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„Abwärts“ in Magdeburg. Ihre zweite „Polizeiruf 110“-Arbeit zeigen Claudia Michelsen und Sylvester Groth am Sonntag um 20 Uhr 15 in der ARD. Michelsen spielt Hauptkommissarin Doreen Brasch, Groth ihren Kollegen Jochen Drexler. Foto: imago

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Interview Claudia Michelsen/Sylvester Groth: „Sie macht ihres, ich mach meins. Und dann knallt es“

Fahnderduo im "Polizeiruf 110" aus Magdeburg: Claudia Michelsen und Sylvester Groth: Zwei Schauspieler im Gespräch über Krimis und Dreharbeiten, ihre Kommissare und das Publikum.

Frau Michelsen, Herr Groth, für Ihren ersten gemeinsamen „Polizeiruf“ gab's ja gleich richtig Dresche. Alles gut verdaut?

GROTH: Davon hab ich gar nichts mitbekommen. Außerdem ist es doch ganz normal, dass sich die Leute erst einmal gewöhnen müssen. Wir werden die Leute davon überzeugen, dass es sich lohnt, diesen interessanten Figuren zu folgen.

War vielleicht etwas falsch am ersten „Polizeiruf“ aus Magdeburg? Oder sagen wir: übertrieben?

GROTH: Falsch war nichts. Wir sind vielleicht, was die Figuren betrifft, etwas sperriger als andere. Unsere Kommissare sollen die Chance haben sich zu entwickeln. Man muss doch die Leute überraschen, damit es spannend bleibt.

Und Sie, Frau Michelsen, auch nichts mitbekommen?

MICHELSEN: Doch, eine gewisse Unruhe. Aber mir ist immer noch lieber, dass wir anecken, als dass uns alle wahnsinnig nett finden. Der erste „Polizeiruf“ hatte eine Haltung. Und er war vielleicht etwas unbequem. Manche mochten das nicht. Ein Problem ist, dass in Deutschland unglaublich schnell ein negatives Urteil gefällt wird, statt mit Respekt vor der Arbeit neugierig zu bleiben. Auch wenn man es dann nicht mag. Aber: Es gab auch sehr viele sehr positive Reaktionen.

War Ihnen klar, dass die Kritik kontrovers ausfallen würde?

MICHELSEN: Nein, so etwas plant man ja nicht ein. Aber dass das Thema Rechtsradikalismus unbequem ist, wussten wir natürlich vorher.

GROTH: Wenn jemand nach diesen 90 Minuten sagt, haben wir es doch gewusst, Magdeburg ist die Nazi-Hochburg Deutschlands, dann ist das natürlich totaler Quatsch. Magdeburg ist eine schöne Stadt mit ganz normalen Menschen – damit das auch mal gesagt ist.

Magdeburg ist also nicht die Hauptstadt der Depression?

GROTH: Da gibt es schlimmere Orte, das kann ich Ihnen sagen. Viel schlimmere.

MICHELSEN: Das Wunderbare ist, dass wir beginnen, eine Reise in eine Stadt zu unternehmen, die viele überhaupt nicht kennen. Aber unabhängig davon machen wir ja keinen Werbefilm für Magdeburg. Die rechte Szene, mit der wir uns beschäftigt haben, ist nur ein Thema von vielen, das so eine Stadt beschäftigt, aber ein Thema, über das zu reden notwendig ist.

GROTH: Der Rechtsradikalismus ist eines der wichtigsten Themen in unserer Republik. Und ich finde es gut, wenn wir dazu beitragen konnten, dass darüber diskutiert wird. Das Thema hat viele Implikationen. Es geht zum Beispiel auch um Geld. Geld, das für Bildung ausgegeben werden müsste, das aber fehlt. Und Menschen, die keine Bildung haben, werden schnell Opfer dieser einfachen Ideologien. Da kann man nicht oft genug auf den Busch klopfen.

Hatten Sie ein thematisches Mitspracherecht, als Sie gefragt wurden, ob Sie den „Polizeiruf 110“ machen wollten?

GROTH: Da überschätzen Sie uns gewaltig. Die Konzepte entwickeln andere.

MICHELSEN: Man kann ja oder nein sagen. Und später vielleicht ein paar Ideen einbringen und auf gute Bücher hoffen.

Fühlen Sie sich in und mit Ihren Figuren wohl?

GROTH: Für mich ist es das, was ich mir vorgestellt habe.

MICHELSEN: Ich erschrecke immer ein bisschen vor dem Begriff „Wohlfühlen“. Das ist mir zu nahe an Bequemlichkeit. Und bequem dürfen wir es uns nicht machen. Aber ja, ich mag die Brasch. Ich hab ’ne gute Zeit mit ihr.

Was ist so schlimm am Wohlfühlen?

MICHELSEN: Mich treibt die Angst, dass ich dann die Neugier verlieren könnte. Ich möchte wach und neugierig bleiben. Und ich brauche Widerstand. Aber vor allem muss ich mich auch selber überraschen können. Sonst langweile ich mich.

Es müssen immer ein paar Glasscherben vor dem nächsten Schritt liegen?

MICHELSEN: Ganz so schlimm ist es nicht. Ich habe ja Sylvester. Er überrascht mich die ganze Zeit. Mit ihm passieren Dinge, die ich nicht erwartet habe. Die so nicht direkt im Drehbuch stehen. Das ist es, was mir einen Riesenspaß bereitet.

Sie sorgen also dafür, dass sich die Kollegin Brasch auf keinen Fall wohlfühlt, oder, Herr Groth?

GROTH: So ist es. Die Verabredung ist: Sie macht ihres, ich mach meines, und dann sehen wir, wo es knallt. Jeder ist autonom. Und dann muss man eben zusehen, wie man die Szene zu Ende bringt. Ein gemeinsamer Gedanke, zwei unterschiedliche Wege, so könnte man es sagen. Offenbleiben, das ist es. Man weiß doch im Leben nie, wo etwas hinführt.

MICHELSEN: Und das ist einfach großartig!

Hört sich nach idealem Arbeitsplatz an. Dabei hört man doch immer, die Arbeitsbedingungen beim Fernsehen würden immer schlechter.

MICHELSEN: Ja, das stimmt. Kreativität steht leider kaum noch im Vordergrund. Sicher, wir hätten gerne auch mehr Zeit. Aber ich halte nichts von Jammern. Das bringt nur schlechte Energie und zieht mich runter. Das brauche ich nicht.

Sie beide sind die Stars des „Polizeirufs“ aus Magdeburg. Sie dürfen sogar schwierig sein. Sind Sie schwierig?

GROTH: Schwierig wird es doch erst, wenn der gegenseitige Respekt fehlte oder geschludert würde. Dann würde es schwierig, weil ich sagen würde, das und das will ich nicht. Weil es darum geht, gute Arbeit abzuliefern. Das ist der Kern.

Sind Sie schwierig für Ihre Kollegen, weil Sie so hohe Ansprüche haben?

MICHELSEN: Was sind hohe Ansprüche? Dass alle ihre Arbeit erledigen, ihre Hausaufgaben machen und wissen, was sie tun? Das sind für mich Grundvoraussetzungen für professionelles Arbeiten. Das gibt uns dann wieder den Raum, kreativ zu sein. Ich kann nur sagen: Wir haben in Magdeburg ein großartiges Team.

GROTH: Wir haben alles, was wir brauchen. Um uns wird sich rührend gekümmert. Die Arbeitsbedingungen sind perfekt. Wenn sie es nicht wären, dann muss man stopp! sagen.

Geht das denn?

GROTH: Das geht. Man kann es lernen.

Und wie lernt man das?

GROTH: Indem man es einfach macht.

Haben Sie es schon gemacht?

GROTH: Ja, hab ich. Schön war es nicht. Aber wenn es darum geht, dass am Ende etwas herauskommt, was die Leute im Kino oder im Fernsehen bewegen soll, dann muss man alles geben. Von dem Stress, der während einer Produktion auftreten kann, darf der Zuschauer nichts sehen. Alles andere ist unwichtig.

Erkennt das Publikum, ob ein „Polizeiruf“ gut oder schlecht ist?

MICHELSEN: Natürlich. Das Publikum ist viel klüger, als wir alle glauben. Ich traue dem Publikum alles zu.

GROTH: Was ist denn „das Publikum“? Die Quote als Maßstab für Publikum gaukelt uns vor, da säßen Millionen als Masse vor dem Fernseher. Dabei sind das doch alles einzelne Individuen. Ich kann deshalb mit dem Begriff Publikum nur wenig anfangen.

Was bedeutet Ihnen Erfolg?

MICHELSEN: Ich freue mich, wenn Menschen mit einer Arbeit, an der mir etwas liegt, etwas anfangen können. Wenn sie berührt werden oder es sie nachhaltig irritiert und beschäftigt.

GROTH: Dazu kann ich Ihnen leider nicht viel sagen. Aber ich kann Ihnen sagen, worum es mir bei meiner Arbeit geht: um die größtmögliche Freiheit. Ich will als Schaupieler interessieren, nicht gefallen. Das ist ein großer Unterschied.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

"Polizeiruf 110: Abwärts", ARD, Sonntag, 20 Uhr 15

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