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Medien: Im Radio: Blick zurück nach vorn

In diesen Tagen wirkt manche Sendung im Kulturradio wie eine Programmänderung aus aktuellem Anlass. Doch in Wahrheit ist es nur unser alarmiertes Bewusstsein, dass alte Probleme mit einer neuen Unruhe wahrnimmt.

In diesen Tagen wirkt manche Sendung im Kulturradio wie eine Programmänderung aus aktuellem Anlass. Doch in Wahrheit ist es nur unser alarmiertes Bewusstsein, dass alte Probleme mit einer neuen Unruhe wahrnimmt.

"Rituale der Vergeltung" heißt ein Feature von Aishe Malekshahi, das über die Geschichte der Todesstrafe in Deutschland berichtet. Die Autorin schlägt einen Bogen von den Scheiterhaufen des Mittelalters bis ins Jahr 1981, als die DDR letztmalig einen ihrer Bürger erschießen ließ. Einst war die Hinrichtung eine öffentliche Inszenierung, mit dem Ziel, die kollektive Moral durch Abschreckung zu stärken. Die empfindsame bürgerliche Gesellschaft ließ später ihre Scharfrichter hinter hohen Gefängnismauern agieren, während man draußen von brüderlichen Verhältnissen träumte. Es ist ja ein schlagender Beweis für die Macht dieser Träume, dass es in vielen Staaten tatsächlich zur Abschaffung der Todesstrafe kam. Wenn sich Deutschland nun für die Teilnahme an einem Vergeltungsschlag rüstet, scheint die Erfolgsgeschichte des bürgerlichen Humanismus auf das innigste berührt. Nicht blinde Rache soll das Ziel sein, aber doch radikale Sanktion, die in der Todesstrafe ihr Modell findet. In den Reden des amerikanischen Präsidenten stehen die Begriffe "Ausräuchern" und "vor Gericht bringen" dicht beieinander. Kann man als eine Art Wühlmausjäger beginnen und als skrupulöser Richter enden? Oder wird bürgerliche Empfindsamkeit zwangsläufig zur Nebensache, wenn die "Rituale der Vergeltung" erst einmal in Gang kommen? Rituale, die ihren Sinn stets in der Erzeugung eines bildmächtigen Schreckens fanden, wie Aishe Malekshahi herausgefunden hat (Radio Kultur, 25. September, 19 Uhr 05, UKW 92,4 MHz).

Rückkehr zur Normalität, heißt es an anderer Stelle, sei ein Gebot der Stunde. Man müsse wiederanknüpfen an die Freuden und Sorgen vor dem großen Knall, der viele von uns aus süßen Träumen von einem gewaltarmen Posthistoire geweckt hat. Erinnern wir uns also an die Debatten um Genetik und neue Biowissenschaften. Beim Südwestrundfunk gibt es einen "Aktionstag", der den Diskurs über die Genetik als neue Mythologie betrachtet. Fast pausenlos werden sich am kommenden Mittwoch Hörspiele und Features mit dem "Mythos Gen" auseinandersetzen. Es geht um den Boom der Biotechnologien (8 Uhr 30) und um den Blick einer Mutter auf ihr behindertes Kind (10 Uhr 05). Um vollprothetische Rennfahrer (14 Uhr 05) und den Aufstand gegen die Sterblichkeit (21 Uhr; SWR 2, 26. September, UKW Kabel 107,85 MHz).

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