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Interview: "Eine gute Zukunftsperspektive"

Dieter von Holtzbrinck erwirbt zum 1. Juni die Verlagsgruppe Handelsblatt und die Berliner-Tagesspiegel-Gruppe zu je 100 Prozent, sowie eine 50-Prozent-Beteiligung am Hamburger Zeit-Verlag. Im Handelsblatt-Interview erläutern die Holtzbrinck-Brüder ihre Pläne.

Sie geben die Verlagsgruppe Handelsblatt, die Zeit und den Tagesspiegel an Ihren Bruder Dieter von Holtzbrinck ab. Warum trennen Sie sich von Ihren Qualitätsmedien?

Stefan von Holtzbrinck: Das ist kein Abschied von den Qualitätsmedien. Auch unsere Regionalzeitungen, die Buchverlage, die Zeitschrift Scientific American oder die Publikationen der Nature-Gruppe stehen für höchste Qualität.

Trotzdem waren die Zeit,das Handelsblatt und der Tagesspiegel bisher Flaggschiffe Ihres Unternehmens in Deutschland.

Stefan von Holtzbrinck: Ich fühle mich diesen drei Medienhäusern sehr verbunden. Bei der jetzt getroffenen, wohlüberlegten Lösung erweitern wir einerseits den Spielraum für die Verlagsgruppe und sichern zugleich die Zukunft und die journalistische Qualität von Tagesspiegel, Wirtschaftswoche, Zeit und Handelsblatt, indem wir sie langfristig in bewährten Familienhänden belassen.

Müssen Sie Teile Ihres Unternehmens abgeben wegen der Anzeigenkrise? Zwingen Ihre Kreditgeber, die Banken, sie zum Verkauf Ihres Tafelsilbers?

Stefan von Holtzbrinck: Davon kann keine Rede sein. Wir hatten ein gutes Jahr 2008 mit 7,5 Prozent organischem Wachstum. Unter Einbeziehung ungünstiger Wechselkurs- und kleinerer Portfolioeffekte stieg der Umsatz auf über 2,5 Mrd. €.

Wird es denn nicht enger für die Verlagsgruppe?

Stefan von Holtzbrinck: Wir haben im letzten Jahr aufgrund der Wirtschaftskrise, die alle Unternehmen trifft, hohe Wertberichtigungen auf Forderungen vorgenommen und bereits umfangreiche Vorsorgemaßnahmen für dieses Jahr getroffen. Diese machen 35 Mio. € aus und sind bereits im Jahresabschluss verkraftet. Unser vorläufiges EbITDA für 2008 beträgt 165 Mio. €. Das ist eine stabile Basis für ein schwieriges Jahr 2009. 

Haben Sie sich nicht mit hohen Internet-Investitionen in den letzten Jahren verhoben?

Stefan von Holtzbrinck: Nein, wir sind im letzten Jahr trotz vielfältiger Herausforderungen mit unseren Internet-Medien um 42 Prozent auf 250 Mio. € gewachsen. Unsere wesentlichen strategischen Beteiligungen, zu denen studiVZ, parship, myPhotobook u.a. gehören, schreiben zusammengenommen schwarze Zahlen.

Aber Ihr Vorsteuergewinn ist in 2008 massiv gesunken im Vergleich zum Vorjahr. Reicht das, um Ihre Kreditgeber zu befriedigen?

Stefan von Holtzbrinck: Wir achten immer darauf, dass auch in schwierigen Zeiten unser Handlungsspielraum groß genug bleibt. Wie gesagt, unser Geschäftsergebnis  ist im Vergleich zum Rekordjahr 2007 zwar gesunken, lässt sich aber im Branchenvergleich durchaus sehen. In dieses Jahr sind wir recht gut gestartet, wenn man die schwierigen Rahmenbedingungen berücksichtigt.


Haben die verbleibenden Regionalzeitungen eine langfristige Zukunft in der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck? Wollen Sie eher verkaufen oder zukaufen bei den Regionalzeitungen?

Stefan von Holtzbrinck: Im Rahmen des sich abzeichnenden Konsolidierungsprozesses halten wir unsere Augen offen und prüfen alle Optionen. Nicht zuletzt hängen diese davon ab, was das Kartellamt in Deutschland ermöglicht. Im Übrigen geht unsere regionale Medienhaus-Strategie gut auf. Bei einem Wachstum von über 4 Prozent in 2008 tragen die Regionalzeitungen wesentlich zu den soliden Ergebnissen bei.

Planen Sie weitere zusätzliche Umbauten für den Gesamtkonzern? Nehmen Sie Kurs auf einen reinen Internetkonzern?

Stefan von Holtzbrinck: Nein, wir werden immer auch ein Printunternehmen sein. Die digitalen Medien spielen eine wichtige Rolle innerhalb der traditionellen Unternehmen als auch in dem eigenständigen Geschäftsbereich der Holtzbrinck Digital. Sie sind ein wichtiger Zukunftsmarkt.

Warum behalten Sie 50% an der Zeit, das macht strategisch keinen Sinn.

Stefan von Holtzbrinck: Wir haben mit meinem Bruder über eine Gesamtlösung nachgedacht und sind zu der Überzeugung gekommen, dass es sehr sinnvoll ist, die überregionalen Zeitungsmedien gerade bei Vermarktungs- und Online-Themen zusammengefasst zu lassen. Zugleich passt die Zeit mit Blick auf die übrigen Medien der Verlagsgruppe, insbesondere in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Bildung, strategisch gut zur Verlagsgruppe.

Wird sich in Ihrer Stuttgarter Holding irgendwas ändern durch diesen Verkauf?

Stefan von Holtzbrinck: Nein.

Nun die Frage an Sie, Dieter von Holtzbrinck: Warum steigen Sie wieder ins Verlagsgeschäft ein? Sie wollten sich doch, nachdem Sie aus der Verlagsgruppe Ihres Bruders Stefan und Ihrer Schwester Monika ausgestiegen waren, ganz auf den Aufbau Ihrer Stiftung konzentrieren.

Dieter von Holtzbrinck: Ich hatte nicht vor, nochmals als Verleger tätig zu werden. Aber man kann die Perspektiven von 2006 nicht mit den Rahmenbedingungen von 2009 vergleichen. Und nachdem mein Bruder mit mir darüber sprach, wie er in der unabsehbaren Wirtschaftskrise den Spielraum für die Verlagsgruppe sichern könnte, haben wir unsere alte Vereinbarung auf eine neue Grundlage gestellt: Wir tauschen die ausstehenden Zahlungen mit den genannten Beteiligungen.
 
Wenn Sie Ihrem Bruder und Ihrer Schwester in schweren Zeiten ein Stück helfen wollen, warum stunden Sie Ihre Abfindung nicht einfach oder bringen sie als Eigenkapital in die Verlagsgruppe ein?

Dieter von Holtzbrinck: Auch ein gestundeter Betrag bliebe ja als Zahlungsverpflichtung in den Büchern der Verlagsgruppe. Und: Ich bin kein Banker. Mir ist wichtig, dass diese Qualitätsmedien, an deren Ausbau ich jahrelang mitgewirkt habe und denen ich mich verpflichtet fühle, eine gute Zukunftsperspektive behalten.

Sie haben ja für einige Irritationen in den Medien gesorgt, als Sie im Bieterprozess für die Süddeutsche Zeitung auftauchten - gegen die Verlagsgruppe Ihres Bruders.

Dieter von Holtzbrinck: Zum Bieterprozess bei der Süddeutschen Zeitung kann und darf ich nichts sagen. Richtig ist, dass Goldman Sachs damals auf mich zugekommen ist. Eine verlegerische Aufgabe bei der SZ hätte mich neben dem Aufbau meiner Stiftung gereizt.
Im Nachhinein ...

Dieter von Holtzbrinck: ...bin ich durchaus froh, dass es bei der Süddeutschen gelaufen ist, wie es gelaufen ist.

Aber wollen Sie selbst wieder operativ einsteigen ins Zeitungsgeschäft? Wie definieren Sie Ihre Rolle beim Tagesspiegel, der Zeit und dem Handelsblatt?

Dieter von Holtzbrinck: Ich war immer ein Anhänger dezentraler Führung. Daher werden auch künftig die Geschäftsführer und die Chefredakteure die Unternehmen operativ führen. Ich sehe meine Aufgabe mehr als die eines aktiven Aufsichtsrates, der zugleich auch Sparringspartner für meine Kollegen ist.

Bringen Sie einige Ihrer alten Kampfgefährten wie Michael Grabner wieder mit ins Geschäft zurück?

Dieter von Holtzbrinck: Ich habe noch keine abschließenden Überlegungen zur künftigen Organisationsstruktur. In jedem Fall wird es eine kleine und schlanke Organisation sein. Ob mich dabei der eine oder andere frühere Kollege unterstützen wird, ist im Moment noch offen.

Wie sieht Ihre Strategie aus? Wollen Sie zukaufen? Wollen Sie Ihre Zeitungen zusammenführen?

Dieter von Holtzbrinck: Größere Zukäufe kann ich mir schlecht vorstellen. Ich bin Einzelunternehmer mit begrenzten Mitteln. Gute Zeitungen müssen nach meinem Selbstverständnis und meiner Erfahrung eigenständig bleiben. Selbständigkeit schließt aber keineswegs aus, Synergien im Bereich Online, IT und Dienstleistungen zu nutzen.

Sie sind jetzt 67 Jahre. Also in einem Alter, wo man fragen darf: Wer führt die Zeitungen weiter, wenn Sie einmal nicht mehr können?

Dieter von Holtzbrinck: Ich bin bewusst mit 60 aus der Geschäftsführung und mit 65 aus dem Aufsichtsrat der Verlagsgruppe ausgeschieden. In der neuen Konstellation möchte ich aber einige Jahre aktiv tätig sein. Wenn ich in den reifen Siebzigern bin, möchte ich mich dann ganz dem weiteren Ausbau meiner Stiftung widmen. Das alles unter dem Vorbehalt guter Gesundheit. Ich habe Vorkehrungen getroffen, so dass die Verlage nach meiner verlegerischen Tätigkeit zur Verlagsgruppe zurückkommen können.

In einigen Jahren könnten also Handelsblatt, Zeit und Tagesspiegel doch wieder zurückkehren zu Ihrem Bruder und Ihrer Schwester?

Dieter von Holtzbrinck: Ja, das wäre schön. Stellen Sie sich also weiterhin gut mit meinem Bruder (lacht).

Wir haben, meine Herren, noch gar nicht über den Kaufpreis gesprochen.....

Dieter von Holtzbrinck: Wir haben in meiner aktiven Zeit nie über Kaufpreise gesprochen. Dabei möchte ich es belassen.

Stefan von Holtzbrinck: Das gilt auch für mich.

Aber reden wir bei der ganzen Transaktion, damals wie heute, prinzipiell über Marktpreise oder über ein Geschäft unter Brüdern?

Dieter von Holtzbrinck: Ich habe im Jahr 2006 einen fairen, marktgerechten Preis für meine Anteile erhalten, um meine gemeinnützige Stiftung aufbauen zu können. Dies ohne die Zukunftsfähigkeit der Gruppe zu beeinträchtigen.

Wie wird das Verhältnis der beiden unabhängigen Verlagsgruppen zueinander künftig aussehen?

Dieter von Holtzbrinck: Freundschaftlich, eng, partnerschaftlich, familiär.

Stefan von Holtzbrinck: Genau. Wir führen die vielfältigen Kooperationen, die es heute zwischen den einzelnen Objekten in der Verlagsgruppe gibt, auch künftig weiter. Das ist ein entscheidender Vorteil dieser innerfamiliären Lösung.

Was heißt das konkret zum Beispiel für einen Anzeigenvermarkter wie IQ Media oder den gemeinsamen IT-Dienstleister CircIT, die ja sowohl für StudiVZ arbeiten als auch das Handelsblatt?

Dieter von Holtzbrinck: Die Bündelung der Kräfte macht viel Sinn und stärkt die Unternehmen. Finanziell wird nach der neudeutschen Formel „at arm´s length“ gehandelt.

Stefan von Holtzbrinck: Das haben wir in der Vergangenheit bei internen Gruppenbeziehungen immer so praktiziert. Jedes Unternehmen ist frei, auch Dienstleistungen von Dritten zu nutzen.

Wie muss man sich Ihre gemeinsame Verantwortung für Die Zeit konkret vorstellen?

Stefan von Holtzbrinck: Wir werden dort einen fünfköpfigen Aufsichtsrat einrichten, der grundsätzliche Entscheidungen treffen wird. Dieser Aufsichtsrat wird paritätisch besetzt, das fünfte Mitglied wird gemeinsam bestellt.

Aber wer von ihnen führt die Zeit künftig operativ?

Stefan von Holtzbrinck: In der operativen Führung der überregionalen gilt: Regie aus einer Hand und die führt mein Bruder.

Sehen Sie, Dieter von Holtzbrinck, die Notwendigkeit von umfassenden Restrukturierungen bei den Objekten, die Sie übernehmen werden? Die Anzeigenkrise beutelt ja alle Zeitungen?

Dieter von Holtzbrinck: Zunächst werde ich jetzt gemeinsam mit den Geschäftsführern und Chefredakteuren eine Bestandsaufnahme machen. Langfristig betrachtet bin ich nicht pessimistisch wegen der Krise, denn jede Krise geht einmal vorbei. Bezogen auf die Handelsblatt-Gruppe, die im Anzeigengeschäft jetzt besonders Federn lassen muss, sollte man sehen, dass gerade die Bedeutung professioneller Wirtschaftsinformationen und von zuverlässiger Orientierung eher zu als ab nimmt. Gleiches gilt für den hohen Qualitätsjournalismus von Zeit und Tagesspiegel.

Wie sehen Sie die Zukunft des Tagesspiegels?

Dieter von Holtzbrinck: Der Tagesspiegel muss die Hauptstadt-Zeitung bleiben. Das ist seine Basis. Schon heute gehört er zu den meist zitierten Tageszeitungen Deutschlands. Mein Ziel ist es, ihm langfristig eine weiter zunehmende überregionale Bedeutung zu verschaffen. Ein überregionaler Ausbau ist ein Generationenthema.

Sie legen hier ein Bekenntnis zum guten, alten Print-Journalismus ab. Man könnte daraus umgekehrt Skepsis gegenüber dem Internet herauslesen.

Dieter von Holtzbrinck: Es ist falsch, wenn es heißt, ich sei kein Freund von Online. Zwar lese ich mehr Zeitung als ich im Internet surfe. Dennoch ist mir völlig bewusst, dass Online ein zentrales Element unserer Marken ist. Aktuelle Medien, die Online nicht stark sind, verspielen ihre Zukunft.

Das Interview führte "Handelsblatt"-Chefredakteur Bernd Ziesemer.

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