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Neulich bei Maischberger. Über „Kopftuch und Koran“ stritten Islam-Prediger Pierre Vogel und Peter Scholl-Latour. Kritiker werfen ARD/ZDF vor, provokante Filme und Themen wie das politische Versagen bei der Integration oft im Nachtprogramm zu versenden. Foto: WDR

© WDR/Max Kohr

Integrations-Debatte: Das islamische Wort

In deutschen Rundfunkräten gibt es kaum Ausländerbeauftragte. Warum eigentlich?

Langsam ebbt die von Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ angestoßene Integrations-Debatte in den Medien wieder ab. Eine gute Gelegenheit, zu fragen, wie es eigentlich um die Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens bestellt ist, was die Integration der Migranten betrifft. Braucht gesellschaftliche Relevanz nicht auch eine Verankerung in den Rundfunk- und Fernsehräten dieser Republik, die als Programmkontrolle und Aufsichtsorgane sozusagen den Kern des öffentlich-rechtlichen Auftrags bilden?

Dass die mehr als 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland eine gesellschaftlich relevante Gruppe darstellen, dürfte niemand bestreiten. Der ZDF-Fernsehrat beispielsweise hat aber weder einen Vertreter der Muslime noch der Migranten in seinen Reihen. Das mag überraschen, schließlich werden über die 77 Mitglieder des Fernsehrates selbst die Belange des Tierschutzes, des Deutschen Landkreistages oder der Opfer des Stalinismus ad personam vertreten. Nach Angaben des Sekretariates ist die Zusammensetzung des ZDF-Fernsehrates seit Sendergründung 1961 nahezu unverändert. An die Aufgabe der Vertretung einer gesellschaftlich relevanten Gruppe im Gremium kann sich keiner erinnern. Die größte Aufstockung fand im Nachgang zur Deutschen Einheit statt. Vertreter der neuen Länder kamen hinzu, Vertreter der Opfer des Stalinismus, des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland und des Naturschutzbundes Deutschland fanden Aufnahme.

Vom Procedere her muss sich eine Organisation an die Rundfunkkommission der Länder wenden, mit einer Liste von drei infrage kommenden Persönlichkeiten. Die Rundfunkkommission und am Ende die 16 Ministerpräsidenten der Länder befinden über die Aufnahme des Verbandes und berufen die Person, die diesen Verband im Fernsehrat vertritt. Derartige Vorschläge von Migranten-Organisationen habe es bislang nicht gegeben. Daraus seien keine Rückschlüsse auf ein vermeintliches Desinteresse des Gremiums zu ziehen, heißt es aus dem Sekretariat. Die Themenfelder, die insbesondere die Muslime oder Migranten betreffen, würden im Gremium oder in Ausschüssen besprochen – auch ohne institutionalisierte Stichwortgeber. Schließlich seien auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, CDU-Staatsministerin Maria Böhmer, oder Grünen-Chef Cem Özdemir Mitglieder im Fernsehrat.

Anders sieht es beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) aus. Dort gehört Suat Bakir seit 2002 dem 30-köpfigen Rundfunkrat an, seit 2005 als stellvertretender Vorsitzender. Der Geschäftsführer der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer vertritt als „Ausländerbeauftragter von Berlin und Brandenburg“ die ausländische Bevölkerung der beiden Länder. Dass der RBB mit Radio Bremen, SWR, WDR und HR in dieser Hinsicht eher eine Ausnahme unter den neun ARD-Rundfunkanstalten bildet, kann Bakir nicht nachvollziehen. „Nach fast einem halben Jahrhundert neuerer Einwanderungsgeschichte sollten in allen Bundesländern die Staatsverträge den Realitäten angepasst werden.“

Bakir weiß natürlich, dass damit die Belange der Migranten in den Medien deutschlandweit nicht automatisch besser zur Geltung kommen. Vielleicht hilft eine Stiftung Medientest, deren Gründung Ernst Elitz wieder ins Gespräch gebracht hat. Eine unabhängige Beurteilungsinstitution, so der Gründungsintendant des Deutschlandradios, könnte ARD und ZDF Mut machen, jenseits von Gremienbetulichkeit provokante Themen wie das politische Versagen bei der Integration in der Primetime zu präsentieren und sie nicht wie das Neukölln-Drama „Knallhart“ oder „Hart aber herzlich – eine türkische Lehrerin gibt auf“ zur Geisterstunde zu versenken. Hätten die quotenstarken Massenprogramme diesen Aufklärungsauftrag erfüllt, so Elitz, wäre Thilo Sarrazin uns erspart geblieben.

Vielleicht könnte, gerade mit und nach Sarrazin, auch das Beispiel des Südwestrundfunks (SWR) Schule machen. Dort läuft seit 2007, angeregt vom damaligen SWR-Intendanten Peter Voß, einmal im Monat im Internet das „Islamische Wort“. Was die Vertretung des Zentralrats der Muslime in Rundfunkräten betrifft, sagt der neue Vorsitzende Aiman Mazyek: „Wir stehen bereit.“

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