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Medien: Inhalt schlägt Form

ZDF-Elefantenrunde: ein Hauch von Richtungswahl

Für das „Duell“, dem alle entgegenfiebern, lässt die ZDF-„Elefantenrunde“ Schlimmes befürchten. Starr die Form, brav wurde der innenpolitische Themenkatalog abgehakt, die Moderatoren – ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut noch mehr als der ambitioniertere Chefredakteur Nikolaus Brender – erwiesen sich als Wortzuweiser, jeder Elefant durfte brav hinter seinem Pultchen sitzend zu jedem Thema das Seine aufsagen.

Und doch – es sträubt sich die Feder – schlug am Ende der Inhalt die Form. Es wurde politisch. Plötzlich blitzte da so etwas auf wie eine tatsächliche Grundsatzdifferenz. Kirchhofs Steuerideen und Merkels Kopfpauschale gaben das Signal.

Angela Merkel, nicht locker, aber angriffslustig und in Rot, sprang geistig gewissermaßen Professor Kirchhof auf den Rücken und ließ sich zu fast thatcheristischem Wagemut tragen. Joschka Fischer, heiser und ungeduldig, hielt dagegen – als letzter Anwalt der kleinen Leute, Kassenpatient und wahrer Sozialdemokrat, voller Sorge vor gesellschaftlicher Entsolidarisierung. Edmund Stoiber, deutlich die Nr. 2, gab den pessimistischen Fachmann, nicht sehr aggressiv, immer noch Statistiken kompliziert an seinen Fingern aufzählend. Sein Pendant war Wolfgang Clement, der für Franz Müntefering eingesprungen war und sich als detailkundiger Fachmann und Angehöriger einer „New Labour“-SPD ausgab, was diese von sich nur selber noch nicht weiß. Guido Westerwelle hat ohne „18“ seine Rolle noch nicht gefunden. Selbst in dieser Runde wirkten seine Pauschalurteile als fröhlicher Haudrauf floskelhaft und kaltherzig sein Umgang mit der Gesundheitspolitik, als ginge es um eine KfZ-Versicherung. Diszipliniert aber fing er seinen hochgereckten Daumen selber wieder ein. Schon aus dramaturgischen Gründen hätte ein störrischer „Linkspartei“-Elefant der Runde gut getan.

So konnte man sich zumindest an schönen Zwischenschnitten erfreuen: Angela Merkels besorgter Kontrollblick, wenn Stoiber zur Welterklärung anhub; Stoibers Zählfinger; Joschkas Augenrollen; Wolfgang Clements allgegenwärtige Loriot-Schnute.

Die taktgebenden Einspielfilme zeigten knapp Problemdimensionen auf und machten so indirekt deutlich, wie kurzatmig doch alle Tagespolitik noch immer ist. Das Pathos, wir hätten es mit einer „Schicksalswahl“ zu tun, hat das dichte, aber holprige Wahlkampfgeschehen bisher souverän dementiert. Auf allen Kanälen gab es schon Gerede aller Art, Duelle, Talks – als Solo und Durcheinander, Townhall-Meetings mit Direktkontakt von Staatsmann und Basis, aber ausgerechnet bei der drögen Elefantendressur wurde das große gesellschaftliche Problem, die Spannung zwischen notwendiger Freisetzung produktiver Kräfte einerseits und sozialer Sicherheit auf der anderen Seite auf einmal greifbar. Durch das ZDF-Studio wehte ein Hauch von Richtungswahl.

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