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Medien: „Ich weine jedes Mal, wenn ich den Film sehe“

Heike Makatsch über „Das Wunder von Lengede“ und die Schwierigkeit, Schmerz zu spielen

Frau Makatsch, zu den ergreifendsten Szenen des Filmes gehören die Telefonate zwischen dem Ehepaar, sie oben, er unten, schwer verletzt in der Grube. Sie merkt, wie er immer schwächer wird. Sie weint. Sie spielen diese Ehefrau. Wie bereitet man sich auf eine solche Szene vor?

Ich zapfe mich da selbst an, durchforste mein eigenes Leben nach Verlusten, nach Sehnsüchten, die unerfüllt blieben. Ich versuche ganz in mich zu gehen. Und ich habe Musik gehört, James Taylor, Fire and Rain heißt der Song, ein großartiges, trauriges Lied. Ich verstehe den Text gar nicht hundertprozent, egal, mir erzählt der von Verlust und Tod, vom Ende von Liebe und Freundschaft.

Reden Sie in dieser Phase auch mit Kollegen oder anderen Leuten?

Nee, gar nicht. Da muss ich ganz alleine sein. Wenn man jemandem davon erzählt, relativiert sich das ja schon wieder. Aber in diesem Moment geht es auch um das Suhlen in der verletzten Eitelkeit, es geht darum, den Schmerz festzuhalten.

An welche schmerzvollen Ereignisse denken Sie da konkret?

Das werde ich jetzt hier nicht im Einzelnen erzählen. Sicher, einiges hat mit Liebeskummer zu tun. Oder ich denke an meine Eltern, wie sie sich damals getrennt haben. Oder an meine Oma, die mit 86 gestorben ist und kurz vor ihrem Tod das Gefühl hatte, nie wirklich gelebt zu haben. Wie auch immer, es ist eine richtige Psychoreise für mich.

In dem Moment, als der Dreh dieser Szene beginnt…

…nimmst du überhaupt nichts mehr wahr. Alles ist weg, die Kameras, die Menschen drumherum, du bist nur noch in dir, in der Situation, die du in dir heraufbeschworen hast. Das ist wirklich eine enorme Konzentrationsaufgabe. Wenn es dann heißt: Okay, Cut, wir haben die Szene, dann fällt alles in der Sekunde ab von dir. Wehe, wenn es dann kurz darauf heißt, ach nee, da war doch irgendwo ein technischer Fehler, wir müssen es noch mal machen. Aber diesmal war das Gott sei Dank nicht so.

Wenn Sie sich jetzt „Lengede“ anschauen…

Ich haben den Film inzwischen öfters gesehen und muss leider zugeben: Ich weine jedes Mal. Die Geschichte ist schon sehr, sehr traurig.

An ihrem letzten Abend, vor dem Unglück, streiten Sie mit Ihrem Mann, der von Jan-Josef Liefers gespielt wird. Es geht darum, dass Sie sich mehr von Ihrem Leben erwarten, dass Sie darauf drängen, in Kanada ein neues Leben anzufangen. Kennen Sie dieses Prinzip auch in Ihrem eigenen Leben: Man will immer ein anderes Leben als das, was man gerade hat?

Ja, diese Gefahr kenne ich. Man merkt gar nicht, dass man längst angekommen ist, und verpasst am Ende das ganze Leben. Ich glaube, es ist ein Zeichen von Erwachsenwerden, wenn man aufhört dauernd Luftschlösser zu bauen. Zum Beispiel in der Liebe…

Sie sind seit ein paar Jahren mit dem englischen Schauspieler Daniel Craig liiert…

…da glaube ich fest daran, dass man an einer Beziehung arbeiten muss. Wenn man dies nicht immer wieder und mit großer Kraft tut, wird man immer scheitern.

Andererseits gibt es den schönen Satz von Gottfried Benn: „Leben heißt Brücken schlagen über Ströme, die vergehen.“

Wirklich ein schöner Satz. Das ist ein großes Dilemma: Soll man bleiben oder etwas Neues anfangen? Momentan ist meine Entscheidung ganz klar: Ich will an dem arbeiten, was ich habe.

Was meinen Sie: Waren Sie früher romantischer?

Früher war vielleicht der Taumel von romantischen Gefühlen größer, da war alles groß und leidenschaftlich und intensiv und irgendwie überwältigend. Heute besteht das Romantische für mich darin, mich zu entscheiden und meine Gefühle für einen Einzigen zu kanalisieren.

Gibt es Träume, von denen Sie sich verabschiedet haben?

Nee, eigentlich nicht. Kinder, mal ein Jahr auf dem Land leben – all das habe ich immer noch im Kopf. Mal sehen.

Wenn die heutige Heike Makatsch die 17-jährige Heike von damals treffen würde – wie würden sich die beiden verstehen?

Ich würde die 17-jährige Heike wahrscheinlich ein wenig belächeln, weil sie ganz schön frivol in ihrer Selbstgerechtigkeit ist. Und in ihrer Vehemenz, mit der sie ihr Nichtwissen als ausgereiftes Lebenskonzept verkauft.

Wenn Sie ein Porträt über die 17-jährige Heike Makatsch schreiben würden, was müsste da drinstehen?

Da müsste auf jeden Fall drinstehen, dass sie echt sehr gut tanzen kann und immer in die Disco geht. Abends um 23 Uhr geht es los, vor acht Uhr morgens geht sie nicht runter von der Tanzfläche. Und zwischendrin trinkt sie ab und zu einen Kirschsaft.

Sie schmunzeln.

Ja, ich denke sehr gerne an diese Zeit zurück. Ich habe mein Leben sehr geliebt. Ich hatte damals immer nur Jungs als Freunde, bin immer in irgendwelchen Gangs herumgehangen. Mit Mädels konnte ich wenig anfangen. Das hat sich übrigens inzwischen völlig geändert. Ich habe fast nur Freundinnen. Ich schätze überhaupt Frauen viel mehr als damals.

Warum?

Ich habe irgendwann erkannt, dass Freundschaften mit Frauen intensiver sind. Bei Jungs kommt doch irgendwann der Punkt, dass sich eine andere Art von Intimität aufbaut. Und ich denke, man sollte sich nichts vormachen, von wegen: Ach, wir sind nur gute Freunde. Früher hat es mir gar nichts ausgemacht, mit den Gefühlen von den Jungs zu spielen. Heute habe ich keine Lust mehr dazu.

Schließen Sie leicht neue Bekanntschaften?

Eigentlich nicht. Es dauert beispielsweise ziemlich lange, bis ich mich mit jemanden alleine treffe. Ich finde es nämlich ziemlich anstrengend, sich mit jemandem lange zu unterhalten, den ich nur oberflächlich kenne. Da esse ich lieber mit einer Freundin.

Frau Makatsch, wenn Sie ins Kino gehen: Auf welche Dinge achten Sie besonders?

Also, wenn der Film spannend ist, dann habe ich überhaupt keinen professionellen Blick, dann zieht mich die Geschichte mit. Nur wenn es langweilig ist, fange ich an genauer hinzuschauen: Ist das eine Location oder im Studio? Wie lange saß die Schauspielerin für diese Frisur wohl morgens in der Maske? Und ich achte sehr auf Anschlussfehler.

Schriftsteller erzählen gelegentlich, dass sie während des Schreibens keine wirkliche Literatur lesen können, weil sie das von ihrem eigenen Stil entfernt. Kennen Sie das in Ihrer Branche auch? Machen Sie um manche Schauspieler einen Bogen?

Nein, gar nicht, ich schaue mir gerne sehr gute Leute an.

Gibt es etwas, auf was Sie als Zuschauerin allergisch sind?

Na ja, was ich nicht leiden kann sind schlechte Filmküsse. Da wird eine schöne Liebesgeschichte erzählt… und wenn dann der Typ die Frau nicht richtig küsst – schrecklich.

Das Gespräch führten Christoph Amend und Stephan Lebert.

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