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„Wir haben nur gespielt“, sagte Armin Rohde am Freitagabend, nachdem er den Bayerischen Fernsehpreis als Bester Darsteller für seine Rolle im BR/ARD-Film „Alleingang“ erhalten hatte. Foto: Britta Pedersen/dpa

© dpa

Im Interview: „Mir kommt das ganze Leben wahnsinnig fragil vor“

Armin Rohde hat gerade den Bayerischen Fernsehpreis als Bester Darsteller gewonnen. Dabei weiß er manchmal nicht genau, wer er gerade ist. Ein Gespräch über Schauspieler, Schamanen und Spießer.

Wie geht es uns denn heute, Herr Baron?

Wie es uns geht, weiß ich nicht, mir geht's gut.

Sind wir heute inkognito, oder warum reagieren Sie überhaupt nicht auf den schönen Titel?

Ich bin eigentlich immer inkognito. Wenn ich nicht im Auftrag einer Rolle unterwegs bin, muss ich jeden Tag neu herausfinden, wer ich eigentlich bin. Eine Arbeit, die nie aufhört.

Sie wissen nicht, wer Sie sind?

In den letzten dreißig Jahren habe ich mehr Rollen gespielt, als dass ich privat gewesen wäre. Als wäre ich in einem Kloster gewesen. Einen Kung-Fu-Mönch fragt man ja auch nicht, wann er Feierabend hat. Oder den Papst.

Haben Sie schon mal den Papst gespielt?

Nein, aber das kann ja noch werden. Ich war mal Messdiener, der Grundstein ist also gelegt. Messdiener zu sein hat etwas ungeheuer Theatralisches. In meinem ersten Schuljahr war ich verliebt in Annerose Schneider und Gabi Sperlich, gleichzeitig. Ich bin Messdiener geworden, weil ich dachte, ich könnte sie damit beeindrucken.

Und?

Hat nicht wirklich funktioniert.

Wenn Sie schon nicht wissen, wer Sie sind: Gibt es dann überhaupt den Armin Rohde?

Sagen wir so: Ich habe nicht so viel Übung im Ich-selber-Sein wie im Jemand-anders-Sein. Aber eines steht fest: Ich spiele wahnsinnig gerne Bullen und Gangster.

Und Hunde und Hexenmeister.

Das auch. Aber das Schöne und Besondere am Gangsterspielen ist, dass man nicht an gängige Konventionen gebunden ist. Jemanden, der tut, was er will, weil er es für richtig hält, der sich nicht einschränken lässt durch Gesetze, der seinen Charakter voll auslebt, so jemanden zu spielen macht unglaublich Spaß.

Das Leben als Ausnahmesituation, ist es das?

Mein Lieblingssujet ist die Tragikomödie. Weil das Leben eine Tragikomödie ist. Das Lächerliche und das Tragische liegen so dicht beieinander. Mir kommt sowieso das ganze Leben wahnsinnig fragil vor. Manchmal wundere ich mich, dass es Häuser, Straßen oder Brücken gibt, dass die einfach so stehen bleiben, dass nicht viel mehr Katastrophen passieren, dass die Leute sich nicht permanent auf die Nase hauen. Das ganze Leben basiert auf einer zarten, zerbrechlichen, sehr brüchigen Verabredung zwischen den Menschen. Das versuche ich in meinen Rollen zu zeigen. Und dass der Absturz hinter jeder Ecke lauern kann.

Fasziniert Sie das oder macht es Ihnen Angst?

Beides. Wichtig ist, zu wissen, dass wir nicht wichtig sind. Wir alle werden schon morgen in Fischpapier eingewickelt.

Und der Schauspieler führt uns diese Wahrheit unerbittlich vor Augen?

Schauspieler sind Schamanen. Das ist ihre Aufgabe in dieser Gesellschaft. Ich mache diesen Beruf aus purem Egoismus, weil er mir einfach Freude macht. Irgendwann hatte ich dann eine Phase, in der ich dachte, dass alles, was ich mache, unglaublich nutzlos sei. Bis ich darauf gekommen bin, dass der Schauspieler wie der Schamane ist, der, mit einer Maske auf dem Gesicht, ums Feuer tanzt, um seinem Stamm die eigene Geschichte zu erzählen. Indem ich spiele, was wir fürchten, was wir gerne hätten, wer wir gerne wären, wer wir sein könnten, was wir uns wünschen, was wir lieben oder hassen, bin ich das Bindemittel im Teig der Gesellschaft. Der Schauspieler schafft Identität. Und stellt Fragen.

Was wären wir nur ohne unsere Schauspieler!

Ich stelle mir das Leben entsetzlich leer vor, wenn niemand mehr Geschichten erzählen würde, von Liebe und von Hass. Zuschauer bei großen Tragödien zu sein, reinigt die Seele. Einem Prozess zuzuschauen, bei dem man selber nicht leiden muss, das kann einem vieles über das Leben klar werden lassen.

Das war jetzt ein Plädoyer für den Horrorfilm, oder? Das Schreckliche in Sicherheit anzusehen und am Ende sagen zu können, das arme Schwein – aber mir geht es Gott sei Dank gut. Im Fernsehfilm „Alleingang“ waren Sie so ein richtig fieses Schwein, wenn auch kein armes.

Freunde von mir haben, während der Film lief, dauernd gelacht. Weil der Typ, den ich da spiele, auch als böser, fieser Clown gesehen werden kann. In dieser Rolle passte alles, da war ich komplett.

Der Kriminelle, der Outlaw, das lieben Sie, oder?

Wenn Kriminelles passiert, stoßen Menschen in Extremsituationen aufeinander. Die Existenz wird in besonderer Art und Weise herausgefordert. Man muss auf besondere Art und Weise Stellung beziehen und kommt in Situationen, die nichts mit dem Alltäglichen zu tun haben. Das macht sie so interessant. Für mich als Schauspieler, aber auch für das Publikum.

Finden Sie Ihr Filmleben spannender als ihr ganz normales Leben?

Ich mag mein ganz normales Leben. Ich war vorhin kurz bei McDonald’s, hab noch ein bisschen Geld am Automaten gezogen, später geht’s zu einer Lesung, so sieht mein Leben aus, wenn ich nicht spiele. Ganz normal eben.

Armin Rohde, ein ganz normaler Spießer. Wie wir alle.

Wenn ich nicht arbeite, dann sitze ich schon mal gerne auf dem Sofa, sehe fern, trinke Tee und rauche eine.

Alkohol?

Kaum. Da bin ich ganz Kind der Siebziger. Wir hatten es mehr mit anderen Sachen. Was den Alkohol angeht, halte ich mich strikt an Jack Kerouac, den Autor von „On the road“, der zehn Gebote für das Leben eines aufrechten Beatniks aufgestellt hat. Darunter: „Never get drunk in public“.

Trotzdem lieben die Deutschen Krimis. Warum nur?

Manche sind schaurig, die, die ich mache, sind gut, oder? „Nachtschicht“ zum Beispiel, im ZDF, das ist richtig guter Krimi. Die Liebe der Deutschen zum Krimi muss etwas mit dem Spaß zu tun haben, den man hat, wenn man dabei zusehen kann, wie anderen etwas komplett in die Hose geht. Mich wundert nur, dass es offenbar nicht mal besonders raffiniert zugehen muss.

Worin liegt dann die Faszination, wenn schon nicht in der Raffinesse?

Vielleicht ist es das Kind in uns, das danach verlangt auszubrechen, wild zu sein. Eine Art kindlicher Anarchismus. Es lebt in jedem von uns etwas, das ausbrechen möchte. Und das vielleicht auch immer ein bisschen mit der Katastrophe liebäugelt.

Herr Rohde, verraten Sie uns das Geheimnis eines guten Schauspielers?

Will ich das wirklich wissen? Nein, will ich nicht! Es gibt Türchen, die möchte ich nicht öffnen. Nicht bei anderen und nicht bei mir. Und ob die Antwort, die ich – vielleicht – finde, spannender wäre als die Frage, das steht in den Sternen.

Sie haben Heinrich George gespielt, ein Gigant des deutschen Films. Sind Sie dessen Geheimnis auf die Spur gekommen?

Ich glaube, er hatte eine große Unschuld des Herzen, eine große Naivität. Er war wie ein großer, naiver Beelzebub. Und er war ein großer Komödiant, der spielen wollte, ganz einfach nur spielen. Der Mann hatte etwas Barockes, etwas Wollüstiges. Ich verehre ihn ob seiner großen Kunst. Sein Geheimnis, wenn er denn eines hatte, soll er behalten. Ich jedenfalls will’s nicht wissen.

Wen würden Sie gerne einmal spielen?

Gott schütze mich vor meinen Wünschen! Ich bin in meiner Karriere ganz gut mit dem gefahren, was andere für mich ausgesucht haben. Wäre ich jemals selbst auf die Idee gekommen, einen schwulen Metzger spielen zu wollen oder einen multisexuellen Teufel? Nie im Leben!

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

„Der Heiratsschwindler und seine Frau“, Montag, 20 Uhr 15, ZDF

Armin Rohde heißt seit seiner Heirat Armin Kurt Rhode-Baron von Schilling. Auf die Anrede legt er keinen Wert, der 57-Jährige kommt aus Gladbeck in Nordrhein-Westfalen.

Rohde ist ausgebildeter Schauspieler und ausgebildeter Clown. Angefangen im Theater und engagiert im Schauspielhaus Bochum, gab er sein TV-Debüt mit dem „Tatort – Der Fall Schimanski“ (1991), im Kino war er erstmals 1992 in Helmut Dietls „Schtonk“ zu sehen.

In Sönke Wortmanns Komödie „Kleine Haie“ (1992) war Rohde „Bierchen“, seit 2003 spielt er den Kommissar Erich Bo Erichsen in der ZDF-Reihe „Nachtschicht“. In den „Sams“-Verfilmungen ist der bekennende Buddhist stets dabei.

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