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Schlechte Beziehungen. Premierminister Netanjahu hat es seit einigen Jahren schon auf die Medien abgesehen, die seine Arbeit kritisieren.

© dpa

„Israel Broadcasting Authority“ (IBA): Wie Israels Premier Netanjahu den öffentlichen Rundfunk kontrollieren will

Eine Reform des öffentlichen Rundfunks in Israel hat Premierminister Benjamin Netanjahu zunächst verschoben. Jetzt soll sie komplett gestoppt werden.

Der Wandel stand kurz bevor: Israels öffentlicher Rundfunk sollte reformiert werden. Die ineffektive, teure und politisch beeinflusste Rundfunkanstalt „Israel Broadcasting Authority“ (IBA) sollte von der neuen, unabhängigen und besser strukturierten „Kan“ (Hebräisch für: hier) ersetzt werden. So hatte es der ehemalige Kommunikationsminister Gilad Erdan (Likud) 2014 in die Wege geleitet, und das Parlament hatte darüber abgestimmt. Ende September sollte es so weit sein. Ein Geschäftsführer und zahlreiche Mitarbeiter waren längst gefunden, die Vorbereitungen liefen.

Doch einer war von dieser Reform ganz und gar nicht begeistert: Benjamin Netanjahu. Der Premierminister, der neben anderen Ministerämtern auch das Amt des Kommunikationsministers innehat, verschob den Start von Kan bereits im Juli auf das Jahr 2017. Nun soll der Wandel komplett gestoppt werden: Der Netanjahu-treue Knessetabgeordnete David Bitan (Likud) reichte den Entwurf ein. Sein Argument: Der Wandel koste zu viel Geld, besser wäre es, zur alten IBA zurückzukehren und damit umgerechnet mehr als 450 Millionen Euro zu sparen.

Doch um Geld geht es bei dem Versuch, die Reform zu stoppen, nicht, sagt Tehilla Shwartz Altshuler, Leiterin des Medienrefom-Projekts des Israelischen Demokratieinstituts. „Langfristig wäre die neue Institution viel kostengünstiger und die Fernsehqualität würde sich ebenfalls verbessern. Die IBA arbeitete ineffektiv. Die Recherchen waren schlecht, einige Formate wurden auf viel zu teure Produktionsfirmen ausgelagert.“

Der eigentliche Grund, warum der Prozess nun erst mal auf Eis liegt: „Netanjahu hat es seit einigen Jahren schon auf die Medien abgesehen, die ihre Arbeit machen und ihn dabei auch kritisieren“,sagt Shwartz Altshuler. Und Kan wäre genau das gewesen: unabhängiger und kritischer. „Politiker haben bei Kan weniger Einfluss auf die Auswahl von hochrangigen Mitarbeitern und auf journalistische Inhalte. Die Auswahl der neuen Mitarbeiter war pluralistischer als in anderen Medien: Orthodoxe und Säkulare, Frauen, Araber, Linke und Rechte.“

"Beleidigungen, Lügen und eine Hexenjagd auf Journalisten"

Netanjahu bevorzugt Medien, die seine Politik unterstützen. Auf dem Zeitungsmarkt hat er es bereits geschafft, kritischen Journalismus zu schwächen: mit der Gratiszeitung „Israel Hajom“, aufgrund ihrer politischen Ausrichtung auch „Bibiton“ genannt, in Anlehnung an Netanjahus Spitznamen „Bibi“. Der amerikanische Milliardär Sheldon Adelson finanziert das Blatt, das kostenlos in den Straßen Israels verteilt wird und die Massen erreicht – auf Kosten der anderen Zeitungen, die es nicht umsonst gibt, die dafür aber regierungskritisch berichten.

Nun hat Netanjahu auch den restlichen Medien den Kampf angesagt: „Netanjahu fährt eine Kampagne“, schrieb der Politikanalyst Yossi Verter in dieser Woche in der liberalen Tageszeitung Haaretz. „Journalisten, die ihn kritisieren, können erwarten, dass man einen dampfenden Haufen Mist auf sie schüttet.“ Und: „Beleidigungen, Lügen und eine Hexenjagd auf Journalisten sind von jetzt an die offizielle Politik von Israels Premierminister.“

Netanjahu hat auch angekündigt, den privaten Rundfunk zu reformieren und neue Kanäle auf den Markt zu bringen, um das Monopol von Kanal 2 und Kanal 10 zu brechen. Experten befürchten, dass er versuchen wird, einen ähnlichen Sponsoren für einen neuen Sender zu finden wie für die Zeitung Israel Hajom. „Vielleicht wird es ein reicher, konservativer, jüdischer Amerikaner, der die Rechten in Israel unterstützt und der ein Gegengewicht zu den Nachrichtensendungen auf Kanal 2 und Kanal 10 bildet, die nur linke Positionen präsentieren“, wird ein Netanjahu-Verbündeter in den Medien zitiert.

Netanjahus Feldzug aufzuhalten wird schwer – selbst für Regierungsmitglieder. Denn laut den Koalitionsvereinbarungen müssen die Parteien für alle Medienreformen stimmen, die Premierminister Netanjahu unterstützt. „Das bringt Finanzminister Moshe Kachlon in die Bredouille. Denn er sieht sich als Verfechter der Demokratie“, analysiert Shwartz Altshuler.

Als Finanzminister versucht Kachlon (Kulanu-Partei) nun, den Reformprozess durchzusetzen: Milliarden von Schekel würden in den Sand gesetzt, wenn man nun zur alten Rundfunkanstalt zurückkehren würde. „Ich bin nicht bereit, aufzugeben und werde nicht davor zurückschrecken, ein Veto gegen die Regierung einzulegen.“ Nun soll eine eigens eingerichtete Taskforce den Fall untersuchen und Empfehlungen abgeben.

Kan jedenfalls steht bereit: Zeitungsberichten zufolge wurden umgerechnet bereits mehr als 30 Millionen Euro in Eigenproduktionen und in die neuen Studios in Jerusalem, Tel Aviv, Modiin und Beerscheba investiert. Ab dem 1. Januar, so heißt es, könnte mit der Arbeit begonnen werden.

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