zum Hauptinhalt

Medien: In Amerika sind Wahlempfehlungen Tradition

In den USA sind Wahlempfehlungen, „endorsements“ genannt, seit langem Brauch. Der „Boston Globe“ sprach sich bis 1892 und dann wieder seit 1968 regelmäßig für einen Kandidaten aus.

In den USA sind Wahlempfehlungen, „endorsements“ genannt, seit langem Brauch. Der „Boston Globe“ sprach sich bis 1892 und dann wieder seit 1968 regelmäßig für einen Kandidaten aus. Die 1851 gegründete „New York Times“ gibt seit 1852 preis, wen die Redaktion für wählenswert hält. Während im Wahlkampf so fair und neutral wie möglich über die Kandidaten berichtet wird, warten die großen Zeitungen zum Wahltag oder am Wochenende zuvor mit dem streng gehüteten Geheimnis auf: Wen empfiehlt die Redaktion?

Bei großen, seriösen Blättern wie der „Los Angeles Times“ sind Wahlempfehlungen alles andere als parteiische Lobeshymnen. Es wird breit referiert, was für oder gegen den jeweiligen Kandidaten spricht. Die Abwägung mündet meist in ein präzise begründetes Urteil, warum die Redaktion einen Vorteil im Kandidaten X sieht.

Die Glaubwürdigkeit der Zeitungen belastet dies nicht. Natürlich werben Kandidaten mit den Empfehlungen. Aus Sicht der Zeitungen funktioniert die Tradition, weil sich im Lauf der Jahre die Voten für die eine oder andere Partei ausbalancieren. Zudem geben Zeitungen nicht nur ihre – ohne Autorenn publizierte – Meinung kund, wer Amerika regieren soll. Sie bewerten auch die Kandidaten für Richterämter, Schulvorstände oder Sheriff-Sessel. Da geht es kaum um Partei-Ideologie, sondern um Erfahrung, Glaubwürdigkeit und Durchsetzungskraft von Individuen. Wegen der Menge gleichzeitiger Empfehlungen – Anfang November wählen Amerikaner alles zugleich – ergibt sich Partei- Ausgewogenheit. Das nützt dem Renommee der Zeitung. So hat die „New York Times“ zuletzt ’56 mit Eisenhower einen Republikaner für das Weiße Haus empfohlen. Doch die meisten empfohlenen Landes- und Kommunalpolitiker waren Republikaner. Ein Demokrat für die Präsidentschaft, ein Republikaner für den Senat, Vertreter beider Parteien für das Repräsentantenhaus, Erfolg versprechende Einzelkämpfer für lokale Ämter: Das ist die Mischung, die Amerikas Zeitungen ihren Lesern als Empfehlung geben.Robert von Rimscha

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false