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Am Mittwoch appellierte die "Frankfurter Rundschau" an die Treue der Leser.

© rtr

Insolvenz der Frankfurter Rundschau: „Es gibt keinen Königsweg“

Genossenschaft, Investor oder staatliche Subventionen – in Frankfurt am Main und andernorts beginnt die Suche nach Zukunftsmodellen. Einige Überraschungen sind durchaus dabei.

Tag eins nach Bekanntwerden vom drohenden Aus der „Frankfurt Rundschau“. Der Vorhang fällt, viele Fragen bleiben offen: Kann eine der traditionsreichsten Tageszeitungen in Deutschland doch noch gerettet werden, und wenn ja, wie und mit welchen Modellen? Was wird aus den Redaktionsgemeinschaften? Und: Was bedeutet die Insolvenz der „FR“ für die deutsche Medienbranche?

Für die „FR“-Belegschaft heißt es: Aufgeben gilt nicht – jedenfalls nicht so schnell. Die Mitarbeiter suchen nach dem Insolvenzantrag ihres Verlags „mit allem Nachdruck Möglichkeiten, das Erscheinen des Blattes dauerhaft zu sichern“. Womöglich stellt ein Genossenschaftsmodell für das defizitäre Blatt nach dem Vorbild der „taz“ eine Alternative dar.

Man sei jedoch auch auf die Treue der Leser angewiesen, heißt es in einer Erklärung auf der Titelseite am Mittwoch. „Es ist nicht das Ende der ,Frankfurter Rundschau‘“, verspricht die. Und klingt dabei zweckoptimistisch: „Wir werden Ihnen weiterhin jeden Tag eine Zeitung nach Hause oder an den Kiosk liefern, die lohnt, gelesen zu werden.“ Bis Ende Januar 2013 hat der Insolvenzverwalter Zeit, einen Investor zu finden. Wie die Belegschaft helfen kann, das Wunder zu schaffen, ist unklar.

Bei der „taz“ wurde das Genossenschaftsmodell 1992 eingeführt, aktuell sichern 12 000 Mitarbeiter und Leser mit ihren Einlagen – 500 Euro oder ein Vielfaches – die Unabhängigkeit der linksalternativen Zeitung. „Die Frage, ob sich ein solches ,Modell‘ auf die ,FR‘ übertragen ließe, müßten zuallererst die Mitarbeitenden der ,FR‘ beantworten“ , sagte „taz“-Chefredakteurin Ines Pohl und ergänzt: „Besser wäre die Entscheidung schon 2001 gefallen, als noch mehr Substanz vorhanden war.“

Komplett ausschließen will der Dortmunder Zeitungsforscher Horst Röper solche Genossenschaftsmodelle jenseits der „taz“ nicht, für die „Frankfurter Rundschau“ sei es jedoch kaum vorstellbar. „Die ,taz‘ ist seinerzeit bei Null gestartet, die Beschäftigten haben für 1000 Mark monatlich gearbeitet. Die ,Rundschau‘ kommt hingegen von einem ganz anderen Niveau“, sagt Röper. Bei der Suche nach einer dritten Einnahmequelle neben Werbung und Verkauf müsse über staatliche Förderungen oder Stiftungsmodelle nachgedacht werden. Ob dies der „Frankfurter Rundschau“ noch hilft, da ist Röper skeptisch. Aber es könne sein, dass die „FR“ immerhin das Signal zum Umdenken gibt.

Der Leipziger Zeitungsforscher Michael Haller glaubt ebenfalls nicht an die Genossenschaftsidee. „Die ,Rundschau‘ ist ein klassisch kalkuliertes Produkt. Als Genossenschaftszeitung wie die ,taz‘, die nahezu ohne Anzeigen auskommt, müsste die ,FR‘ den Abopreis massiv raufsetzen. Das ist selbst mit den treuen FR-Lesern nicht zu machen.“ Chancen sieht Haller für die „Rundschau“ als „tougher und fetziger Regional- und Lokalteil“, und zwar zusammen mit der „taz“, die die Zeitung übernimmt und den Mantelteil liefert und dafür zu einer neuen Stimme im Zeitungsmarkt des Rhein-Main-Gebiets werde, vorausgesetzt, genügend „FR“-Abonnenten ziehen mit.

Stichwort Redaktionsgemeinschaft: Das Aus für die „Frankfurter Rundschau“ kann nach Ansicht des Betriebsrates Folgen für die „Berliner Zeitung“ haben. „Wenn die ,FR‘ eingestellt werden sollte, würde die gemeinsame Mantelproduktion keinen Sinn mehr machen“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Marcel Bathis am Mittwoch in Frankfurt/Main. „Das hätte massive Auswirkungen auf die bisherigen Redaktionsgemeinschaften.“ Seit 2011 wird der Mantel der „Frankfurter Rundschau“ von der MDS-Redaktionsgemeinschaft in Berlin produziert, zusammen mit den überregionalen Seiten der „Berliner Zeitung“.

Bathis bekräftigte aber gegenüber dem Tagesspiegel, dass das Genossenschaftsmodell nur eines von vielen Gedankenspielen sei. Zugleich müsse nach einem möglichen Investor gesucht werden, der Erhalt möglichst vieler Arbeitsplatze oder die Frage nach der Verwertung einzelner Teile des Verlages wie der Druckerei gehörten ebenfalls dazu. „Es gibt keinen Königsweg.“

Der Verlag, der zur Kölner DuMont-Schauberg-Gruppe und der SPD-Medienholding DDVG gehört, hatte am Dienstag den Insolvenzantrag gestellt. Sollte kein geeigneter Käufer oder kein neues Modell für die linksliberale Zeitung gefunden werden, muss der Betrieb spätestens Ende Januar 2013 eingestellt werden. Bis dahin sind Löhne und Gehälter durch das Insolvenzgeld abgesichert. Insgesamt sind 487 Mitarbeiter betroffen.

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