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Ungewöhnliches Team. Joachim Król und Nina Kunzendorf treten am Sonntag (ARD, 20 Uhr 15) beim Hessischen Rundfunk als „Tatort“-Kommissare die Nachfolge von Jörg Schüttauf und Andrea Sawatzki an. Im ersten Fall „Eine bessere Welt“ bekommen es die beiden grundverschiedenen Ermittler mit einem Stalker zu tun. Foto: dpa

© dpa

Interview: "Erzähl' bloß nicht, wo du herkommst"

Joachim Król bildet mit Nina Kunzendorf das neue "Tatort"-Duo des Hessschen Rundfunks. Ein Gespräch mit dem Schauspieler über Image-Fragen, Fellini, Borussia Dortmund, Affenmenschen und seinen neuen Kommissar

Joachim Król, geboren am 17. Juni 1957 in Herne, ist der Sohn eines Bergmanns mit polnischen Vorfahren. Schauspiel-Studium an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Der Durchbruch gelang ihm mit der Rolle in der Komödie "Der bewegte Mann" 1994 unter der Regie von Sönke Wortmann. Dafür bekam er einen Deutschen Filmpreis. Król arbeitete mit Doris Dörrie, Hans W. Geissendörfer, Helmut Dietl und Tom Tykwer zusammen.

Neben der Karriere bei Film- und Fernsehen kehrt der Schauspieler stets auf die Theaterbühne zurück, Ende des Jahres in den Berliner Sophiensälen im "Kirschgarten". Joachim Król ist verheiratet, lebt in Köln, hat einen Sohn.

Mitte April, Joachim Król sitzt pünktlich in einer Hotellounge am Potsdamer Platz, er trägt eine leuchtend grüne Trainingsjacke, Aufschrift: "Mexiko". Frage zum Warmwerden an den Borussia-Dortmund-Fan: Der BVB spielt die Saison grandiosen Fußball, hat fünf Punkte Vorsprung vor Leverkusen. Darf man gratulieren? Neiin, bloß nicht!! Es könne in fünf Wochen so viel passieren. Übertriebene Vorsicht? Typisch Król? Diese Frage wird uns noch beschäftigen.

Herr Król, sind Sie zufrieden mit Ihrem ersten „Tatort“?

Ja, für so viele Aufgaben, die beim ersten Film, bei der Einführung der beiden neuen Kommissare zu bewältigen sind. Wenn ich irgendwo drinstecke, bin ich selten zufrieden. Ich sehe eher die Mängel. Hier nicht. Wir haben mit dem Hessischen Rundfunk aber auch eine hervorragende Redaktion.

Im deutschen Fernsehen wimmelt es von Kommissaren. Als man gefragt hat, ob Sie das machen, mussten Sie lange überlegen?

Ich hatte nicht damit gerechnet. Der „Tatort“, das ist eine große Entscheidung. Es gibt kaum ein Format im deutschen Fernsehen, wo der Austausch mit dem Publikum so intensiv ist. Dann habe ich mich an einen Film erinnert, den ich mit der gleichen Mannschaft beim HR vor drei Jahren gedreht hatte. Das hat mir damals sehr gut gefallen. Mir wurde versichert, dass die ihre „Tatort“-Filme genauso behandeln wie ihre anderen 90-Minüter.

„Tatort“ bleibt „Tatort“, nach sieben Minuten liegt da normalerweise ein Toter.

Naja, die Hessen sind da immer schon Avantgarde gewesen. Ich glaube, dass es möglich ist, sich von diesem Schema zu verabschieden.

Was viele überrascht hat: Sie haben „Lutter“, die eine Krimireihe im ZDF, kurzum gegen die andere Krimireihe, den „Tatort“, im Ersten ausgetauscht.

Das war eine außergewöhnliche Situation, auf jeden Fall. Aber abgeschlossen ist abgeschlossen.

Ist es ein gutes Gefühl zu wissen, dass man mit einer festen „Tatort“-Rolle mindestens zwei Mal im Jahr auf dem Schirm erscheint?

Ich müsste lügen, wenn ich Nein sagen würde. Für Fiktion sind die Zeiten nicht so rosig. Sendeplätze knacken weg. Jetzt hat sich das ZDF die Champions-League-Rechte gekauft. Wenn selbst ein 300-prozentiger Fan wie ich sagt: Das ist over the top mit dem vielen Fußball im Fernsehen, dann stimmt was nicht.

Mit Nina Kunzendorf, Ihrer neuen Partnerin im „Tatort“, stimmt auch was nicht.

Sie meinen Ninas Outfit? Ihre drallen 80er-Jahre-Klamotten als Conny? Yes! Da hat die Kostümabteilung ganze Arbeit geleistet. Zehn-Euro-Jeans, rote Stiefel. Das war Ninas Wunsch. Sie hat ja ihre größten Erfolge mit diesen belasteten, ein bisschen verschatteten Figuren gehabt. Jetzt wollte sie mal was anderes machen. Was Saftiges, Lebensbejahendes. Conny kommt vom zweiten Bildungsweg. Ich bin da als Frank Steier eher jemand, der mit allen Wassern gewaschen ist...

Vielleicht ein bisschen desillusioniert.

Wenn Conny sagt: „Hoppla, jetzt komm’ ich“, sagt Steier: „Wo ihr hinwollt, da war ich schon.“

Reden wir über Ihre Vita, die Figuren, die Sie gespielt haben. Ich erkenne keine so großen Unterschiede zwischen Kommissar Steier und dem Lutter oder Brunetti.

Das sehe ich anders. Diese Figur Lutter hatte ich ja quasi mitentwickelt mit der Idee, mal etwas so persönlich an mich heranzuholen, wie es nur geht. Sprache, Verortung, Leidenschaften, alles. Das war alles sehr, ja, sehr ich. Nach sechs Filmen hatte ich das Gefühl, dass das zu dicht an mir dran ist. Es wurde so monothematisch. Nur noch Fußball, nur noch Ruhrgebiet. Und Currywurst und Ruhrgebiet und wieder Fußball.

Die Angst des Schauspielers, zu sehr auf eine Rolle festgelegt zu werden?

Wenn Sie das so sagen. Mit Steier gerate ich jedenfalls nicht in die Gefahr. Der wird eine Ecke kälter sein.

Trotzdem, seit dem ersten Erfolg, Ihrer Rolle im „Bewegten Mann“ 1994, tauchen Sie nicht gerade als Hannibal Lector in Filmen auf. Es gibt bei den meisten Ihrer Figuren diesen Grundzug des Melancholischen, Zurückhaltenden, verhalten Traurigen.

(überlegt länger) Vor zehn Jahren habe ich einen Film gemacht, „Lautlos“. Ich habe einen Killer gespielt. Ein Kritikererfolg. Im Kino hat er nicht funktioniert. Ich glaube, dass mich die meisten Leute auf den Plakaten gar nicht erkannt haben.

Stört Sie das?

Auch ein Schauspieler kann nie ganz aus seiner Haut. Ich mache im Sommer eine Kinokomödie. Da werden sich Leute wieder erinnert fühlen an Figuren, die ich schon einmal gespielt habe. Und zwar erfolgreich. So what? Ich merke, dass mich dieses Schubladendenken nicht mehr so bewegt wie vor zehn Jahren. Dass man da gleich immer so in eine Alarmstimmung geht: Oh, mein Gott, ich bin langweilig. Ich mach’ immer dasselbe. Ich steh’ ja nicht schlecht da, mit dem, was die Leute von mir sehen. Vielleicht sogar sehen wollen. Außerdem, selbst bei Kollegen, die dieses Chamäleonsiegel haben, sehe ich in jeder Rolle gewisse Sachen immer wieder. Irgendwas bringt man mit.

Der bewegte Mann.

Sie glauben ja gar nicht, wie viele miese „Bewegte Mann“-Drehbücher ich in die Tonne gekloppt habe in den 90er Jahren. Viele Produzenten wollen nach einem Erfolg genau den gleichen Film mit dir machen, aber natürlich ganz anders.

Immerhin, Ihr Kommissar Steier im „Tatort“ kann auch anders, saftiger, direkter. Er sagt in einer Szene zum Kollegen: „Ich scheiß auf eure Gewerkschaft, du Affenmensch!“

Schöne Szene.

Sie sind Sohn eines Bergmanns in Herne mit polnischen Vorfahren. Ist das ein Lob, wenn man sagt, jemand sei bodenständig?

Wissen Sie, wenn ich noch mal von vorne anfangen könnte, würde ich, gerade was euch Journalisten angeht, einiges anders machen. Ich kann nur jedem jungen Kollegen empfehlen: Erfinde dir eine Biografie! Erzähl’ bloß nicht, wo du herkommst. Nach ein paar Jahren ist das so ermüdend. Mach’ es wie Fellini. Der hat in jedem Interview was Neues erfunden.

Was Neues sind auch Oscars für deutschsprachige Schauspieler. Ihr Kollege Christoph Waltz hat neulich einen bekommen. Wie halten Sie es mit Hollywood?

Ich habe 2001 mit Ben Kingsley „Anne Frank – Die wahre Geschichte“ gedreht, eine internationale Produktion. Anschließend hatte ich Einladungen, hatte Gespräche in Los Angeles. Mir hat diese Monokultur nicht gefallen. Jeder Kellner hat da ein Drehbuch unterm Arm. Und ich hätte ein Vierteljahr oder länger drüben ackern, drüben präsent sein müssen, um da reinzukommen. Das kam für mich damals nicht infrage.

Bereuen Sie das heute?

Nein. Es geht mir sehr gut hier.

Noch viel besser dürfte es Ihnen am 14. Mai gehen. Lassen Sie nun die Sau raus, wenn Borussia Dortmund offiziell als Deutscher Meister gefeiert wird?

Ich werde jedenfalls nicht in Melancholie verfallen. Und wahrscheinlich auf dem Borsigplatz dabei sein.

Das Gespräch führte Markus Ehrenberg

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