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Medien: Im Radio: Gauner und Gefühle

Er war der begabteste Dandy vom Broadway und Erfinder eines Sprachstils, den die Gymnasiasten der Adenauer-Ära begeistert imitierten. "Eines Nachts spazieren Kanone und ich vor Mindys Restaurant am Broadway auf und ab und reden über dies und jenes, als eine rothaarige, zerlumpte Puppe vorbeikommt, die Äpfel für fünf Cent verkauft.

Er war der begabteste Dandy vom Broadway und Erfinder eines Sprachstils, den die Gymnasiasten der Adenauer-Ära begeistert imitierten. "Eines Nachts spazieren Kanone und ich vor Mindys Restaurant am Broadway auf und ab und reden über dies und jenes, als eine rothaarige, zerlumpte Puppe vorbeikommt, die Äpfel für fünf Cent verkauft." So oder ähnlich beginnen die Short Stories des Amerikaners Damon Runyon. Der Erzähler hängt in einer Bar am Broadway, ein paar Ganoven spazieren herein, man kommt ins Gespräch, und bald wird der Autor Zeuge, wie ein Ding gedreht wird. Niemals geht es nur ums nackte Verbrechen, stets kommen auch die ganz großen Gefühle ins Spiel. Runyons Figuren heißen Harry, das Ross, Stutzer-David oder der dicke Butch, sie knacken Geldschränke, kassieren als Zuhälter, betreiben Amüsierlokale. Meist haben sie ein weiches Herz unter der rauen Schale. Die Frauen sind allesamt Puppen, was sie nicht daran hindert, im Notfall einen Mann mit der Bratpfanne k.o. zu schlagen. Runyon ist ein Erzähler von hinreißendem Humor und obendrein Meister melodramatischer Effekte. Eine Art Homer unter den Unterhaltungsschrifstellern. Bei Radio 88Acht sind die munteren Stories des Mythenschmieds vom Broadway als Radiodramen zu hören. Launige Streifzüge durch eine versunkene New Yorker Unterwelt, wo jede Tragödie auch komisch ist und das Böse nie ohne Beimischung des Guten auftritt (Radio 88Acht, 13. und 20. Mai, 22 Uhr, UKW 88,8 MHz).

Aber das Böse hat viele Namen. Einer davon wird auch heute noch nur mit roten Ohren ausgesprochen. So behauptet es zumindest Rolf Cantzen in seinem Feature "Sex mit jemandem, den ich wirklich liebe". Es geht um Onanie in Geschichte und Gegenwart. Eine Leibesübung, die direkt vom Teufel kommt, glaubt man den Volksaufklärern vergangener Jahrhunderte. Melancholie, Gedächtnisschwund, Wahnsinn galten als direkte Folgen des privatesten aller Laster. Noch Richard Wagner führte die musikalische Dissidenz seines Freundes Nietzsche auf übermäßige Onanie zurück - worauf der schwer gekränkte Junggeselle den philosophischen Hammer von der Wand holte. Bei Cantzen kommen promovierte Kulturhistoriker zu Wort, aber auch der Vorsitzende der "Deutschen Onanistischen Vereinigung e.V.". Ein Mann, dem nichts mehr rote Ohren macht. Er ist Chef von 74 Ortsvereinen, die sich der Pflege autoerotischen Brauchtums verschrieben haben. Onanie - nicht als Ruin, sondern als Kraftquell der männlichen Gesundheit verstanden. Vereinsmotto: Ich onaniere, also bin ich (Deutschlandfunk, 13. Mai, 20 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

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