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Thomalla

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Interview: ''Die Rolle war eine Punktlandung''

Simone Thomalla spielt die Kommissarin Saalfeld im Leipziger "Tatort". Ein Gespräch über ihren Partner Martin Wuttke, Angela Merkel und ihr Familienleben.

Frau Thomalla, Sie husten. Sind Sie krank?

Ich glaube, ich vertrage das Großstadtleben nicht mehr. Aber keine Sorge, das wird schon wieder. Beides. Das mit dem Husten und das mit der Großstadt.

Stimmt es denn eigentlich, dass Sie es waren, die sich Martin Wuttke als Ihren Kollegen für den Leipziger „Tatort“ ausgesucht haben?

Ausgesucht ist nicht das richtige Wort. In den Castings sind viele Kollegen „durch meine Hände" gegangen, und dann war es für den Sender und auch mich klar: Martin und ich werden ein Paar.

Sie haben irgendwann gesagt: der oder keiner?

Nein, aber er war derjenige, der mich beim Spielen am meisten überrascht hat. Es war so angenehm unberechenbar, mit ihm zu arbeiten. Es gibt Kollegen, bei denen weißt du, was kommt. Wenn im Drehbuch zum Beispiel die Anweisung „lacht“ steht, dann kann man in der Regel davon ausgehen, dass „lacht“ auch umgesetzt wird. Bei Martin wird wahrscheinlich alles andere auf dem Plan stehen, nur „lacht“ wird nicht dabei sein. Das macht die Zusammenarbeit spannend.

Der Mann ist im „Tatort“ ein eher schwieriger Typ?

Ja, das ist Keppler, aber dabei sehr liebenswert. Und Eva mag diese gewisse Querulanz. Sie ist eher ein Bauchmensch, jemand, der ausgleichend wirkt, der auf die Menschen zugeht. Ich glaube, dass sie auch deshalb sehr gut zusammenpassen. Wären beide Rollen gleich, dann hätten wir ein Problem, weil die Spannung fehlt.

Man könnte auch sagen: Sie haben den langweiligeren Part erwischt.

Das sehe ich anders. Sicher bin ich in der Rolle der Eva Saalfeld greifbarer und damit kalkulierbarer. Mit Langeweile hat das aber nichts zu tun.

Sie behaupten von sich, immer offen und ehrlich zu sein. Das kann aber auch nach hinten losgehen.

Kann es nicht, denn wenn ich über etwas nicht sprechen möchte, dann werden Sie das schon mitbekommen. Aber ich würde mir nicht irgendetwas ausdenken oder Sie belügen. Ich würde es im Zweifel einfach aussparen. Wahrscheinlich habe ich mit diesem Thema kein Problem, weil ich mich nicht so wichtig nehme. Wäre es anders, müsste ich bei jeder zweiten Frage die Konsequenzen bedenken oder über Gebühr lange drüber nachdenken. Und das wäre mir viel zu anstrengend.

Dann wollen wir doch mal sehen, wie ehrlich Sie wirklich sind: Wie finden Sie unsere Kanzlerin?

Ich finde, sie hat eine gewisse Stärke. Sie hat Ausstrahlung, und sie hat Humor. Mehr kann ich dazu nicht sagen, ich kenne Frau Merkel ja nicht persönlich. Aber tauschen möchte ich mit ihr nicht. War das für Sie ehrlich genug?

Ist Frau Merkel eine schlechte oder eine gute Schauspielerin?

In erster Linie hoffe ich, dass sie ehrlich ist.

Sie sind jetzt 43 Jahre alt. Hat Sie die Rolle der „Tatort“-Kommissarin zur rechten Zeit ereilt?

Das war eine Punktlandung. Und ich habe mich nicht für diese Rolle beworben, musste sie mir nicht erkämpfen. Sie kam in Form der MDR-Fernsehfilm-Chefin Jana Brandt förmlich auf mich zu, und dann ging alles seinen Gang.

Ossi hilft Ossi?

Ich habe meine Kindheit in der DDR verbracht und dort auch studiert, aber das kann und darf ja wohl nicht der Grund für dieses Angebot gewesen sein. Okay, vielleicht hat es ein bisschen geholfen, dass ich auch ein paar Wurzeln in Leipzig habe …

Was unterscheidet eine Ossi-Frau von einer Wessi-Frau?

Sind sie wirklich noch zu unterscheiden? In der DDR konnten Frauen Beruf und Kinder besser unter einen Hut bringen, weil die Infrastruktur gut geregelt war. Und um es an mir festzumachen: Ich habe immer weniger einen Versorger gesucht, ich wollte immer einen gleichberechtigten Partner. Aber ob das auf andere Frauen aus dem Osten zu übertragen ist?

Fühlten Sie sich geehrt, als das „Tatort“-Angebot kam?

Mein erster Gedanke war, Simone, es könnte sein, dass du in deinem Leben doch nicht alles falsch gemacht hast. Also zum Beispiel nicht so spannende Rollen abgesagt, für die ich aber sehr viel Geld bekommen hätte. Oder in Filmen nicht das Salatblatt sein zu wollen, die schöne Verzierung. Wenn man dann so ein Angebot erhält, ist das doppelt oder sogar dreifach schön.

Ist für eine Schauspielerin jenseits der 40 das schöne Schauspielleben passé?

Sicher nicht für alle, zumal sich die Sicht auf „ältere“ Frauen im Fernsehen endlich wieder etwas relativiert hat. Problematisch wird es sicher für diejenigen, die immer nur jung und schön waren. Wenn ein bisschen mehr dahintersteckt, wenn man sein Handwerk wirklich beherrscht, dann muss es nicht passé sein, vorausgesetzt, es ereilt einen noch das Quäntchen Glück, was immer dazugehört.

Täuscht der Eindruck, oder haben Sie sich von 1998 bis 2005 ein bisschen rar gemacht?

Als ich 2000 nach Gelsenkirchen gezogen bin, habe ich meine Tochter aus ihrer gewohnten Umgebung herausreißen müssen. Ich wollte mich also um sie kümmern, ich konnte nicht einfach weitermachen wie bisher und das ganze Jahr über von A nach B jetten. Meine Tochter hatte unbedingte Priorität für mich. Ich bekam damals ein sehr schönes Angebot, das über eine längere Zeit in Hamburg gedreht werden sollte. Als ich meiner Tochter davon erzählt habe, hat sie mich nur mit Panik im Gesicht angesehen und gesagt: „Mama, das wirst du doch nicht machen?“ Damit war die Sache erledigt.

Haben Sie eine Erklärung dafür, dass gerade der Thomalla/Wuttke-„Tatort“ so gut ankommt? 8,7 Millionen Zuschauer sind ein Wort.

Sicher auch, weil da zwei Kommissare unterwegs sind, die mehr miteinander zu tun haben als die Arbeit und das Feierabendbier. Die Zuschauer wollen auch die Menschen hinter den Kommissaren sehen, welche Macken, welche Sehnsüchte haben sie. Wenn es menschelt, wird es nicht nur greifbarer, sondern auch begreifbarer in der Herangehensweise unserer Figuren an die einzelnen Fälle. Da kann es ruhig auch mal etwas knurrig oder seltsam zugehen.

Sie als Kommissarin Saalfeld haben immerhin noch eine Mutti.

Jeder hat ’ne Mutti. Warum also sollte ausgerechnet Eva Saalfeld keine haben? Mir gefällt diese Konstellation. Selbst knallharte Kommissarinnen, auch wenn sie geschieden sind und immer nur mit dem Bösen zu tun haben, können ein harmonisches Familienleben haben. Wenn ich erlebe, wie komisch ich manchmal angesehen werde, wenn ich mit meiner Tochter Hand in Hand durch die Straßen gehe, als wäre Harmonie und Verständnis etwas Außerirdisches, dann wird mir immer wieder klar, wie kaputt vieles heute ist. Wenn ich da – auch und gerade mit meiner Arbeit – gegensteuern kann, dann mache ich das, und zwar aus Überzeugung.

Das Fernsehen als moralische Anstalt?

Nicht generell. Aber warum nicht beim „Tatort“, DER deutschen Familienreihe? Warum nicht Anregungen geben, warum nicht Leute zum Nachdenken bringen? Schaden kann’s doch nicht.

Jetzt sind Sie wieder in Berlin. In Charlottenburg. Warum sind Sie nicht nach Prenzlauer Berg gezogen, wo alle sind und das Leben tobt?

Weil ich nicht dahin muss, wo alle sind. Und schon gar nicht dahin, wo angeblich das Leben tobt. In meinem Leben passiert schon genug.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

„Tatort: Mauerblümchen“, ARD, um 20 Uhr 15

„Liebe macht sexy“, Sat 1, Dienstag, um 20 Uhr 15

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