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Medien: Im Zweifel für die Quote

Das Fernsehspiel "Richter Alexander Hold" endet mit dem stolzen Wort: "Und wieder einmal hat die Gerechtigkeit gesiegt." Doch zunächst einmal hat das Bedürfnis der Frauen und Männer gesiegt, bekannt zu werden, einen Platz auf der Bühne zu finden, den Promi-Status, wer zu sein in der Öffentlichkeit.

Das Fernsehspiel "Richter Alexander Hold" endet mit dem stolzen Wort: "Und wieder einmal hat die Gerechtigkeit gesiegt." Doch zunächst einmal hat das Bedürfnis der Frauen und Männer gesiegt, bekannt zu werden, einen Platz auf der Bühne zu finden, den Promi-Status, wer zu sein in der Öffentlichkeit. Ein heute übliches Bedürfnis, das auch Richter überkommt.

Doch das Wort "Spaßgesellschaft" ist so, wie es gebraucht wird, unvollständig - auch das Gruseln, das Grauen gehört dazu. Auf der Flucht vor der Flut von Informationen ist das Angebot leicht zugänglicher Kost eine Zuflucht. Da kann man das Gruseln und das Grauen erleben und erfahren, wie es bestraft wird. Da darf man erleben, was auch zur Spaßgesellschaft gehört. Da wird einem bestätigt, dass die Gesellschaft, so vieles sie auch trennt, in einem einig sein muss: Im Kampf gegen die Gewalt, weil man sonst von ihr hinweggeschwemmt wird. Da wird vorgeführt, dass Strenge am Ende zu stehen hat, die keine Rücksicht kennt.

Die Gerichtsshow ist über uns gekommen. Sie ist ein blendendes Geschäft. Richter haben sich freistellen lassen dafür. Und sie erreichen Traumquoten, in ihren Sendungen wird auch geworben. Die Elite der Anzeigenkunden bietet sich an: Ritter Sportschokolade, Klosterfrau Melissengeist, Pfanni und so weiter. Das bringt Geld.

Die Gerichtsshows sind Quotenrenner geworden. Vier Fernsehrichter und Richterinnen werden tätig. Die Sendungen tragen die Namen der Richter und Richterinnen - die perfekte Richterdarsteller sind. "Der Zuschauer lechzt förmlich nach diesem Format", sagt der Sprecher eines der veranstaltenden Programme.

Die Richter der Shows sind Juristen und die neuen Medienstars. Sie verhandeln perfekt. 20 Stunden pro Woche wird vorgeführt. Ein Architekt, der sich einen Auftrag erhofft, hat für einen Gast eine Prostituierte bestellt, die ihm in einem Zimmer oben im Haus zur Verfügung stehen soll. Doch die Prostituierte verweigert sich - der Kunde gefällt ihr nicht. Der vergewaltigte sie. "Ich spürte schon sein Glied, es kam zum Samenerguss." Der Angeklagte bringt vor, es habe ihn empört, dass sich die junge Frau verweigert habe. Wenn man ihn verurteile, würden hunderte von Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Sein Geschäftsimperium werde zerbrechen. Er wird dennoch verurteilt. Und der Richter spricht ihn in der Begründung direkt an. "Prostituierte sind kein Freiwild. Sie selbst haben sich das alles kaputt gemacht." Er erlässt einen Haftbefehl und der Großunternehmer wird im Gerichtssaal festgenommen und in Handschellen wegen Fluchtgefahr abgeführt.

Der Alltag des echten Richters sieht anders aus. Zähe, einsame Befassung mit Körperverletzung, Erschleichen von Leistungen, Fahren ohne Fahrerlaubnis. Ringen um die rechtliche Reaktion ohne Publikum. In der Show prangt Publikum - aus dem heraus plötzlich wohl inszeniert jemand etwas herausschreit, was eine Ungeheuerlichkeit enthüllt. Er oder sie wird nun als Zeuge nach vorn geholt und macht eine ungeheuerliche Aussage. Ein Arzt muss zugeben, dass er nicht versehentlich eine Krankenakte vertauscht und einer Frau nicht versehentlich die Gebärmutter entfernt hat - sondern absichtlich aus finanziellen Gründen. Er hatte nur eine banale Korrektur an der Gebärmutter einer anderen Patientin ausführen sollen. Da schlägt der Blitz ein, und nun wird er oder sie zum dramatischen Belastungszeugen, den man nach vorn holt und sich austoben lässt. Er oder sie wird zum Kronzeugen.

Der Trick ist schlicht: Jetzt hat man eine ganz neue Situation, die sich unmissverständlich nutzen lässt für ein strenges Urteil. Das Grauen kann befriedigt werden. Sind die Showmaster, die so etwas veranstalten, wirklich der Meinung, dass sie dem Recht dienen, wenn sie so verfahren? Was lehrt das, wenn nicht, dass man Tricks anwendet - die zu der Frage zwingen, ob die Showmaster sich so verhalten, wie sich Richter verhalten sollten? Dass sie mit einem derartigen Kunstspiel ihre Glaubwürdigkeit ruinieren? Dass sie damit dem Anspruch der Rolle des Richters einen unsäglichen Schaden zufügen?

Die Richter haben sich freistellen lassen für diese Showmasterrolle. Ja, das ist halt möglich. Und so können sie nun dem Ansehen der Justiz nach Belieben schaden. Sie spielen ein Spiel, dem sie sich eigentlich verweigern müssten.

Es könnte, es sollte das zu der Frage führen, ob nicht das Allerheiligste, die vom Grundgesetz garantierte Unabhängigkeit des Richters, denn doch einer Einschränkung bedarf.

Gerhard Mauz

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