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Der Satiriker Jan Böhmermann, 32.

© dpa

Interview: Jan Böhmermann über Scheitern als Chance

Dankbare Gebührenzahler, Angela Merkel, Harald Schmidt und seine eigene Politshow - ein Gespräch mit dem Satiriker Jan Böhmermann.

Herr Böhmermann, auf dem Studioschreibtisch Ihrer neuen Sendung steht ein Foto von Gerhard Löwenthal, der mit seinem „ZDF-Magazin“ in den 1970er und 80er Jahren als Inbegriff des konservativen öffentlich-rechtlichen Rundfunks galt. Was haben Sie mit ihm gemeinsam?

Ich habe mir im ZDF-Archiv tagelang Löwenthal-Sendungen angeschaut. Mich fasziniert diese Haltung, die früher in TV-Magazinen möglich war: Wir sind das Fernsehen, was wir sagen, ist richtig! Das hatte Autorität und Selbstbewusstsein, nicht diese defensive „Wir-müssen-uns-vor-dem-Gebührenzahler-rechtfertigen“-Haltung. Der Gebührenzahler soll sich gefälligst vor mir rechtfertigen! (lacht) An sich habe ich nichts mit Löwenthal gemeinsam. Schon gar nicht seine bewegte Lebensgeschichte.

Wie wird das „Neo Magazin“ ablaufen?

Es wird ein oder zwei Gäste geben. Die Sendung wird donnerstags vor 120 Zuschauern live-on-tape aufgezeichnet und um 23 Uhr am gleichen Tag gezeigt. Wir werden aktuelle Themen verarbeiten, es könnte lustig werden. Eigentlich eine ganz normale Late-Night.

Was war noch mal Late-Night?

Das weiß ich auch nicht. Ich hab den Ausdruck gerade zum ersten Mal seit Langem wieder benutzt. Das fühlt sich jetzt fast so an, als mache man das Fenster in einem Raum auf, der seit 20 Jahren nicht mehr gelüftet wurde. Hierzulande ist Late-Night ja eher ein scheintotes Genre, das formell und inhaltlich den neunziger Jahren hinterherläuft. Für das „Neo Magazin“ bin ich mit meinen beiden Powerproduzenten Philipp Käßbohrer und Matthias Schulz für zwei Wochen durch Amerika gereist und habe mir die erfolgreichsten aktuellen Late-Night-Produktionen angeschaut, auch hinter den Kulissen.

Sie haben gesagt, ihre Sendungen oszillierten zwischen völligem Mist und sehr gut. Wie viele Gags gehen im Schnitt daneben?

Ich würde sagen, wenn jeder zweite Gag sitzt, ist das schon sehr gut. Nicht das ganze Pulver in der Digitalsparte verschießen. Es muss ja noch Steigerungsmöglichkeiten geben, wenn ich nächstes Jahr „Wetten, dass..?“ und den „ZDF-Fernsehgarten“ übernehmen darf. Nicht wahr, Herr Programmdirektor?

Ist das richtig, dass Scheitern immer auch eine gewisse Schönheit hat?

Ja. Das Scheitern vor der Kamera ist eine besonders tiefe Verbeugung vor dem Zuschauer. Und hinter den Kulissen mit einem Projekt zu scheitern, ist immer der größtmögliche Ansporn, es beim nächsten Mal besser zu machen. Ohne Scheitern wird es nicht besser.

Der schönste Unterschied zwischen ARD und ZDF?

Dass das ZDF, Adenauer sei Dank, zentralistisch organisiert ist, so dass Dinge entschieden werden. Entscheidungen sind enorm wichtig. Besser irgendwas entscheiden als gar nichts. In der ARD ist es wie bei einem Treffen der EU-Finanzminister: immer alles im Konsens. Bis da alle Anstalten und alle Gremien ihre Meinung zu etwas gesagt haben, sind die hippen Jugendlichen, für die man einen peppigen Kanal gründen möchte, 74, ohnehin mitten in der ARD-Kernzielgruppe.

Auf der nächsten Seite lesen Sie, ob Jan Böhmermann gerne mit Harals Schmidt tauschen würde.

Der Satiriker Jan Böhmermann, 32.
Der Satiriker Jan Böhmermann, 32.

© ZDF

Sie haben drei Jahre lang im Team von Harald Schmidt gearbeitet. Wären Sie manchmal gern an seiner Stelle?

Finanziell jederzeit, künstlerisch lieber nicht: Der Quotendruck bei Sky soll ja mörderisch sein. Ich bin auch froh, nicht dieser verlorenen „Das ist die neue Harald Schmidt“-Showmastergeneration anzugehören. Welche irren Borderlinepersönlichkeiten da schon als das junge neue Gesicht der intelligenten deutschen Fernsehunterhaltung ausgerufen wurden.

Sie sagen, Sie hätten bei Schmidt Disziplin gelernt. Was sonst noch?

Sich gut vorzubereiten, nichts dem Zufall zu überlassen. Seine Mitarbeiter gut zu behandeln und ein gutes Betriebsklima zu schaffen. Und freundlich aber bestimmt alle wegzubeißen, die einem im Weg sind. Beruflich ein Arschloch, privat wirklich sehr nett. Das hat man ja auch über den Führer gesagt.

Wie viele brillante Denker kommen Sie aus Bremen-Nord, wie Jürgen Trittin, Benjamin Stuckrad-Barre, Walter Momper und Kultusminister Bernd Neumann.

Bernd Neumann! Mit dem hatte ich mein erstes großes Interview mit 17 Jahren für Radio Bremen. Er war Vorsitzender der Bremer CDU, ich hatte die Hosen voll. Ich kam in sein Büro mit gepolsterter Tür, auf dass nichts von dem, was wir sagten, nach draußen dringen könnte. Dann lag auf seinem Schreibtisch ein Dossier über mich und meinen bisherigen Werdegang. Nicht zu fassen.

Was hat Bremen-Nord mit dem zu tun, was Sie heute sind?

In Bremen-Nord lernt man Social Hopping. Das ist ein irre wichtiges Managementskill. Das kann man für viel, viel Geld an Businessschools lernen, oder man wächst einfach in Bremen-Nord auf. Als Sohn aus einem einfachen Beamtenhaushalt hat man barrierefreien Zugang zu gesellschaftlichen Schichten, die anderen Halbadeligen verschlossen bleiben.

Ihre beste Absturzkneipe in Bremen?

Ich trinke keinen Alkohol.

Was verdanken Sie Radio Bremen?

Eigentlich alles. Bei Radio Bremen hab’ ich gelernt, dass man keine Kohle braucht, um gute Ideen zu haben. Der Sender ist klein, arm, aber flexibel und kreativ. Allein das legendäre Radio-Bremen-Lokalmagazin „Buten un Binnen“, von dem habe ich gelernt, was richtig guter Lokaljournalismus ist.

Wenn man ihr Buch „Alles, alles über Deutschland“ liest, spürt man, dass Sie studierter Historiker und Soziologe sind. In welcher Epoche hätten Sie gerne gelebt?

1905.

Warum?

Weil da die Polizisten glänzende Piekser auf ihren Helmen hatten.

Was meinen Sie, was die Deutschen im Moment am meisten beschäftigt?

Was gibt’s heute Abend im Fernsehen? Ist das Langstreckenticket für den Bus um zehn Cent erhöht worden? Hast du gesehen, dass es bei McDonald’s jetzt „Zwei für zwei Euro“ gibt? Das hier, Sie, ich, die Leser, das ist ja nicht die Realität. Wir leben in der Blase, nicht die anderen.

Was würden Sie eigentlich Angela Merkel beim Kanzlerduell fragen?

Ehrlich, sie ist privat bestimmt total nett und riecht auch gut und so. Aber man möchte sie eigentlich nichts fragen. Vielleicht genau das: „Woran liegt es, dass ich Sie überhaupt nichts fragen möchte? An Ihnen oder an mir?“

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