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ILLUSTRIERTEN-IMAGE: ",Bunte‘ ist nicht seriös"

„Bunte“ ist Entertainment. Sagt Beate Wedekind, frühere Chefredakteurin des „People“-Magazins

Frau Wedekind, wenn Sie gerade zu wählen hätten. Was wären Sie lieber: Chefredakteurin des „Stern“ oder Chefredakteurin der „Bunten“?



Weder noch. Ich habe was anderes vor: eine Zeitschrift, die nur einmal im Jahr erscheint … und sich nicht mit Boulevardthemen beschäftigt.

Hat „Bunte“-Chefin Patricia Riekel recht, wenn sie in den Privataffären von Müntefering oder Seehofer Staatsaffären erblickt, die es eisenhart zu recherchieren gilt?

Private Fehltritte von Politikern in der Midlife-Krise als Staatsaffäre zu bezeichnen, das wäre zu viel der Ehre für die Herren. Und bei der Recherche ging es ja nicht um Fakten, Fakten, Fakten, sondern in erster Linie darum, den Wettlauf der konkurrierenden Boulevardmedien um das erste In-flagranti-Foto zu gewinnen.

Medienanwalt Christian Schertz sagte dem Tagesspiegel, er sehe eine „neue Qualität von Verrohung“, was die Methoden der Recherche angeht. Ist die Grenze zwischen journalistischer Investigation und schmuddeliger Schnüffelei endgültig aufgehoben?

Wenn stimmt, was der „Stern“ schreibt, dann sind das in der Tat übelste Schnüffelmethoden. Schmierig! Das ist Stalking und kein Investigieren im journalistischen Sinne. Ich will mal positiv bleiben: Ich hoffe, das sind Einzelfälle und keine generelle Tendenz. Vielleicht dient das Bekanntwerden dieser aktuellen Fälle auch dazu, dass solchen Machenschaften ein Riegel vorgeschoben wird. Am besten durch Selbstkontrolle in den Redaktionen.

Die Geliebte von Seehofer, die neue Beziehung von Müntefering, das angebliche Verhältnis von Sarah Wagenknecht und Lafontaine: Wie schwer wiegt, wie wichtig für die Auflage sind Erkenntnisse darüber für ein „People-Magazin“?

Illustrierte wie „Bunte“ leben von Beziehungsdramen wie diesen, es kann gar nicht genug davon geben. Der Transfer von Leid, Unglück und Konflikten aus dem Leben von Prominenten in den Alltag der Leserinnen und Leser verkauft sich nun mal besonders gut. Ein bisschen Voyeurismus in die Welt des Luxus und der Moden, ein bisschen Hilfe bei Hexenschuss, ein bisschen Party und viele bunte Bilder, die die Geschichten erlebbar machen. „Bunte“ ist nicht seriös, „Bunte“ ist Entertainment. Und Patricia Riekel hat ein gutes Näschen für Themen, die die „Bunte“-Welt ausmachen. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr.

Warum hat die „Bunte“ diese Recherche ausgelagert? Aus Kostengründen kann es nicht sein. Die Agentur CMK wurde ja mit sehr ordentlichen Summen dafür bezahlt, dass sie die Spitzenpolitiker ausspäht. Wollte die „Bunte“ nicht die Recherche, sondern einfach das Risiko auslagern?

Als ich die Summe gelesen habe – mehr als eine Viertelmillion Euro! – die „Bunte“ als Honorar für diese Drecksarbeit berappt hat, konnte ich nur den Kopf schütteln. Da muss ein beachtlicher Zeiteinsatz eine Rolle gespielt haben, auf der Mauer, auf der Lauer. Oder es waren noch mehr Fälle, als bis jetzt bekannt geworden sind. Lassen Sie es mich mal so sagen: „Bunte“ hat diese Art von Reporter oder Fotoreporter nicht in ihrer Redaktion, deshalb blieb nichts anderes übrig, als die Recherche auszulagern. Das Risiko – und die Verantwortung und der Schaden – bleiben trotzdem bei „Bunte“, v.i.S.d.P ist die Chefredakteurin. Ich kann mir übrigens gut vorstellen, dass da verlags- und redaktionsintern gerade heftig diskutiert wird.

Welchen Schaden nimmt das Wochenblatt aus München wirklich?

Das Image ist angekratzt – in der Branche. Da unsere Branche aber sehr schnelllebig ist, wird sicher bald der nächste Hund durchs Dorf gejagt.

Muss Patricia Riekel um Vergebung bitten, wenn nicht zurücktreten?

Sie wird intern erst einmal ordentlich aufzuräumen haben. Ich vermute, sie war bis vor kurzem nicht über die Details der Recherchemethoden dieser Agentur informiert. Und dann wird sie sicher einen Weg finden, wie sie den Schaden wiedergutmachen kann. Rücktritt? Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Es sei denn, sie ist müde. Immerhin macht Patricia Riekel seit 13 Jahren als Chefredakteurin Woche für Woche einen Knochenjob.

Die „Bunte“ ist jetzt die Böse. Werden da aber nicht furchtbar viele Krokodilstränen geweint? Ist das, was der „Bunten“ gerade vorgeworfen wird, nicht ein Teil des Journalismus in der Grauzone, wie ihn auch die Magazine in Hamburg betreiben?

Diese Frage kann ich nicht beantworten. Ich habe nie bei den Hamburger Magazinen gearbeitet.

Die „Bild“-Zeitung schweigt zu alledem. Warum schweigt „Bild“?

Tja, die Frage habe ich mir auch gestellt. Ich warte. Da kommt sicher noch was.

Was erleben wir – die Selbstreinigung einer Branche oder die Selbstzerfleischung? Der „Stern“ wird ja nachlegen.

Wollen wir mal nicht übertreiben. Auf jeden Fall ist da aber eine spannende Diskussion los getreten worden. Und die ist auf jeden Fall von öffentlichem Interesse.

Das Interview führte Joachim Huber.

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