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Imageschaden? Der Hersteller Audi hatte das Auto zur Verfügung gestellt, das der verunglückte „Wetten, dass..?-Kandidat Samuel Koch überspringen wollte. Foto: Knippetz/dpa

© dpa

Ins rechte Licht: Wenn die Werbung leise schleicht …

Zwischen Product-Placement und geschicktem Marketing: Spezielle Agenturen lassen Autos, Haarspray oder Tiefkühlgerichte im Fernsehen in Szene setzen.

Auf Hochglanz ist der Audi A8 poliert, als er in den Saal der Düsseldorfer Messehalle rollt. Das Licht der Scheinwerfer lässt den Wagen erstrahlen, 372 PS ist er stark, 5,14 Meter lang. Alles scheint perfekt vorbereitet für die Inszenierung der Luxuskarosse, die der Autohersteller aus Ingolstadt für die ZDF-Show „Wetten, dass..?“ am vergangenen Samstag zur Verfügung gestellt hat. Mehrere tausend Zuschauer sitzen im Saal, acht Millionen vor den Fernsehern – so ein großes Publikum ist mit Werbespots selten zu erreichen. Doch dann passiert das Unglück. Samuel Koch, der mit Sprungstelzen über den Audi springen wollte, prallt gegen die Wagen und stürzt schwer. Zum ersten Mal in ihrer 29-jährigen Geschichte wird die Sendung abgebrochen.

Bedeutet der Unfall für den Autohersteller, der ja auch mit der Sicherheit seiner Modelle wirbt, einen Imageschaden? „Wir gehen nicht davon aus“, sagte Jürgen De Graeve, Leiter der Audi-Unternehmenskommunikation. „Unsere Gedanken sind bei Samuel Koch, und wir wünschen ihm, dass er wieder genesen wird.“

Audi lässt es sich einiges kosten, dass seine Wagen im Fernsehen ins rechte Licht gerückt werden – jenseits der normalen Spots. 1,8 Millionen Euro sollen es allein 2010 im Rahmen von „Wetten, dass..?“ gewesen sein, berichtete das Magazin „Journalist“. Allerdings profitiert davon nicht das ZDF allein, sondern auch die Firma Dolce Media. Sie hat die Vermarktungsrechte an der ZDF-Show, ihr Geschäftsführer ist Christoph Gottschalk, Bruder von Thomas.

Dass es sich bei der Kooperation um Schleichwerbung handelt, weisen die Firmen und der Sender zurück. So genanntes Product-Placement ist öffentlich-rechtlichen Sendern seit dem Inkrafttreten des 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrags im April 2010 grundsätzlich verboten. Hingegen ist diese besondere Spielart der Werbung, bei der Unternehmen dafür bezahlen, um ihre Produkte in Film- und Fernsehen gut sichtbar unterzubringen, in den USA längst üblich. Etwa 3,6 Milliarden Dollar, so eine Erhebung der Marktforscher von PQ Media, haben Unternehmen 2009 dafür investiert.

Wenn Carrie Bradshaw in „Sex and the City“ einen Mercedes fährt, ist das also kaum Zufall, sondern Ergebnis einer ausgeklügelten Markenstrategie. Ebenso, dass George Clooney in „Up in the Air“ als Unternehmensberater einen Rimowa-Koffer hinter sich her zog.

Schon lange gibt es spezielle Agenturen, die sich ausschließlich darum kümmern, Autos, Haarspray oder Tiefkühlgerichte in Hollywoodfilmen oder Fernsehserien in Szene setzen zu lassen – und dafür entsprechend zu kassieren. Auch in Deutschland gibt es Firmen, die sich wie die Dolce Media GmbH auf dieses Geschäft spezialisiert haben. Denn was den öffentlich-rechtlichen Sendern durch den Rundfunkstaatsvertrag untersagt wurde, ist den privaten Sendern erlaubt – jedoch nur im Bereich Unterhaltung. Verboten bleibt Product-Placement in Nachrichten oder Informations- und Kindersendungen. Dass es sich darum handelt, müssen die Sender sichtbar machen und im Vor- und Abspann erwähnen. Außerdem wird ein kleines „P“ auf dem Bildschirm eingeblendet. Konkrete Zahlen zum deutschen Markt gibt es noch nicht, doch Pläne für den Bildschirm-Einsatz von Markenprodukten haben schon viele in der Schublade. „Seit der Liberalisierung bauen Unternehmen ihre Etats aus, und auch die Professionalisierung nimmt deutlich zu“, sagt Stefan Mareien, Marketingprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen und Mitautor des Product-Placement-Monitors 2010. Der ergab, dass aktuell etwa die Hälfte der befragten Unternehmen bereits Konzepte dafür erstellt hätten.

Noch ist die Anzahl der Unternehmen recht überschaubar, die die Sonderwerbeform wirklich nutzen. Bei Pro Sieben Sat 1 wurden vom Tochterunternehmen Seven One Ad Factory mittlerweile 20 Projekte umgesetzt, den Auftakt machte ein Süßwarenhersteller bei „Schlag den Raab“ Anfang April. Der Moderator spielte nicht „Fußball“ gegen seinen Herausforderer, sondern „m-Ball“. Der Ball war deshalb auch nicht rund, sondern eiförmig und trug gut sichtbar das Logo des Sponsors. Auf Sat 1 wurde „Deutschlands Meisterkoch“ mit Unterstützung einer Supermarktkette und eines Küchenherstellers präsentiert.

Sabine Eckhardt, Geschäftsführerin von Seven One Ad Factory warnt dennoch davor, die Werbeform zu überschätzen. „Nicht jedes Produkt ist für ein Placement geeignet, und die Umsetzung sehr aufwändig.“ Es könne den klassischen Fernsehspot nicht ersetzen, sondern sei nur ein „ergänzendes Element.“

Was dieses Werbebonbon Unternehmen und Sendern wert ist, darüber herrscht Unklarheit. „Die große Frage ist noch: Wie beziffert man den Erfolg einer Produktplatzierung?“, sagt Marketingexperte Stefan Mareien. Kontrollinstrumente wie in den USA gebe es in Deutschland noch nicht, weshalb die Preisgestaltung auch noch ein heikles Thema ist. Wie gut ein TV-Auftritt fürs Image ist, hängt nicht unbedingt davon ab, wie lange das Produkt in die Kamera gehalten wird – sondern davon, wie geschickt es in ein Format eingebaut wird. „Product-Placement ist keine Massenware, sondern ein Einzelprodukt – das kann man nicht wie einen Werbespot in Sekunden abrechnen“, sagt Oliver Castendyk, Direktor der Allianz Deutscher Produzenten. Wie sich der Wert tatsächlich bemisst, darüber werden Produzenten, Werbeagenturen und Sender noch eine Weile diskutieren.

Auch rechtliche Bedenken gebe es noch – trotz der neuen Vorschriften. „Einiges ist noch ungeklärt“, sagt Jurist Stephan Leitgeb, der sich seit Jahren mit der Liberalisierung dieses Werbe-Einsatzes beschäftigt. So dürfe auch nach der Gesetzesnovelle eine bezahlte Produktplatzierung nicht zu einer „übermäßigen Präsenz“ auf dem Bildschirm führen. Doch was heißt das genau? Von diesen Fragen bleiben auch die öffentlich-rechtlichen Sender nicht verschont. Obwohl Product-Placement dort verboten ist, können sie sogenannte unentgeltliche „Produktbeistellungen“ in Anspruch nehmen. Wenn im „Tatort“ Kommissare auf Verfolgungsjagd gehen, so sind die Autos meist kostenlos zur Verfügung gestellt worden.

Wie fließend die Grenzen zur Schleichwerbung jedoch sind, konnten Zuschauer gerade bei der ZDF-Fernsehshow „Lafer! Lichter! Lecker!“ feststellen. Nachdem Sternekoch Johann Lafer gleich zwölf Mal Rezepte mit Blattgelatine kochte, einem Produkt, für das er auch Werbepartner ist, wurde der Vorwurf der Schleichwerbung laut. Auch Küchenmaschinen soll er über Gebühr gelobt haben. Das ZDF hat nun die Vorwürfe geprüft – und zurückgewiesen. Für unzulässige Produktplatzierungen gebe es keine Anhaltspunkte. Ein Beigeschmack bleibt.

Julia Kimmerle

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