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Medien: Im Titelkampf

Zeitschriftenverlage wollen vor der Fußball-WM noch schnell einige neue Sportmagazine positionieren

Die Verkäuferin im hektischen Zeitungsladen vom Berliner Ostbahnhof weiß Bescheid: „,Rund‘ war ganz schnell ausverkauft, ,Champ‘ läuft zäh und diese neue Zeitschrift für Frauenfußball habe ich noch gar nicht verkauft.“ Der schnelle Satz über die Ladentheke ersetzt zwar keine ernsthafte Marktanalyse, aber der Leser ahnt, dass im Gastgeberland der Fußball-Weltmeisterschaft bereits jetzt der Titelkampf wütet. Und wenn Dietrich Puschmann, Geschäftsführer des Nürnberger Olympia-Verlags(„Kicker“), sagt, dass er das neue zeitgeistig intellektuelle Fußballmagazin „Rund“ auch ohne die nahe WM auf den Markt gebracht hätte, klingt das so glaubwürdig, als wenn Bayern-Manager Uli Hoeneß sagt, dass der Ballack absolut unverkäuflich sei oder ARD-Intendant Fritz Pleitgen vermittelt, dass trotz der immensen Kosten für die WM-Übertragungsrechte nicht beim Programm gespart wird.

Für Christoph Biermann, Sportkorrespondent der „Süddeutschen Zeitung“, ist ganz klar, „dass die Verlage den Fußballboom nutzen, um neue Magazine zu positionieren“. Seit dem Wiederanpfiff der Bundesliga in diesem Monat liegt neben „Rund“ auch „Champ“ (Stuttgarter Motor-Presse) in den Regalen, das bisher nur wenig Aufmerksamkeit bei Medienbesprechern, Fußballfans und Sportjournalisten besitzt, auch wenn von denen ein paar ihre großen Namen (Marcel Reif, Manni Breuckmann) in die Autorenzeilen haben setzen lassen und Superstar Michael Ballack auf der Titelseite glänzt wie Lothar Matthäus, als es noch Werbepartner gab, die sich dafür interessierten, wie er als unrasierter Macho durch den Sucher von Annie Leibovitz ausschaut.

Außen Hochglanz. Innen allerlei Verzichtbares. „Champ“ liefert eine monatliche Sättigungsbeilage zur 1:0 Berichterstattung von „Sport-Bild“ und dazu ein Ballack-Interview („Ich will alle vier Titel“ – ach ja?), das auch ebendort hätte laufen können. Dazu noch Formel 1 im zweiten Heftteil, wo Fernando Alonso im Pamela-Anderson-Schritt einen Strand entlangläuft und eine Porschewerbung auf der Rückseite, die voll am Leser vorbeifährt. Denn der sitzt wohl eher auf dem Sofa und schaut sich den Stärksten-Mann-Wettbewerb auf Eurosport an, als dass er mit dem Carrera zum Golfen fährt.

So wie die mutmaßlichen Leser von „Player“ (B & D Verlagsgruppe, Hamburg), einem fußballerischen Monatsmagazin, das ab Oktober erscheinen soll. Hochglänzend und unter der Leitung von Ex-Max-Chefredakteur Oliver Wurm, der einen „Brückenschlag zwischen der Faszination Fußball“ und dem „inspirierenden Lifestyle der neuen Spielergeneration“ plant. Für den Leser heißt das, er wird sich wohl durch eine endlose Homestory über den jung-dynamischen Hertha-Nationalspieler Arne Friedrich quälen müssen. Klingt so wie eine 2005er Version der „Bravo“, die seinerzeit über die Bayern-Bettwäsche des schnauzbärtigen Noch-Schalkers Olaf Thon (19) geschrieben hat. Immerhin gibt Wurm öffentlich zu, auf den WM-Zug springen zu wollen. „Aber wer nach der WM noch übrig bleibt, hängt vor allem davon ab, ob das jeweilige Magazin ein erkennbares Profil hat.“

Nach dieser These müsste das „Sportecho“, das mit Beginn der Bundesligarückrunde täglich erscheinen soll, die besten Chancen haben. Denn das Sportecho war in der DDR eine tägliche Sportzeitung mit festem Leserstamm, zu dem auch Heinz Florian Oertel gehörte. Der ehemalige Starreporter des DDR-Rundfunks berichtete bis zur Wende über sportliche Großereignisse, wie etwa über den Sieg der blauen DDR-Kicker über die schwarz-weißen BRD-Beckenbauern von 1974. „Aber die Chancen, dass sich ein Sportecho als Tageszeitung etabliert, schätze ich gering ein“, sagt Oertel. Außerdem würden der Springerverlag und seine „Bild“-Zeitung („die einzige tägliche Fußballzeitung Deutschlands“) so ein Blatt nicht dulden.

Ein bekannter Berliner Sportjournalist berichtet außerdem, dass er heute noch auf sein Honorar von „Berliner Sport im Monat“ wartet. Dabei hat es sich um einem eingestampften Titel des heutigen „Sportecho“-Ideengebers gehandelt, von dem keiner weiß, wer sein Geldgeber ist. Der Verlag Gruner+Jahr ist es sicher nicht, denn die Hamburger arbeiten ebenfalls an einem eigenen Fußballtitel, über den sie noch nichts verraten.

Ach ja, und dann war da ja noch das neue „Frauenfußballmagazin“ aus dem Zeitungsladen am Berliner Ostbahnhof. „Sportsfrau“ heißt es, und ist eigentlich ein Sportmagazin, obwohl die Weltfußballerin Birgit Prinz vom Titel schaut. Drin steht Lehrerhaftes über die Geschichte des Frauensports, persönliches über Birgit Prinz und Wellness- und Medizinthemen für die Frau. Ein Fußballheft ist es nicht, dafür wäre es auch viel zu teuer – der Preis liegt immerhin bei 3,90 Euro. Und die pastellfarbene Erscheinung kommt zusätzlich daher wie die Postille eines Fachärzteverbandes, die nur dann gelesen wird, wenn im Wartezimmer sonst nichts liegt.

Olaf S, ermeyer

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