Leben hab’, Bücher, Freunde; dass mir dort ein Loch wie das Palestine fehlt? Im Gegenteil: Wenn man im Krieg ist, fehlen einem unheimlich viele Sachen. Das nimmt man alles in Kauf. Paris ist mein richtiges Leben und nicht Bagdad.

Das Gespräch führten Joachim Huber und Barbara Nolte.

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