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Internetsperren: Verstehen Sie Spaß, Herr Schäuble?

Eine Satireseite über Netzsperren hat die Website des Bundesinnenministeriums parodiert. Dort fand man das nicht lustig.

Man könnte sich Innenminister Wolfgang Schäuble vorstellen, wie er auf einem Streifzug durchs Internet, nichts Böses ahnend, auf einer vermeintlich offiziellen Seite seines Ministeriums landet und dort begrüßt wird mit "Sehr geehrter Gefährder" und den Worten: "Die Seite, die Sie aufrufen wollen, ist gesperrt." Ob er den Spaß verstehen würde? Anscheinend nicht, denn eine entsprechende Seite wurde auf Betreiben des Innenministeriums in der vergangenen Woche aus dem Netz genommen.

Sie war das Werk von Thorsten Förster, einem Blogger, der mit seiner Parodie gegen die Bestrebungen der Bundesregierung protestieren wollte, den Zugang zu Internetseiten zu sperren, wenn dort kriminelle Inhalte lagern. So hieß es etwa in der Parodie: Die Seite enthalte "südländisch wirkende Gebete" oder "kritische Anmerkungen zur Politik der Regierung".

Provider löscht Parodie

Große Verbreitung fand die Satire nicht – bis das Ministerium sie entdeckte. Am vergangenen Dienstag verschwand die Parodie über Netzsperren plötzlich selbst aus dem Netz. Ohne Vorwarnung an den Betreiber löschte sie der Provider. Über die Gründe schwieg er sich zunächst aus, inoffiziell hieß es, die Sperrung sei auf "Bitte des Innenministeriums" erfolgt.

Auf Nachfrage dementiert das Bundesinnenministerium (BMI), Drahtzieher der Aktion zu sein. Vielmehr sei das Bundesverwaltungsamt (BVA) für den Internetauftritt verantwortlich. Tatsächlich ging ein Schreiben des BVA an den Provider mit der Bitte, die Satireseite umgehend zu sperren, da diese die Originalseite des Ministeriums "nachahme". Für die rechtliche Beurteilung dieses Sperrwunsches aber will man beim BVA nicht zuständig sein, die habe das BMI zu verantworten.

Verwirrend. Erst der Provider bringt ein wenig Licht ins Dunkel. In einer öffentlichen Stellungnahme rechtfertigt er sein Vorgehen und konkretisiert die Vorwürfe: Insbesondere die nicht autorisierte Verwendung des Logos sei rechtswidrig, zumal die satirische Verwendung "nicht zwangsläufig" identifizierbar sei. Mit anderen Worten, wer Seiten des Innenministeriums nachmacht oder nachgemachte Seite in Umlauf bringt, macht sich strafbar. Man sei "im Rahmen der sogenannten Störerhaftung" gezwungen, hieß es, Inhalte aus dem Netz zu nehmen, sobald man erfahre, dass sie rechtswidrig seien. Man habe sich zu einer schnellen Reaktion entschieden, um "existenzbedrohende Maßnahmen" zu vermeiden, beispielsweise eine Beschlagnahmung der Server.

Keine Rechtswidrigkeit

Dabei klingt das Fax des Bundesverwaltungsamtes eher harmlos. Darin steht nichts von einer Rechtswidrigkeit. Man "bat" lediglich darum, die Seite zu sperren, da dort "der Internetauftritt des Bundesministeriums des Inneren nachgeahmt" werde. Eine ausführliche Begründung, geschweige denn eine rechtliche Handhabe gibt es nicht.

Der Gehorsam des Providers erspart dem BVA eine Überprüfung der rechtlichen Grundlage sogar. Zwar ist es verboten, Hoheitszeichen des Bundes zu missbrauchen, doch handelt es sich eher um eine bußgeldpflichtige Ordnungswidrigkeit. Außerdem steht und fällt der Vorwurf der "Nachahmung" mit der Tatsache, ob es sich bei der Seite um offensichtliche Satire handelt oder nicht. Ob die Satire wirklich zu subtil war, um von Jedermann als solche erkannt zu werden, dürfte im Auge des Betrachters liegen. Und im Zweifel hätte ein Gericht dies zu prüfen.

Der Fall zeigt, welchen Einfluss der Staat schon jetzt auf Provider hat. Rechtlich ist weder dem Provider noch dem BVA ein Vorwurf zu machen, auch wenn die Grundlage, auf die sich das Schreiben stützt, dünn ist. Allerdings dürfte das Prozedere all jenen als Bestätigung dienen, die befürchten, Sperrlisten für Kinderpornografie-Seiten seien nur der Wegbereiter für eine Zensur unliebsamer Inhalte.

"Diese Seite enthält Witze, die wir nicht verstehen"

Um Zensur geht es in diesem Fall wohl nicht, dürfen Hoheitszeichen doch tatsächlich nicht verwendet werden. Den Vorwurf der Humorlosigkeit aber wird sich das Ministerium wohl gefallen lassen müssen. Hat es sich doch genau so verhalten, wie die Satireseite es ihm unterstellte. Stand dort doch als Sperrgrund: "Diese Seite enthält Witze (sogenannte Satire), die wir nicht verstehen".

Blogger Förster hat sie nun überarbeitet und von Hoheitszeichen und Verlinkungen zur Original-Website befreit. Außerdem prangt nun ein deutlich sichtbarer Hinweis darauf, "Vorsicht Satire". Seit Freitag ist die neue Version wieder online.

Aufmerksamkeit ist ihm nun sicher, allerdings auch "einige üble Nachgeschmäcker", wie er schreibt. Ihm sei es unverständlich, wieso "es Sperrlisten und neue Gesetze braucht, um unbestreitbar schwerstkriminelle Inhalte unzugänglich zu machen, wenn es ein paar Minuten dauert, harmlose Satireseiten mit wenigen Klicks am Tag vom Netz zu nehmen". (Zeit Online)

Daniel Schlicht

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