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Alles kein Problem. Harald Krassnitzer spielt Paul Kemp, einen Profi in Sachen Streitschlichten.

© picture alliance / dpa

Interview mit Harald Krassnitzer: „Man weiß da nie genau, was echt ist“

Der österreichische Schauspieler Harald Krassnitzer über Kollegen, die Schmach von Cordoba, gutes Streiten und den besten "Tatort".

Herr Krassnitzer, mitten in den Hype um die Fußball-WM startet am Dienstag Ihre Serie „Paul Kemp“. Das ist vielleicht nicht so günstig, was die Quote betrifft.

Ein schwieriger Start, durchaus. Aber die ARD-Programmplanung wird wissen, was sie tut. Außerdem bin ich da zwischen den Fußballspielen mit meiner Serie so ein bisschen österreichisches Kulturprogramm, wenn wir schon nicht bei der WM dabei sind.

Sind Sie denn Fußball-Fan?

Ja, natürlich. Ich freue mich auf die WM. Allerdings mit einem lachenden und einem weinenden Auge. In einer Situation, wo in Brasilien viele soziale Unruhen sind, wird dort ein Spektakel abgehalten. Dazu jetzt die Todesopfer bei den menschenunwürdigen WM-Baustellen in Katar. Steht da das Geschäft im Vordergrund oder das Spiel?

Beim weinenden Auge hätte ich eher an Ihr Heimatland gedacht: Österreich ist eben wieder nicht bei einer WM dabei.

Wir haben ja einige Fortschritte gemacht, was das Team betrifft und schon wesentlich besser abgeschnitten in den Qualifikationsspielen. Schade, dass es am Ende nicht geklappt hat. Da ist in der Entwicklung des österreichischen Fußballs jahrelang etwas verschlafen worden.

Bleibt die Erinnerung an die WM 1978. Das legendäre Spiel in Cordoba..

Österreich gewinnt 3:2 gegen Deutschland. Der amtierende Weltmeister fliegt nach Hause. Krankl schießt das Siegtor.

Wissen Sie noch, wo Sie damals waren?

In Grödig bei Salzburg, ich war knapp 18. Wir haben mäßig gefeiert. Es gab damals noch keinen Autokorso, kein Public Viewing. Ich gehöre jetzt auch nicht zu den Cordoba-Veteranen, die zu den Spielen Deutschland gegen Österreich ins Stadion ziehen und diesen Klein-gegen-Groß-Geist aufwecken.

Wem drücken Sie denn bei der WM die Daumen, den Piefkes? Immerhin wohnen Sie in Wuppertal.

Das ist Teil meiner Heimat geworden. Natürlich ist es für mich naheliegend, für Deutschland zu sein. Die haben tolle junge Spieler.

Zu Ihrer Serie: Die Rolle des Mediatoren Paul Kemp soll Ihnen auf den Leib geschnitten sein.

(überlegt) Das sagt der Sender, ja. Das ist sicher schmeichelhaft, aber ich würde mich jetzt nicht zwingend als den ultimativen Konfliktlöser sehen.

Ich frage deswegen, weil es nicht oft vorkommt, dass ein Format auf einen Schauspieler zugeschnitten ist. Sind Sie ein Star?

Ich bleib’ da sehr bescheiden. Man neigt als Schauspieler gerne mal dazu, diese Komplimente persönlich zu nehmen. Zu denken, dass man was Besonderes ist. So sehe ich mich nicht. Das Geschäft ist schnelllebig geworden. Heute bist du Primetime-Typ, morgen bist du weg. Glauben Sie mir, es passiert recht oft, dass ich mich bis zu einer gewissen Selbstzerfleischung hinterfrage. Man weiß in diesem Beruf ja nie so genau, was ist jetzt echt, was nicht.

Wie viel von diesem Mediator Paul Kemp steckt in Harald Krassnitzer: Streiten Sie gern und gut, mit Ihrer Frau Ann-Kathrin Kramer beispielsweise?

Ich bin durchaus in der Lage zu streiten. Ich finde, wir haben eine schlechte Streitkultur, vielmehr eine Behauptungskultur. Denken Sie an die Diskussionen jüngst in den Zeitungen über den Tugendterror. Wo es beispielsweise nur noch eine absolute Political Correctness gibt, nur noch Beschränkungen. Sich streiten über einen Punkt heißt auch: sich annähern. Das darf dann mal lauter werden. Da haben uns die Franzosen und Italiener viel voraus. In Deutschland bleiben wir auf unseren Standpunkten sitzen. Die Gerichte sind überlastet mit Nachbarschaftsstreitigkeiten. Das ist die Stunde der Mediatoren, um Blickwinkel zu verändern.

Wie ist der Blick von außen auf Harald Krassnitzer? Ihr Image. Aus Ihnen wird man nicht so ganz schlau.

Wieso nicht?

Auf dem Bildschirm haben Sie manchmal was von einem Menschenfeind, diesen leicht grantelnden Gesichtsausdruck. Da gibt es den romantischen Sonntagsfilm im ZDF, den heimeligen „Winzerkönig“ oder „Bergdoktor“, dann wieder knallharten „Tatort“, jetzt Mediator im Cord-Anzug.

Ich habe mich stets schwergetan mit der Unterscheidung von E und U. Mein Beruf besteht aus einer gewissen Vielfältigkeit. Vielleicht ist das immer eine gewisse Gratwanderung. Das war ja auch nicht alles ganz toll, was ich gemacht habe. Aber wenn ich da irgendwo reingehe, fülle ich das schon so aus, dass man sich nicht schämen muss.

Sie haben mal gesagt: Ein guter Schauspieler muss nicht immer ein guter Mensch sein. Sind Sie ein guter Mensch?

Fragt meine Frau. Die muss es wissen.

Ich habe mich umgehört, bei Frauen kommt dieser Typ Krassnitzer sehr gut an.

Mit der Behauptung werde ich öfters konfrontiert. Es irritiert mich. Wenn ich in den Spiegel schaue, würde ich nicht zwingend behaupten, dass ich ein Frauentyp wäre. Da gibt es andere Kategorien von Männern. Aber vielleicht ist es das Leidwesen von uns Männern, dass wir Frauen noch nie wirklich verstanden haben.

Im „Tatort“ hat man Ihnen 2011 eine Frau an die Seite gesetzt: Adele Neuhauser. Kritiker sind begeistert. Macht Sie das stolz?

Wir liefern da auch nicht immer erste Sahne ab. Aber jetzt geht beim „Tatort“ etwas auf, wofür wir jahrelang gearbeitet haben. Als sich der lonesome cowboy Eisner totzulaufen schien, haben wir mit der Adele die kongeniale Ergänzung gefunden. Ein spannendes, lustiges, schräges Team. Menschen, denen man ihre Reibungen ansieht, und ihre Zuneigungen.

Die Themen haben wie: Zwangsprostitution, islamistischer Terror, Folgen des Balkankrieges oder Netzwerke von Kinderpornografen in Justiz und Polizei.

Wir sind da sehr mutig, trauen uns mehr als die klassische Whodunit-Story. Mit zwei Ermittlern, die abseits der klassischen Rechtsstaatlichkeit ein eigenes Gefühl für Recht und Gerechtigkeit haben. Das ist manchmal sicher grenzwertig. Im wirklichen Leben wären Eisner und Fellner wahrscheinlich schon in den Lotsendienst zurückversetzt wurden.

Wie lange geht das noch gut?

Bis 2016 bleiben wir auf jeden Fall dabei.

Zur Gegenwart: Wer wird Weltmeister?

Deutschland. Oder Brasilien.

Das Gespräch führte Markus Ehrenberg.

Der im österreichischen Grödig geboren Schauspieler, 53, zählt zu den meistbeschäftigten Schauspielern in Deutschland. Bekannt wurde er in Serien wie „Bergdoktor“ und „Winzerkönig“. Seit 1999 ist Harald Krassnitzer im „Tatort“ als Ermittler Moritz Eisner für den ORF im Einsatz. Seit 2011 arbeitet er dort mit Adele Neuhauser zusammen. Krassnitzer lebt mit Ehefrau Ann-Kathrin Kramer in Wuppertal. Seine neue Serie „Paul Kemp – Alles kein Problem“ über die beruflichen und privaten Nöte eines Mediators startet am Dienstag, 20 Uhr 15, in der ARD.

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