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Im RADIO: Das Irrlicht exklusiver Liebe

Zwischen Polyamoristen und Schamanen: Was Sie diese Woche im Hörfunk nicht verpassen sollten.

In der Politik besteht bekanntlich immer Reformbedarf. Warum sollte das im Privatleben auch anders sein? So halten manche Zeitgenossen etwa eine Reform unserer Liebesverhältnisse für dringend geboten. Immer die gleichen Kalamitäten, immer die gleichen Widersprüche. Das ist ein typisches Beispiel: Eltern, die sich nicht mehr lieben, bleiben der Kinder wegen zusammen und leiden daran. Hier nun wollen die Anhänger der sogenannten Polyamorie Abhilfe schaffen, wie Christine Wattys Feature „Weil Liebe nicht exklusiv ist!“ erzählt. Die Autorin hat sich umgehört bei den Pionieren neuer Liebes- und Lebenskonzepte. Wenn eine Ehe nicht mehr richtig funktioniert, warum dann nicht einfach neue Partner dazubitten? Die Polyamoristen machen Ernst mit Dingen, die bis eben noch als Quadratur des Kreises galten (Deutschlandradio Kultur, 22. Juni, 19 Uhr 30, UKW 89,6 MHZ).

Der Berliner Autor Oliver Sturm hat einen Gebetomat gebaut. Er sieht aus wie eine Fotofix-Kabine, man kann sich reinsetzen und drinnen Gebete verschiedener Weltreligionen, Kleinkirchen und Sekten hören. Ein von tausend Zungen vorgetragenes religiöses Sprechen. Aus den akustischen Vorräten des Gebetomaten ist das Feature „Der Himmel über Berlin“ entstanden. In einer dichten Collage hören wir die Musik des Betens, wie sie im multikulturellen Berlin täglich in tausenden Tempeln angestimmt wird. Jedem Glauben, meint der Autor, liege eine Art Sinnstiftungstrieb zugrunde. Das Gebet ist tönender Ausdruck für dieses tiefste menschliche Begehren (Kulturradio vom RBB, 22. Juni, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Wer nicht so gern betet, aber trotzdem heftig glaubt, landet vielleicht eines Tages bei spiritistischen Beschwörungen. Bei Hexenkult und Schamanismus, schwebenden Tischen und Stimmen aus dem Jenseits. In seiner Langen Radionacht „Das Irrlicht und seine Boten“ erkundet Autor Peter Mayer Geschichte und Gegenwart okkultistischer Bewegungen. Auch in der vollends aufgeklärten Welt ist die Neigung zu Glasperlenspielen ungebrochen. Manche haben eine lange, anrüchige Tradition, andere sind erst durch die magischen Kanäle des Internets auf uns gekommen. Eine Radionacht unter Astrologen und Alchemisten, Wiedergeborenen und medial Begabten, Heilssuchern und Heilsbringern aller Art (Deutschlandradio Kultur, 25. Juni, ab 0 Uhr 05).

Geschichten über die große Liebe stammen meist aus der Feder romantischer Literaten. Aber manchmal genügt es, das wirkliche Leben zu belauschen. Gordian Mauggs und Alexander Häussers Hörspiel „Du und Ich und Er – Neuneinhalb Jahre mit Alzheimer“ basiert auf Tagebüchern und Videoprotokollen einer tatsächlich gelebten großen Liebe. Ein Mann und eine Frau sind lange glücklich verheiratet, dann erkrankt die Frau in den mittleren Jahren an Alzheimer. Neuneinhalb Jahre dauert ihr Weg ins Nichts. Bestimmt wäre es doppelt so schnell gegangen, wenn der Mann nicht so sehr geliebt, gepflegt, gekämpft hätte. Beide schreiben sie Tagebuch, häufig läuft die Videokamera. Liebe ist die größte Leistung des Menschen, das beweist Mauggs und Häussers Dokumentar-Hörspiel eindrucksvoll (Kulturradio vom RBB, 26. Juni, 14 Uhr 04).

Die Nazis hassten Swingmusik. Es gibt einen Brief von Himmler, in dem er seine Schergen anweist, die langhaarigen Swingjünglinge des Reiches ins KZ einzuweisen und dort mal kräftig durchzuprügeln. Eine einzige Ausnahme machten die Nazis allerdings, wie Autorin Mechthild Müser in den Musikarchiven entdeckt hat. Müsers Feature „Charlie and his Orchestra“ erzählt von einer Handvoll exzellenter deutscher Jazzmusiker, die eine staatliche Lizenz fürs Swingen bekamen. Dafür allerdings wurden die englischen Originaltexte der Songs so umgeschrieben, dass sie auf eine sublime Weise Nazi-Propaganda transportierten. Die Musik von „Charlie and his Orchestra“ wurde auch ins Feindesland ausgestrahlt, um dort die Bevölkerung für deutsche Ideen zu gewinnen. Ein musikalisches Schurkenstück der besonderen Art, von dem schon damals nur wenige wussten (Deutschlandradio Kultur, 29. Juni, 0 Uhr 05).

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