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© Mike Wolff

Internet: Nächste Anlegestelle Literaturport

Ein ruhiger Hafen im bewegten Internet: Ein preisgekröntes Internetportal aus Berlin und Brandenburg.

"Manchmal brauche ich Ruhe – verdammt noch mal! Aber Zeit habe ich auch nicht viel und immer Sehnsucht nach Orten, die denen meiner Kindheit wenigstens ähneln. Glücklicherweise gibt es – nicht weit weg von meiner Bude in der Weddinger Malplaquetstraße, gerade dort, wo die Mauer den westlichen Norden Berlins von der östlichen Mitte trennte...“ So beginnt die Berliner Schriftstellerin Katja Lange-Müller ihren literarischen Spaziergang „Auf der Grenze“. Für Literatur, die den Leser an Grenzen und andere Orte mitnimmt, gewann Literaturport.de vergangene Woche den renommierten Grimme Online Award 2008. Die "Literatouren“ und die "Literaturlandschaften“ sind die Highlights dieser Internetseite, auf der Berliner Autoren an Lieblingsorte führen, Einträge im "Autorenlexikon“ zu ihrer Person verfassen und aus ihren Texten vorlesen.

"Wir bilden Berliner Literaten ab. Es geht um die vielen kleinen Autoren, um die Präsentation ihrer seriösen und feinen Qualität“, beschreibt Ulrich Janetzki, Geschäftsleiter des Literarischen Colloquiums Berlin das Anliegen des Online-Projekts. Es gehe darum, nicht nur Mittler zwischen Autor und Publikum zu sein, sondern den Autoren ein Forum für ihre Arbeit zu bieten: "75 bis 80 Prozent der Berliner Verlage sind Kleinverlage. Für diese rund 180 Verlage wollen wir etwas tun.“ Die Schriftsteller können unter "Preise und Stipendien“ sich und ihre Arbeit vorstellen sowie wichtige aktuelle Informationen über Förderpreise und Stipendien bekommen.

Wo schon die "Gruppe 47" tagte

Im Garten einer alten Wannseevilla am Sandwerder. Ulrich Janetzki und Claudia Schütze, Projektleiterin von Literaturport.de, sitzen nebeneinander, zwischen ihnen der gerade gewonnene Preis, eine schlichte schlanke Plexiglas-Skulptur. Das Haus am Wannsee blickt auf eine lange Literatur-Tradition zurück. 1962 habe hier die "Gruppe 47“ getagt, erinnert Janetzki an die Bedeutung der Schriftsteller um Hans-Werner Richter, Heinrich Böll oder Hanns Magnus Enzensberger, die nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs neue Wege gehen wollten. Seit 1963 residiert in diesem Haus das Literarische Colloquium Berlin. Seit Juli 2006 ist der Literaturhafen ein gemeinsames Vorhaben des Brandenburgischen Literaturbüros und des Literarischen Colloquiums Berlin. "Wir planen noch für diesen Sommer die Erweiterung um fünf Routen“, sagt Claudia Schütze. So sollen auch die Landschaften Brandenburgs bald zu literarischen Spaziergängen einladen. Der Besucher findet auf literaturport.de also keine netzgewordenen Regalmeter Literatur, sondern die virtuelle Erweiterung von real geschriebenen Texten.

Den Grimme Online Award hatte der Literaturport in der Rubrik "Kultur und Unterhaltung“ gewonnen. Aus 1900 Vorschlägen waren 19 Nominierungen ausgewählt worden. Die Jury prämierte schließlich sieben Online-Angebote in den Kategorien "Information“, "Wissen und Bildung“, "Kultur und Unterhaltung“ und „Spezial“ sowie einen Publikumspreis. An Literaturport gefiel der Jury vor allem die "webgerecht konzipierte Schnittstelle zwischen Autoren und Lesern“.

Sieben Rubriken führen den Suchenden auf Literaturport.de zu historischen und zeitgenössischen Literaten, ihren Epochen und Zeitgenossen ("Autorenlexikon“). Eine Suchfunktion hilft bei der Recherche nach Autoren und ihren Werken (über den Alphabet-Modus). Das Karten-Tool "Literaturlandschaften“ zeigt Orte und Gegenden in Berlin und Brandenburg, wo Literatur zu erleben ist, dazu Museen und Veranstaltungsorte. Die "Literatouren“ werden ebenfalls durch Karten illustriert, hier liefert Google-Maps die Grafiken. Als technische Finesse kommen MP3-Hörproben der "Autorentöne“ hinzu. Professionelle Sprecher lesen aus publizierten und unveröffentlichten Werken.

Literaturtipps von Prominenten

Der Veranstaltungskalender und die wöchentlichen "Leselampe“-Literaturtipps von Prominenten wie Wolfgang Thierse oder Monika Griefahn runden das Angebot ab. Für Janetzki gehen "Leser, Autoren und Literaturgeschichte“ eine Verbindung ein – eine Einladung, das "Umland von Literatur“ zu erkunden. "Wie eine Anlegestelle“, sagt Claudia Schütze. Auf die Namensfindung der Seite angesprochen, erläutert sie: "Das war ein gemeinsames Suchen, denn das 'Literaturportal‘ war schon vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach besetzt.“ Also wurde aus Portal einfach Port, wie Hafen oder eben Anlegestelle.

Auf Literaturport.de finden sich Quereinsteiger und Etablierte: Judith Hermann, die zunächst ohne Abschluss studierte und eine Medienausbildung absolvierte, erkundet in "Spazieren.Gehen“ den Rand des Prenzlauer Bergs. Lutz Seiler, Zimmermann und Germanist, wird neben Günther DeBruyn auf neuen "Literatouren“ nach Brandenburg führen. "Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis dies ein bundesdeutsches Portal sein wird“, blickt Ulrich Janetzki in die Zukunft.

www.literaturport.de

www.berlinerzimmer.de

www.literaturportal.de

Hans-Christian Roestel

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