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Im RADIO: Rohrpost durchs Zeitfenster

Tom Peuckert verrät, was Sie nicht verpassen sollten.

Vor gut vierzig Jahren hat der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan den Begriff Global Village erfunden. Gemeint war ein neuer Weltinnenraum, in dem alle Punkte durch Medienkanäle miteinander verbunden sind. Im Global Village wissen alle von allen alles, und die Dinge geschehen immer live. Zahlreiche Bücher hat der 1980 verstorbene McLuhan der Kultur des 21. Jahrhunderts gewidmet, die vor allem und zuerst eine Medienkultur sein würde. Autor Walter van Rossum organisiert nun eine Wiederbegnung mit McLuhans spektakulären Prognosen. Sein Feature „Global Village“ erzählt von einem singulären Theoretiker, dessen Visionen auch nach Jahrzehnten keinen Staub angesetzt haben (Deutschlandradio Kultur, 25. März, 19 Uhr 30, UKW 89,6 MHz).

Von 1865 bis 1976 gab es in Berlin eine Stadtrohrpost. Ein hunderte Kilometer langes Netz von Röhren, durch das druckluftgetriebene Hülsen sausten. Für ihr Feature „Briefe aus der Erde“ haben sich die Autoren Teresa Schomburg und Matthias Käther auf die Spur dieser seltsamen Institution begeben. Einerseits gehört sie zur Welt der Großeltern, andererseits kann sie noch immer das technische Interesse der Jugend wecken. Die Autoren finden Reste des Systems: unterirdische Röhren, Luftverdichter und Schalttafeln. Sie treffen leidenschaftliche Rohrpostler, die nicht verstehen können, warum diese geniale Schöpfung aus dem Arsenal unserer Technologien verschwunden ist. Und schließlich entdecken sie Orte, an denen das Prinzip Rohrpost noch heute weiterlebt (Deutschlandfunk, 27. März, 20 Uhr 10, UKW 97,7 MHz).

Schon vor zwanzig Jahren ist die Familie auseinandergebrochen. Vater und Mutter haben sich getrennt, der Streit verschonte auch die beiden Söhne nicht. Danach gab es neue Beziehungen, das übliche familiäre Patchwork, alles schien im Rahmen trüber Normalität, bis der jüngere Sohn nach zwanzig Jahren zum familiären Amokläufer wurde. Im Hörspiel „Familienbildnis mit Katze“ von Eugen Ruge erzählen die Mitglieder der einstigen Familie einem stummen Hörer ihre Version der Familiengeschichte, die sich zur Katastrophe ausgewachsen hat. Ein schmerzhaftes Protokoll subjektiver Wahrnehmungen, die nicht zueinander passen wollen, aber am Ende doch einen Abgrund ergeben, in dem ein Kind versunken ist (Kulturradio vom RBB, 29. März, 14 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Alfred Döblins Roman „Berlin Alexanderplatz“ war das erste deutsche Großstadtepos. Ein enormes Textgebirge voller Figuren, Schicksale und Situationen, zusammengehalten vor allem durch die kunstvolle Erzählstimme des Autors. Nun hat Regisseur Kai Grehn aus dem gewaltigen Material das Hörspiel „Die Geschichte vom Franz Biberkopf“ geformt. Der Lebenslauf eines kleinen Ganoven, der sich in der Stadt Berlin zum Meister seines Schicksals aufschwingen möchte und dabei unter die Räder kommt. Grehn erzählt zwischen Zeitkolorit der Zwanziger und dem Sound heutiger Großstädte. So erscheint sein Biberkopf ganz gegenwärtig und auch die Stadt Berlin spielt ihre Rolle als Strippenzieherin des Schicksals noch einmal sehr überzeugend (SWR 2, 29. März, 18 Uhr 20, Kabel UKW 107,85 MHz).

In der neueren Weltgeschichte scheint es etwa alle zwanzig Jahre zu funken. Dann beschleunigen und überstürzen sich die Ereignisse, dann geschehen unerwartete Dinge, dann passiert etwas, das wir im Rückblick Geschichte nennen. Soweit die spannende These des Kulturwissenschaftlers Jochen Hörisch, die er in seinem Radioessay „Schwellenjahre und dichte Zeiten“ entfaltet. Man nehme nur die Jahre 2009 - 1989 - 1969: Weltfinanzkrise, Ende des Ostblocks, Jugendrevolte. Hörisch spürt den kulturellen Prozessen nach und entdeckt Zeitfenster, die sich etwa alle zwanzig Jahren öffnen. Sein Vortrag ist empirischer Befund, aber auch höhere Spekulation auf die intime Rhythmik des kulturellen Wandels (SWR 2, 30. März, 22 Uhr 05).

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