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Medien: Im Radio: Hohn und Galle

Deutschland Ende der sechziger Jahre. Peinlich saubere Eigenheimsiedlungen, in denen abends halb zehn die Rolläden wie Fallbeile hinunter gehen.

Deutschland Ende der sechziger Jahre. Peinlich saubere Eigenheimsiedlungen, in denen abends halb zehn die Rolläden wie Fallbeile hinunter gehen. Brüllende Verkehrsschneisen durch den letzten städtischen Winkel. Deutschland ist hässlich. Keiner hat das so unwiderlegbar beschreiben können, wie Rolf Dieter Brinkmann. Die poetische Stimme der 68er-Revolte, der große Dichter des deutschen Beat, den Mitte der Siebziger in London ein Auto totfuhr. Hört man Brinkmanns Texte, meint man, den Sinn einer Revolte mit Händen greifen zu können. Die Notwendigkeit eines Aufstands der Jungen gegen die traditionelle Lebenskultur im Land. Man ahnt, dass Deutschland seither tatsächlich ein bisschen schöner geworden ist. Offener, chaotischer, auswegreicher - ohne dass Brinkmanns depressive Wut für einen Zeitgenossen ganz unverständlich wäre. Im Deutschlandfunk bringt Christian Brückner einen Text von Rolf Dieter Brinkmann zu Gehör: "To a world filled with compromise we make no contribution". Eine kunstvolle Schimpftirade, ein Album depressiver Momentaufnahmen, nebenbei auch eine Satire auf den offiziellen Kulturbetrieb des Landes. Der Text eines zornigen jungen Mannes, der ein Magier der deutschen Sprache gewesen ist. Brückner spricht das rhythmische Prosastück mit kalter Wut und intellektueller Schärfe, er speit Hohn und Galle, nuschelt in rasendem Trotz, brüllt im nächsten Augenblick die bösen Sentenzen pointiert heraus (Deutschlandfunk, 10. Februar, 20 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

Wer aber der Hässlichkeit der modernen Welt lieber durch Versenkung in die Geschichte entkommt, der ist beim Essayprogramm des Südwestradios gut aufgehoben. Es geht nicht um Weltflucht, sondern um Strategien einer individuellen Lebenskunst. Lebt im Verborgenen, riet Epikur seinen Jüngern. In einem stillen Garten mit guten Büchern und wenigen guten Freunden. Anders gesagt: Hört Kulturradio, Leute, wo den alten Weisheitstexten noch gebührende Ehre erwiesen wird. Etwa dem Werk des Römers Horaz, dessen "Carpe diem" als philosophisches Motto auf uns gekommen ist. Ein Feature von Garleff Zacharias-Langhans porträtiert Horaz als Kenner des Schmerzes und der Sorge (SWR 2, 11. Februar, 18 Uhr 30, Kabel UKW 107,85 MHz).

Auch Kirchenvater Tertullian hat keine frohe Botschaft für die Nachwelt: "Du bist ein Fremdling in dieser Welt", lautet das Titel gebende Zitat im Essay von Gerhard Adler. Was kann der stoisch geprägte Ethiker Tertullian den Menschen am Ende der christlichen Ära noch bedeuten? Adler weiß die Antwort (SWR 2, 12. Februar, 21 Uhr).

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