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Schluss mit lustig! Oliver Welke und seine „heute-show“ plündern Phoenix für ihre Witzparade. Jetzt will Phoenix kontern und sich selbst für Scherz und Satire ausbeuten.

© ZDF und Willi Weber

Informationsfernsehen darf Spaß machen: „Phoenix kann lachen“

Konkurrenz zur „heute-show“, aber keine Boulevard-Berichterstattung. Gespräch mit den Phoenix-Programmchefs Michaela Kolster und Michael Hirz.

Frau Kolster, Herr Hirz, der private Nachrichtensender N 24 schickt am Wochenende der Anschläge von Paris einen Übertragungswagen von Berlin mit Reportern nach Paris. Phoenix stellt zwei ältere, ergraute Experten ins Bonner Studio. Jetzt raten Sie mal, welche Berichterstattung mehr Zuschauer hatte?

HIRZ: Natürlich N 24. Aber es geht doch nicht um die zahlenmäßig größere Akzeptanz. Es ist ein Leichtes, in spektakulären Situationen ein Gefühl von Atemlosigkeit zu vermitteln, ohne dass ein Ereignis in seinem Wesenskern begriffen und der Erkenntnisgewinn gesteigert wird – eher im Gegenteil. Wir versuchen beides zu schaffen: hinschalten, zeigen, was ist, und einordnen. Es mussten nicht ergraute Männer sein, es hätten auch junge Frauen sein können, gut. Es ist aber keinem gedient, mit Sensationsmache Atemlosigkeit zu generieren. Das ist Boulevard.

Ist das nicht eine kuriose Betrachtung? N 24 holt mit Berichterstattung in Paris gute Zahlen, Phoenix interessiert weniger Zuschauer, macht aber ordentliches Fernsehen am Standort Bonn?

KOLSTER: Das hat nichts mit ordentlichem Fernsehen zu tun. Wir bieten Hintergrund, Orientierung und Analyse, was IS und Terror angeht.

Arbeitsplatz Bonn: Michaela Kolster und Michael Hirz leiten Phoenix.
Arbeitsplatz Bonn: Michaela Kolster und Michael Hirz leiten Phoenix.

© PHOENIX/Christian Marquardt

HIRZ: Fernsehen wie N 24 oder n-tv emotionalisiert stark, man ist gebannt. Das ist nicht unser Auftrag. Unser Auftrag ist es, zu zeigen, was passiert, und aufzuklären, warum es passiert. Das ist nicht so spektakulär wie eine Verfolgungsjagd oder Polizeibeamte, die hin- und herlaufen. Das haben wir auch gezeigt, aber darin alleine darf sich eine Berichterstattung nicht erschöpfen. Sie muss komplex und anspruchsvoll sein.

Verstehe. Sie machen schlaues Fernsehen für schlaue Menschen?

HIRZ: Wenn die Menschen durch unser Programm schlauer werden, mehr vom Geschehen um sie herum verstehen, wäre das doch nicht schlecht. So gesehen haben Sie recht.

Für die ergrauten Männer?

KOLSTER: In der Mehrheit ja. Trotzdem ist der Durchschnittsseher bei Phoenix 59 Jahre alt, bei ARD und ZDF ist er über 60. Es ist aber ein weitverbreiteter Irrtum, zu glauben, das Publikum ändere sich, wenn man 30-Jährige ins Studio setzt. Was zählt, ist Kompetenz.

2015 war für Phoenix also wieder ein erfolgreiches Jahr?
KOLSTER: Es war ein sehr spannendes Jahr. Noch selten gab es eine so schnelle Abfolge von Ereignissen, denen wir Rechnung tragen mussten – und das bei unseren beschränkten Ressourcen. Wir mussten die Balance halten zwischen dem Bemühen, die Ereignisse abzubilden, und unserem Budget. Schwierig.

Die Welt ist daran schuld, wenn Phoenix nicht ordentlich arbeiten kann?

KOLSTER: Natürlich nicht. Aber es macht schon einen Unterschied, ob ein Sender vornehmlich aus dem Inland berichten kann oder aber, wie eben 2015, sehr stark ins Ausland schauen muss. Griechenland und Syrien sind nur zwei Stichworte unter anderen. Unser Etat ist schmal, er umfasst für 2015 rund 34 Millionen Euro. Erst 2017 bekommen wir von ARD und ZDF je eine Million Euro mehr. Wir haben aber gelernt, mit geringen Ressourcen und kleinem Personal viel Programm auf die Beine zu stellen. Gerade in Krisenzeiten wie den Terroranschlägen in Paris. An jenem Freitag, dem 13. November, sind die Kolleginnen und Kollegen spätnachts noch ins Studio zurückgekommen, um eine qualifizierte Berichterstattung sicherzustellen. Wir haben dann bis Montag durchgesendet.

Phoenix wird sich selbst auf den Arm nehmen

Jedes Gespräch mit den Phoenix-Geschäftsführern läuft nach diesem Drehbuch: Phoenix ist super, wir sind super ...
KOLSTER: Wir überprüfen uns, aber natürlich. Und wir wissen, dass wir uns an dieser und jener Stelle neu erfinden müssen. 2016 werden wir in mehreren Redaktionen Workshops haben, um neue Formate auf den Weg zu bringen. Im Bereich Wirtschaft wollen wir uns zum Beispiel noch deutlich verbessern. In einem neuen Format werden wir uns auf eine leichte Art mit uns selbst beschäftigen.

Phoenix will sich selber auf den Arm nehmen? Bahnt sich hier eine Comedy mit dem Titel „Frau Hirz und Herr Kolster“ an?

KOLSTER: Schauen Sie sich doch mal die „heute-show“ an, der Großteil der zitierten Szenen stammt aus unseren Sendungen. Aber im Ernst: An dem Konzept wird noch gearbeitet, es gibt noch keine Pilotsendung. Und, ja, Phoenix kann lachen. Der Titel soll übrigens was mit dem Sendernamen zu tun haben.

Was wird 2016 sonst noch besser im Ereigniskanal?

HIRZ: Wir werden erst mal froh sein, wenn wir machen können, was wir jetzt machen. Einerseits. Andererseits müssen wir darüber sprechen, wie man den Bundestag auch noch anders bespielen kann. Das Parlament hat, wie andere Institutionen, ein Darstellungs- und Akzeptanzproblem. Wir haben schon Formate wie das „Politiker-Speed-Dating“ oder „Web 2.0“. Damit wollten wir dem Bundestag Gesichter und Gesicht gegeben, seine Arbeit konkret machen. Wiederum also Einordnung, mehr Transparenz und ein zusätzlicher Zugang zur Politik.

Vertiefen und Verständnis schaffen

Ihr Selbstverständnis und die Schnelligkeit des Weltgeschehens: Da prallt Dynamik auf Statik.

HIRZ: Nachrichten allein erklären mir doch nicht die Welt. Beispiel: „Tagesschau“ und „heute“ berichten in kurzer Form über Parteitage. Phoenix dagegen berichtet über Stunden von einem Parteitag. Da bekommen Sie einen eigenen, ungefilterten Eindruck. Wir wollen vertiefen und Verständnis schaffen.

Lassen sich Ereignis- und Erklärwelt nicht besser zusammenbringen? Warum will Phoenix nicht der überfällige Nachrichtensender im deutschen Fernsehen werden?

HIRZ: Zunächst einmal: Phoenix ist bei seinem Start 1997 für 40, 42 Wochen etatisiert worden. Es galt die Annahme, dass im Sommer und über Weihnachten nichts passiert. Das gilt nicht mehr, das war einmal. Wir werden im kommenden Jahr verstärkt Leisten für diese Jahreszeiten einziehen, um zu zeigen: Wir sind an Deck. Wir dürfen uns von Ereignissen nicht mehr überraschen lassen. Wir werden mit einem vierköpfigen Reporterteam unsere Europa-Berichterstattung verstärken.

Heißt: Phoenix bleibt auf ewig in Bonn?

KOLSTER: Klar ist Bonn ein Nachteil, wenn Sie Gesprächspartner, Experten haben wollen. Als wir Anfang des Jahres wegen Umbauarbeiten im Bonner Studio eine Woche lang aus Berlin gesendet haben, da war die Dichte an Politikern und Gesprächspartnern ungleich höher.

HIRZ: Abstand ist nicht schlecht, man ist nicht Teil der Käseglocke. So ist Phoenix: Wir sind dabei, aber wir halten Distanz, wir lassen uns nicht hineinsaugen.

Das Interview führte Joachim Huber.

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