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Wanderer. Hanns Zischler, 64, hat mit Wim Wenders und Jean-Luc Godard gedreht, Bücher über Franz Kafka und James Joyce geschrieben, aber er scheut auch die Arbeit fürs publikumsgängige Fernsehen nicht.Foto: Sebastian Willno/ddp

© ddp

Interview: „Ich denke über Befriedigung nicht nach“

Unabhängiger Forscher und Schauspieler: Hanns Zischler im Gespräch über Arbeit, Sprache und Quote.

Geben Sie gern Auskunft über sich?

Nein. Das tut niemand.

Wie bitte? Da gibt es Gegenbeispiele …

Ich mag’s aber nicht. Ich gebe nicht gern Auskunft über mich.

Warum nicht?

Weil es meinen Privatbereich betrifft. Und weil es immer nur so ein paar Spitzen von irgendwas sind. Die Leute wollen sowieso nur das hören, was sie ohnehin schon fragen. Also: Ich mach’ das nicht gerne.

In einem Zeitungsartikel wurden Sie als Multiartist und Vielfachästhet bezeichnet. Gefallen Ihnen solche Etikettierungen?

Es ist sprachlich nicht gerade das Gelbe vom Ei.

Wie würden Sie sich selbst bezeichnen?

Es gibt eine ganz einfache Definition: Ich bin Schauspieler und unabhängiger Forscher.

In einem Filmlexikon werden Sie als „sympathisch altmodisch“ beschrieben. Adelt Sie so was?

Nein, nicht sonderlich. Unter altmodisch ist vermutlich gemeint, dass ich bestimmte Neigungen habe, die vielleicht mehr mit Literatur zu tun haben. Und dass ich aufgrund meiner Schreibtätigkeit einen sehr starken Traditionsbezug habe zur Literatur als einem Traditionsreservoir. Da sage ich, na gut, das liegt in der Natur der Sache. Wenn man sich mit Literatur befasst, auch schreibend, dann positioniert man sich irgendwo und bewegt sich auf einem sehr großen Feld, auch von Vorbildern und von Anregungen. Vor allem im Feld der Sprache. Die Sprache ist ein sehr ernst zu nehmendes Universum, in dem wir wohnen.

Befürchten Sie, dass durch die überbordende Fülle der Kommunikationsmittel wie Facebook und Co. die Sprache verhunzt wird?

Die Sprache wird sehr stark beansprucht – und in vielen Fällen nicht mehr sehr stark reflektiert auf die Möglichkeiten, die sie selbst hat. Ich bin aber nicht so pessimistisch zu sagen, die Sprache verflacht. Diese Klage gibt es, seit es Sprachkritik gibt. Sprache ist ein enorm aufnahmefähiges Organ. Es gibt auch Bereicherungen darin. Man muss nur wissen, wie man damit umgeht.

Spielen Sie mit bei den modernen Kommunikationsmitteln oder verweigern Sie sich?

Ich benutze Computer, ich schreibe Mails und SMS – nach Maßgabe dessen, was ich für notwendig halte. Aber ich renne nicht jeder neuesten technischen Erfindung nach.

Was verschafft Ihnen aus der Fülle Ihrer Tätigkeiten die meiste Befriedigung?

Ich denke seltsamerweise über Befriedigung nicht nach. Es mag komisch erscheinen, aber ich tu’s nicht. Und zwar deshalb, weil ich eigentlich immer arbeite. Ich sage mir also nicht, das hat mir jetzt großen Genuss bereitet. Das hat mich nie sonderlich interessiert. In dem Maße, wie die Arbeitsaufgaben auf mich zukommen oder wie ich mir sie selbst entwerfe – das können auch Spieleaufgaben sein –, versuche ich eine gute Lösung dafür zu finden. Beim Schreiben ist es vollkommen anders strukturiert als beim Spielen. Beides sind Herausforderungen, die ich so annehme, wie ich eben gebaut bin.

Beim Schreiben machen Sie einen einsamen Job, bei der Schauspielerei arbeiten Sie im großen Team – brauchen Sie diesen Kontrast?

Ob ich’s brauche, weiß ich nicht. Aber ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, dass ich so viel Freiheit habe, um beides machen zu können.

Zu diesem neuen Vierteiler im ZDF – wie finden Sie den Titel „Wilde Wellen“?

Bei dem Titel muss man vorsichtig sein. Er hat den Vorteil, dass er sofort melodramatische Assoziationen weckt. Aber ich finde ihn tendenziell etwas zu unspezifisch. Die Personen, die Familiengeschichte, das Drama – das damit verbunden ist – kommt im Titel so nicht vor. Die Verlängerung des Titels „Nichts bleibt verborgen“ erklärt schon etwas, aber es ist immer noch unpersönlich.

Dieser Mix aus Familiensaga, Drama, Krimi, Mystik, Lovestory – das ist doch das übliche Rezept für einen Quotenerfolg.

Das weiß ich nicht, das kann ich nicht beurteilen. Ich kenne keine Rezepte. Das müssen die Programmleute beurteilen. Ich glaube allerdings, dass in diesem Fall etwas Neues versucht wurde. Und zwar in einem ganz spezifischen Sinn: Man wollte einen Krimi wie einen roten Faden durchziehen lassen. Es gibt eine Familiensaga – verbunden mit Liebesdramen –, und gleichzeitig gibt es darin einen Krimi. Das ist schon schlau gedacht. Normalerweise werden die Sachen getrennt: Der Krimi soll der Krimi sein und die Familiensaga die Familiensaga. Das ist ein neuer Weg, der hier gegangen wird.

Würden Sie sich das als Privatperson angucken?

Ob ich mir das als Privatperson …? Das können Sie mich deshalb nicht fragen, weil ich kein privatpersönlicher Fernseher bin. Ich schaue mir diesen Fernsehfilm an, weil ich da mitgemacht habe. Ansonsten bin ich ein völlig untypischer Fernsehzuschauer. Sie können mich nicht als den durchschnittlichen Fernsehzuschauer nehmen. Das geht einfach nicht. Da gibt’s eine berufliche Sperre bei mir. Ich mag mich selbst nicht gerne sehen. Ich schaue mir diesen Film an – aber ich schwöre: Es gibt nicht viele Schauspieler, die viel fernsehen.

Haben Sie Verständnis für die Quotenjagd, auch bei den Öffentlich-Rechtlichen?

Nur bedingt. Ich halte diese Quotendiskussion für verkürzt oder für vorgeschoben. Das ist so wie das Totschlagsargument „Arbeitsplatzbeschaffung“ in der Politik. Wenn irgendwas nicht mehr geht, sagt man: „Arbeitsplatzbeschaffung!“ Die Quote ist da – man kann nicht sagen, es gäbe sie nicht. Aber: Man muss mit der Quote etwas anderes verbinden, man muss den Mut zum Risiko haben. Die Öffentlich-Rechtlichen hätten das finanzielle Potenzial, etwas zu entwickeln, was vielleicht nicht gleich die Superquote bringt.

Wie soll das konkret aussehen?

Die Quote müsste in einen konkreten Zeitrahmen gestellt werden. Und dann möchte ich doch mal gern erleben, wie sich so was hochentwickelt oder wohin sich das entwickelt. Das geht natürlich nicht ohne eine gewisse Risikobereitschaft. Meines Erachtens gehört es sogar zum Fernsehauftrag dazu, diese Risikobereitschaft.

Aber durch den Quotendruck wird doch jeder Mut zum Risiko im Keim erstickt.

Dazu eine Anekdote: Als Werner Höfer in den 70er Jahren als Chef des neuen Senders WDR 3 mit sehr ungewöhnlichen Sendungen aufwartete und schwierige Filme sendete, gab es viele Proteste. Und was hat Höfer gemacht? Denselben Film noch mal gesendet! Er ist also genau den umgekehrten Weg gegangen. Als Politik finde ich das hochinteressant. Das war eine Idee mit einer völlig anderen Pädagogik. Seine Grundhaltung war: Wenn euch das missfallen hat und wenn ihr protestiert, empfinde ich das als Provokation genug, euch das noch mal vorzuführen.

Was bedeutet das?

Man muss in die Zeit gehen und sagen: Wir haben die wirtschaftlichen Mittel, auch riskantere Sachen zu machen. Aber das muss über eine längere Zeit entwickelt werden. Ich kritisiere die Quote heute, weil sie wie ein Kaninchen auf die Schlange schaut.

Das Interview führte Jürgen Beier.

„Wilde Wellen – Nichts bleibt verborgen“, 25. und 28. August, 1. und 4. September, jeweils 20 Uhr 15

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