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Medien: „Ich werde drehen, was sich mir bietet“

Regisseur Sönke Wortmann über die deutschen WM-Kicker in der Umkleidekabine, seine Fußball-Trilogie und Sentimentalität

Herr Wortmann, eine Szene in Ihrer Serie lässt uns gar nicht mehr los. Ein indirekter Elfmeter, der zum entscheidenden Tor für die „Elf Freunde“ führt. Gibt es das wirklich, einen indirekten Elfmeter?

Den gibt es wirklich. Wir haben das recherchiert, und man kann das so spielen. Es wird nur selten gemacht. Weil die Peinlichkeit groß ist, wenn es danebengehen sollte.

Diese Spielszenen waren wahrscheinlich mit das Schwierigste bei der Produktion.

Ich fand sie eigentlich vergleichsweise einfach, wenn man einigermaßen weiß, wie es geht. Ich habe ja üben können beim „Wunder von Bern“. Da war es viel schwieriger. Jetzt mussten meine Jungs nicht unbedingt gut spielen können.

Ihre Serie heißt „Freunde für immer – Das Leben ist rund“. Das klingt, ehrlich gesagt, ziemlich sentimental.

Und das ist nicht einmal unbeabsichtigt. Ich bin ein durchaus sentimentaler Mensch, und bei Kinofilmen oder auch bei Fernsehsachen mag ich eine gewisse Sentimentalität ganz gerne.

Muss man das so verstehen, dass nur der Fußball das Leben überhaupt erträglich macht?

So weit würde ich nicht gehen. Es gibt Dinge, die wichtiger sind, und das will die Serie ja im Grunde erzählen. Natürlich ist der Fußball wichtig für die Jungs, um sich zu treffen. Aber noch wichtiger ist, was vor und was nach dem Spiel passiert.

Fernsehfiktion und der wirkliche Fußball, das waren bisher immer zwei paar Schuhe. Sehen wir das falsch?

Sie sehen es eigentlich ganz richtig, auch wenn ich das so oder ähnlich vor dem „Wunder von Bern“ auch immer gehört habe. Da hieß es, Fußball und Kino, das kann nicht zusammengehen. Es ist sicher nicht einfach. Weil Fußball in erster Linie vom Live-Charakter lebt. Beim „Wunder von Bern“ konnte ich Gott sei Dank die Skeptiker eines Besseren belehren. Dass es eben doch geht, wenn man eine interessante Zusatzgeschichte erzählt. Fußball allein reicht nicht, das ist klar.

Sie sind Autor, Regisseur und Produzent. Wollten Sie das Spiel in der Hand halten?

Als Autor wurde es mir relativ leicht gemacht, da das Format auf der holländischen Serie „All Stars“ basiert, die in den 90er Jahren lief. Regie ist mein Beruf. Ich werde allerdings zurzeit immer mehr zum Produzenten, weil mir das einfach sehr viel Spaß macht.

Verhindert Fußball, dass Männer endgültig erwachsen werden?

Sagen wir mal so: Es trägt sicher dazu bei. Männer werden ja sehr ungern erwachsen.

Was machen eigentlich all die Frauen, wenn ihre Männer vor dem Fernseher hocken und sich Ihre Serie ansehen?

In Holland war die Serie gerade bei den Frauen ein überragender Erfolg. Die deutschen Frauen werden hoffentlich auch mitgucken. Es gibt ja auch einige frauenaffine Szenen. Zum Beispiel, wenn die Männer nach dem Spiel zusammen duschen.

Die Musik spielt eine große Rolle in der Serie. Chartmusik aus vier Jahrzehnten. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass ich zuletzt Bert Kaempfert oder Sammy Davis junior gehört habe.

Bert Kaempfert haben Sie erkannt?

Toll, nicht? Sind Sie auch ein Bert-Kaempfert-Fan?

Das nicht gerade. Ich wollte zuerst Musik verwenden, mit der die Serien-Jungs, die jetzt alle Mitte 30 sind, aufwuchsen. 80er-Jahre-Musik. Da bin ich aber nicht sehr weit gekommen. Ich fand, dass das in punkto Musik keine sehr spannenden Jahre waren. Deshalb bin ich noch ein Jahrzehnt zurückgegangen in die Zeit, in der ich groß geworden bin, und habe viele meiner Lieblingsstücke von damals verwendet.

Nach dem „Wunder von Bern“ jetzt die Serie „Freunde für immer“, außerdem arbeiten Sie an einer Dokumentation über die deutsche Nationalmannschaft. Sie sind der Hofberichterstatter des runden Leders?

Hofberichterstatter klingt nach Auftragsarbeiter. Bei der Dokumentation könnte man es so sehen, wenn man es denn unbedingt so sehen will. Ich sehe das natürlich anders.

Wo setzt die Dokumentation ein?

Startpunkt ist in Berlin am 14. Mai, wenn der Bundestrainer den endgültigen Kader bekannt gibt. Da werde ich dabei sein und dann mit ins Trainingslager nach Sardinien fahren. Ich werde drehen, was sich mir bietet.

Und Sie kommen wirklich ganz nah ran?

Ich bin vor jedem Spiel mit in der Kabine, in der Halbzeit auch und nach dem Spiel.

Sie sind also akzeptiert als unser Mann in kurzen Hosen?

In dem Fall der langen Hosen. Ich gehöre ja quasi zum Betreuerstab. Alle tragen Trainingsanzüge. Ich auch.

Sind Sie auch einer von den Intellektuellen, die St. Pauli lieben, die Bayern hassen und hoffen, dass Brasilien immer wieder Weltmeister wird?

Wollen die Intellektuellen das? Dann bin ich keiner. Ich freue mich zwar auch, wenn die Kleinen die Großen schlagen. Aber das hat nichts mit dem FC Bayern zu tun. Ich hasse die auch nicht. Ich finde, dass der Verein äußerst professionell geführt wird. Das muss man anerkennen.

Das Duell der Titanen: Kahn gegen Lehmann – ist das nicht ein Stoff wie gemacht für Sie?

Ich finde das absolut überdramatisiert. Beide sind erstklassig. Wir können froh sein, dass wir die beiden haben.

Was war Ihnen bei der Auswahl der Schauspieler wichtiger, deren schauspielerisches Vermögen oder deren Fußballkünste?

Das schauspielerische Vermögen. Wenn sie zu gut spielten, würde doch keiner glauben, dass sie am Ende der Tabelle stehen. Einige haben sogar vorher noch nie Fußball gespielt.

Die Serie läuft bei Sat 1 um 22 Uhr 25. Wir hätten fast auf einen früheren Sendeplatz gewettet.

Ich ehrlich gesagt auch.

Was hat Sat 1 zur Begründung gesagt?

Dass das eine sehr gute Sendezeit ist. Und ich glaube das denen auch.

Gegen Livefußball ist eine Serie über Fußball aber ziemlich chancenlos.

Wenn die Serie parallel dazu laufen würde, ja.

Wollen Sie eigentlich noch lange in Fußball machen?

Nein, die Serie ist mein vorerst vorletzter Beitrag zum Thema. Nach der Dokumentation ist erst mal Schluss. Dann ruht das Leder.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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