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Die WG von Martha (Sylvaine Faligant) hat den Kameruner Jamie (Richard Fouofié Djimeli, Mitte) aufgenommen.

© ZDF und Stefanie Reinhard

Im Kartoffelland: TV-Doku über einen Kameruner in einer deutschen Wohngemeinschaft

"Wir lassen dich nicht im Stich", versichert die WG dem Geflüchteten Samuel. „Club Europa“ ist ein kleiner, aber sehenswerter Film über das große Thema Willkommenskultur.

Das Essen würzt Samuel schärfer, als es deutsche Zungen gewohnt sind. Und auch bei der „Kartoffelintegration“ scheitert der Kameruner, der die Knollen lieber mit einem einfachen Küchen- statt einem Schälmesser bearbeitet. Aber sonst läuft alles gut, der Asylbewerber ist von einer Berliner WG mit offenen Armen empfangen worden. Man versteht sich, freundet sich an. Insbesondere die 28 Jahre alte Deutsch-Französin Martha (Sylvaine Faligant in ihrer ersten Hauptrolle) kümmert sich um ihn und hilft ihm bei Behördenkontakten. Sie könne auch nichts dafür, dass sie in Europa geboren sei und „dass es uns hier sehr gut geht“, sagt sie zu Beginn in die Kamera. Dass nicht alle die gleichen Chancen haben, nennt sie eine „große Ungerechtigkeit“.

Eine WG will also ihren Beitrag in der Flüchtlingskrise leisten. Sie steht für eine Generation gebildeter junger Frauen und Männer, die in der Zeit der Globalisierung ihren Platz sucht. Kulturelle Aufgeschlossenheit ist selbstverständlich, Solidarität mit den Geflüchteten auch. Als zwei Polizisten vor der Tür stehen, um dem anonymen Hinweis nachzugehen, in der WG halte sich jemand illegal auf, reagiert Martha gereizt. Später versichert sie dem verunsicherten Samuel: „Wir lassen dich nicht im Stich. Das wird immer so sein.“ Und als Samuels Asylantrag schließlich abgelehnt wird, packt sie der Zorn: „So ein scheiß Land.“

Zur Wohngemeinschaft gehören außerdem Yasmin (Maryam Zaree), eine Lehrerin, und der US-Amerikaner Jamie (Artjom Gilz), der Spaßvogel der WG. Samuel (Richard Fouofié Djimeli) selbst ist ein sympathischer, sanfter Typ, der in seiner Heimat Ingenieurwissenschaften studiert hat, gerne kocht und allenfalls ab und zu die Musik etwas laut aufdreht. Verständigung ist kein Problem, man spricht Deutsch, Französisch und Englisch, was im Film längere untertitelte Passagen zur Folge hat.

Franziska M. Hoenischs Diplomfilm „Club Europa“ spielt fast ausschließlich in den WG-Räumen und handelt von jungen Leuten aus der Generation Globalisierung, international und mehrsprachig, kulturell aufgeschlossen, aber mit ungewisser Zukunft. Die Zahl der dramatischen Wendungen ist übersichtlich, dafür überzeugt dieser „kleine“ Film durch authentische Sprache und Darstellung sowie durch eine sinnlich-intime Atmosphäre.

Die eigene Hilfsbereitschaft wird kritisch reflektiert

Ein Film aus dem Land der Willkommenskultur also, aber einer, der die eigene Hilfsbereitschaft kritisch reflektiert. Gleichzeitig bahnt sich an, dass die Solidarität der WG an Grenzen stoßen könnte. Alle haben ihr eigenes Leben: Martha zum Beispiel ist noch unsicher, was die eigene Zukunft betrifft. Der Stress beim Berufseinstieg. Die frische Liebe zu Paul (Anton Rubtsov).

Als auch Samuels Klage gegen die Asyl-Ablehnung abgewiesen wird, kommt es zum Schwur. Das bittere Ende überrascht dann zwar nicht mehr, aber wie unaufgeregt und konzentriert Franziska M. Hoenisch die entscheidende Krisensitzung in der WG inszeniert und den Film mit einer lakonischen Schlussszene ausklingen lässt, ist schmerzhaft und sehenswert.

„Die Geschichte des Films entwickelte sich in Echtzeit mit der Wirklichkeit. Erst war es mir ganz wichtig, dass die Geschichte ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Integration setzt. Durch Gespräche mit Betroffenen und durch die ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Komfortzone wurde aber immer klarer, dass wir unserer unpolitischen Generation und uns selbst einen Spiegel vorhalten wollen“, sagt die Regisseurin über ihren Debütfilm, der beim ZDF in der Reihe „Shooting Stars – Junges Kino im Zweiten“ des Kleinen Fernsehspiels ausgestrahlt wird. Den Weg in die Kinos hat „Club Europa“ zwar nicht gefunden, weshalb die Ausstrahlung im Fernsehen umso bedeutsamer ist. Thomas Gehringer

„Club Europa“, ZDF, Donnerstag, um 23 Uhr

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