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Ritual am Sonntag. 21 Uhr 45, ARD: Anne Will bittet zum Talk. Ihr Thema am Sonntagabend: „Deutsche Panzer für Saudi-Arabien.“ Gestartet im September 2007 ist „Anne Will“ bis zum heutigen Finale mit durchschnittlich 4,1 Millionen Zuschauern die erfolgreichste Talkshow im deutschen Fernsehen. Moderatorin und Sendung kommen wieder: Am Mittwoch, 31. August, um 22 Uhr 45 . Foto: NDR

© NDR/Wolfgang Borrs

Interview: „Was soll ich groß rumjammern?“

Finale für Anne Will beim Talk am Sonntag. Ein Gespräch über einen holprigen Start, Nachfolger Günther Jauch – und „Anne Will“ am späten Mittwochabend.

Frau Will, vor genau zehn Jahren haben wir uns das letzte Mal zum Interview getroffen. Erinnern Sie sich?

Aber wie! Ein munteres Gespräch war das in Hamburg. Das war kurz bevor ich bei den „Tagesthemen“ anfing.

Sie wirken irgendwie noch munterer als damals. Täuscht das?

Es würde mich sehr freuen, wenn ich den Eindruck machte. Denn ich fühle mich tatsächlich gerade sehr frei. Und bin es auch.

Das war nicht immer so?

Nicht wirklich. In den vergangenen vier Jahren, also seitdem ich „Anne Will“ mache, habe ich mich nicht immer so gefühlt. Da war ich nicht durchgängig fröhlich.

Es gab also Höhen und Tiefen. Wo würden Sie die denn ansiedeln?

Oben und unten. Aber Sie wollen sicher wissen, wann es mir besonders schlecht ging und warum, oder?

So ist es. Das Warum interessiert uns am meisten.

Momente der Verzweiflung gab es keine. Auch nicht am Anfang von „Anne Will“, als es nicht so gut lief. Ich wusste ja, was ich konnte. Und ich wusste auch, woran es lag. Zum Beispiel daran, dass ich relativ plötzlich auf die Talk-Bühne gestoßen worden bin. Günther Jauch hatte abgesagt und mir blieb dann bis September 2007 gerade mal ein knappes halbes Jahr, um mir ein Team zusammenzusuchen und mich vorzubereiten. Ich muss zugeben, dass ich anfangs auch meinen eigenen Ansprüchen nicht immer gerecht werden konnte. Nach einer Weile war das Schlimmste dann aber überstanden, und quotenmäßig ging es ja ohnehin nur noch bergauf.

Haben Sie den Talk anfangs zu leicht genommen?

Das würde ich so nicht sagen. Aber eines ist mal sicher: Talk ist ein ganz schwieriges Format, das soll lieber keiner unterschätzen. Talk ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Wenn Sie eine echte Debatte wollen, dann müssen Sie in der Lage sein, aus verschiedenen Richtungen und mit verschiedenen Zielsetzungen zu fragen.

Klingt doch ganz einfach.

Und das soll dann auch noch total unangestrengt aussehen. Als ich noch keine Talkerin war, habe ich auch immer gesagt, das gibt's doch nicht, warum fragt der jetzt nicht das oder das. Aber sitzen Sie da mal und müssen es selbst machen. Das ist ein komplett anderer Schuh. Mit den Worten meines ehemaligen Chefredakteurs beim damaligen SFB, Jürgen Engert, kann ich nur sagen: Ich warne vor Hochmut. Passt übrigens in jeder Lebenslage.

Günther Jauch spielt wohl eine Hauptrolle in Ihrem Berufsleben. Vor vier Jahren hat er Sie durch seinen Rückzieher zum Talk am Sonntag gespült, jetzt spült er Sie durch seinen Talk am Sonntag auf den Mittwoch.

Ich sehe das ohne Bitterkeit. Nach vier Jahren „Anne Will“ ist jetzt ein guter Zeitpunkt für etwas Neues. Ich glaube, dass mir der Talk am Mittwochabend sehr viel mehr Freiheiten lassen wird, als es am Sonntag möglich war.

Erst die Pflicht, jetzt die Kür?

Ein bisschen ist es so. Am Sonntagabend müssen Sie jede Menge Erwartungen erfüllen. Das ist am Mittwochabend ganz anders. Der späte Mittwochabend ist ein unbestelltes Feld, da hat sich in der ARD noch niemand mit Talk versucht. Wir haben also die Chance, Erwartungen zu wecken. Das ist eine tolle Sache.

Aber ist es nicht doch ein bisschen enttäuschend, vom Thron gestoßen zu werden, bloß weil ein ungekrönter König, von dem niemand weiß, welche Geschenke er mitbringt, die Szene betreten soll?

Ich hatte ja ein Jahr Zeit, mich daran zu gewöhnen. Was soll ich groß rumjammern? Wir haben uns lieber zusammengesetzt und überlegt: Wozu haben wir Lust, was für eine Sendung wollen wir am liebsten machen? Jetzt haben wir einen schönen Sendeplatz und ein schönes Konzept. Da wären wir doch bescheuert, wenn wir uns ständig im Zorn umdrehen würden. Und kindisch wäre es außerdem. Als Geschäftsfrau war mir auch wichtig, mein Team, mit dem ich rasend gern zusammenarbeite, weiterbeschäftigen zu können. Also hieß es für uns: Mund abwischen, weiter machen. Auf zu neuen Ufern!

Klingt nach Wellness-Stimmung im Hause Will.

Wenn wir uns jetzt hinstellen würden und das große Jammern anfingen, dann würden Sie sagen, die hat sie doch nicht mehr alle. Kriegt 'ne neue Sendung, kann machen, was sie will, worüber beschwert die sich eigentlich?

Sie hätten doch auf Weltreise gehen und schöne Bilder mitbringen können – wie andere verdiente Mitarbeiter der ARD.

Wenn ich den tiefen Wunsch in mir gespürt hätte, das zu machen, dann hätte ich das tun können. Aber so weit bin ich noch nicht. Ich bin noch nicht durch mit dem Talk.

Was ist eigentlich so geil am Talken?

Ich habe irgendwann festgestellt, dass ich den größten Spaß habe, wenn ich Gespräche oder Interviews führe. Oder talke. Das mache ich wirklich am liebsten, da fühle ich mich am besten aufgehoben. Filmemachen ist zum Beispiel nicht so mein Ding. Ich nähere mich gerne Menschen über Interviews. Ich denke in Worten, nicht in Bildern, ich frage gerne, und ich lasse mir gerne etwas erzählen.

Wir sind begeistert. Aber ein bisschen Eitelkeit ist auch dabei, oder?

Nee, damit kriegen Sie mich nicht. Ich bin nicht so eitel, wie Sie glauben. Oder, wie die Schauspielerin Tilda Swinton sagte: Ich bin eitel genug, um nicht als eitel gelten zu wollen. Kluger Satz, finde ich.

Wie sieht es denn nun aus, Ihr neues Konzept für den Mittwoch?

Es wird nicht einfach „Anne Will“ in länger sein. Wir werden zum Beispiel mehr Zeit für Intensität haben.

Es wird also länger und intensiver.

Und Sie werden auf dem Sofa sitzen und sich nach 75 Minuten fragen, was, schon vorbei? Mehr davon!

Geht's nicht ein bisschen präziser?

Wir werden am Mittwoch nicht mehr so der Aktualität hinterherhecheln müssen. Das gibt uns die Möglichkeit, auch andere Themen als bisher zu behandeln und lässt uns Zeit für intensivere Gespräche. Genügt das fürs Erste?

Nein. Mit wie vielen Zuschauern rechnen Sie?

So anderthalb bis zwei Millionen wären natürlich top. Alles andere wäre ziemlich unrealistisch. Und die Quote wäre dann auch schon recht ordentlich.

Mit weniger Zuschauern mehr Erfolg haben, das ist es doch: die Quadratur des Fernsehkreises.

Sie sehen, es geht mit uns immer nur voran!

Aber Ihr Fanclub bleibt Ihnen sicher treu.

Das will ich doch schwer hoffen. Ich habe jede Menge Briefe und Mails bekommen, in denen mir ewige Treue geschworen wird. Ich werde also am 31. August nicht ganz alleine sein. Sie müssen sich keine Sorgen machen.

Haben Sie keine Angst, dass Ihnen die Leute so spät am Abend wegnicken?

Klar, wir werden unterhalten müssen. Vielleicht einen leichteren Ton anschlagen, vielleicht einen persönlicheren Ton finden. Auf keinen Fall die Grundsätze der Quantenphysik diskutieren. Und immer daran denken, dass der Zuschauer an einem Mittwochabend schneller im Bett ist als zum Beispiel am Wochenende.Das wird eine Herausforderung, ganz klar.

Erfinden Sie sich gerade neu?

Ich spüre auf jeden Fall neuen Schwung. Ein neues Fernsehleben wäre zu viel gesagt. Aber ich habe das Gefühl, dass ich mit den Freiheiten, die ich haben werde, wieder viel näher zu mir kommen werde. Mit anderen Worten: mehr das machen kann, was ich will und auch am besten kann. Und außerdem freue ich mich darauf, nach zwanzig Jahren Sonntags-Arbeit wieder wie alle anderen am Wochenende frei zu haben.

Wie bereiten Sie sich auf Ihren neuen Talk vor?

Knallhart. Ich habe mir zum Beispiel vorgenommen, künftig mehr Illustrierte zu lesen und nicht nur die Politik- und Wirtschaftsseiten durchzupflügen. Mir geht es um Inspiration. Deshalb will ich auch wieder mehr ins sogenannte wahre Leben eintauchen.

Eintauchen um aufzutauchen?

Sehr schön gesagt. Das nehmen wir!

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

„Anne Will“, 21 Uhr 45, ARD

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