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„Tatort Internet“. RTL-2-Reporterin Beate Krafft-Schöning stellt einen mutmaßlichen Kinderschänder mit Mikrofon und Kamera. Foto: RTL 2

© RTL II/Diwa

Interview: "Provokation von Straftaten"

Das umstrittene Reportage-Format "Tatort Internet": Kämpft RTL 2 mit legitimen Mitteln gegen Kinderpornografie? Ein Gespräch mit Niklas Auffermann, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin.

Herr Auffermann, in dem RTL-2-Magazin „Tatort Internet“ werden mutmaßliche Kinderschänder bloßgestellt. Überschreitet der Sender damit Grenzen?

Die Frage ist, welche Grenze? Ob die reißerische Aufmachung der Sendung die Grenze des „guten Geschmacks“ oder die des seriösen Journalismus überschreitet und sich möglicherweise überwiegend an hohen Einschaltquoten orientiert, mag jeder selbst beantworten. Ob die Regeln des Jugendschutzes eingehalten werden, prüft nach meiner Kenntnis derzeit die Medienaufsicht. Strafrechtlich gilt Folgendes: Wenn eine Person über das Internet in einem Chatroom ein Kind unter 14 Jahren überredet, sich mit ihm zu treffen und zwar mit dem Ziel, dass es bei diesem Treffen zu Sexualhandlungen kommen soll, so ist dies seit 2004 nach Paragraph 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB strafbar.

Wer die Sendung verfolgt, bekommt das Gefühl, das Problem sei gewaltig. Wie groß ist es tatsächlich?

Das Problem ist tatsächlich nicht zu unterschätzen. Aus diesem Grunde ist es auch anerkennenswert, sofern man dieses Thema nicht tabuisiert und Aufklärungsarbeit leistet. Selten besteht ein Problembewusstsein dafür, dass etwa zur Produktion von Kinderpornografie meist der direkte sexuelle Missbrauch eines Kindes vorangegangen ist. Auch ist es richtig, Eltern für die vielzähligen Möglichkeiten der Kontaktaufnahme über das Internet zu sensibilisieren. Ob jedoch eine reißerische Sendung hierfür das geeignete Mittel ist, bezweifele ich.

Teilen Sie die Auffassung von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger? Ihrer Meinung nach darf es keine Vorverurteilungen geben, ehe die Justiz ermittelt.

Diese Auffassung teile ich uneingeschränkt. Aufgabe der Strafverfolgung ist und bleibt eine staatliche, und zwar die der Ermittlungsbehörden. Ein „Lockspitzeleinsatz“ durch Privatpersonen und die Provokation von (vermeintlichen) Straftaten ist bereits problematisch. Wenn dies dann auch noch ohne zureichende Anonymisierung im Fernsehen ausgestrahlt wird, besteht in der Tat die Gefahr, dass möglicherweise Unschuldige an den Pranger gestellt werden.

Ganz anders argumentiert der Bund Deutscher Kriminalbeamter. Dessen Vorsitzender Klaus Jansen sagte, „ich finde es ohne Abstriche gut, dass der Sender sich gemeinsam mit Stephanie zu Guttenberg des drängenden Problems der Kinderpornografie im Netz annimmt.“ Heißt: Die Behörden werden des Problems nicht Herr.

Diese Ansicht teile ich nicht. In Berlin wird jedenfalls mit Erfolg in diesem Bereich ermittelt. Was möglicherweise der Vorsitzende des Bund Deutscher Kriminalbeamter gemeint hat, war, dass es richtig ist, sich des Problems bewusst zu werden und dieses nicht zu tabuisieren. Dass er private Lockspitzeleinsätze und die Provokation von möglichen Straftaten gutheißt, kann ich mir nicht vorstellen.

Wenn ich Sie richtig verstehe, dann finden Sie „Aktenzeichen XY“ im ZDF gut und „Tatort Internet“ bei RTL 2 schlecht.

Ich frage mich, warum nicht über Fälle berichtet wird, die bereits von der Justiz ermittelt wurden. Ist es tatsächlich notwendig, vermeintliche Taten durch eigene Aktivitäten zu provozieren?

Verläuft die Diskussion nicht in schiefen Bahnen? Es wird über die Medien und ihre Aufgaben sehr viel mehr diskutiert als über Kinderpornografen.

Ja. Mir erscheint es zweifelhaft, ob die Sendung tatsächlich Prävention betreiben will. Sollte es zutreffen, dass eindeutiges Material über Monate hinweg nicht an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet wurde, wie möglicherweise im Fall des Würzburger Kinderheimleiters, gegen den die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, so halte ich das für problematisch. Jedenfalls liefe dies den Zwecken der Prävention, die die Sendung ja leisten will, entgegen.

Aus Ihrer Praxis heraus: Sind nicht längst Bürger im Netz unterwegs, um vermeintliche Kinderschänder zu jagen?

Eindeutig ja. Das wundert mich auch an der Stellungnahme des Vorsitzenden des Bund Deutscher Kriminalbeamter. Es ist nicht ungewöhnlich, dass erwachsene Bürger im Internet auf „Pädophilen-Jagd“ gehen. Sofern derartige Chats anschließend an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet werden, lautet deren Antwort nach meiner Erfahrung: „Wir möchten Sie ausdrücklich darauf hinweisen, zukünftig derartige Dinge zu unterlassen, weil Sie sich somit selbst strafbar machen können. Außerdem ist dies Aufgabe der zuständigen Behörden.“ Dieser Hinweis ist völlig richtig. Strafverfolgung und Ermittlungsarbeit haben ausschließlich in den Händen der Strafverfolgungsbehörden zu bleiben.

Das Interview führte Joachim Huber.

Rechtsanwalt Niklas Auffermann ist Fachanwalt für Strafrecht in Berlin. Der promovierte Jurist leitet den Fachausschuss Kapitalverbrechen beim Verband deutscher Strafrechtsanwälte.

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