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Medien: Ist der „Jobagent“ ein Detektiv?

Heiner Geißler kritisiert die Angstbegriffe in der Sprache der Politiker

Herr Geißler, nur die Hälfte der Saarländer gingen zur Wahl, bei Hartz IV herrscht Hysterie. Die Politik scheint die Menschen nicht mehr zu erreichen. Was läuft schief in der politischen Kommunikation?

Was Sie Hysterie nennen, ist eher die berechtigte Reaktion auf die von der Regierung ausgehende Desorientierung der Menschen. Man hat den Eindruck, dass in den Kellern der Bundesregierung, aber auch der Parteizentrale der CDU Geheimdienstabteilungen sitzen, die nur darüber nachdenken, mit welchen Begriffen sie dem eigenen Laden schaden können. Natürlich ist es schwer, schlechte Politik positiv darzustellen. Aber zu allem Überfluß wird mit unverständlichen und irritierenden Begriffen operiert und Angst gemacht.

Obwohl Wahlkämpfe und politische Kommunikation heute hochprofessionalisiert sind. Können diese Profis es nicht besser?

Wenn es Profis sind, dann kommen sie oft aus der Werbebranche und kapieren nicht, dass es in der Politik zunächst mal nicht um Notebooks und Waschmittel geht, sondern um Menschen. Agenda 2010, Hartz IV oder Kopfpauschale sind Droh- und Angstbegriffe. Der „Jobagent“ zum Beispiel ist in den Augen vieler Leute der Detektiv vom Arbeitsamt, der entscheidet, wer in seiner Wohnung bleiben darf und wer nicht.

Welche Fähigkeiten muss denn ein Politikkommunikator besitzen?

Die Leute sind bereit, politische Entscheidungen zu akzeptieren, wenn sie den Sinn der Sache begreifen und wissen, dass es einigermaßen gerecht zugeht. Der Kommunikator muss also ein sinnvolles Ganzes präsentieren. Die führenden Politiker beider großer Volksparteien hat allerdings ein Modernisierungswahn erfasst, und sie setzen diesen Wahn an die Stelle einer inhaltlichen Gesamtkonzeption.

Welche Fehler hat die Bundesregierung in ihrer Informationskampagne gemacht?

Sie hat nicht argumentiert, sondern „basta“ gesagt. Mit ihren Begriffen einen Informations-Super-Gau veranstaltet und mit den Horrorfragebögen bei Hartz IV Millionen von Menschen total überfordert.

Und die Medien?

Die Medien können eine schlechte Politik nicht zu einer guten umwandeln. Der Wirtschaftsteil der Zeitungen wird allerdings oft von einer neoliberalen Doktrin beherrscht, die die berechtigte Angst vieler Menschen missachtet.

Ist dann die „Bild“-Zeitung mit ihren Kampagnen im Zusammenhang mit Hartz IV glaubwürdiger als die Politik selbst?

Die „Bild“-Zeitung macht wieder mehr Politik als früher. Aber die Leute lassen sich ja nicht nur von „Bild“ informieren. Daneben gibt es die Heimatzeitung, Radio und Fernsehen und Internet. Insofern haben die Menschen eine breitere Informationsbasis als früher. So dumm sind die Leute nicht, wie es die politische Klasse in Berlin mitunter vermutet.

Politische Diskussion findet aber immer mehr in Talkshows statt. Kommt dort die Politik bei den Menschen an?

In Talkshows können die Probleme nicht ausdiskutiert werden. Aber Positionen werden deutlich gemacht, und es ist im guten Sinne Politainment, also politische Unterhaltung. Allerdings müssten die Interessen der Leute, die sich selbst nicht wehren können, auch hier besser artikuliert werden.

Beim Wahlkampf im Brandenburg spielt das Internet eine auffällige Rolle. Könnte so die politische Kommunikation besser laufen?

Das Internet wird in Zukunft für die Politik eine immer größere Rolle spielen, und die Leute werden nicht mehr so auf die Transformationsmonopole der Medien angewiesen sein. Sie können sich direkt informieren. Das Internet ist allerdings auch ein Forum für radikale Parteien, die dadurch Einfluß gewinnen auf junge Leute, die hauptsächlich das Internet nutzen.

Das Gespräch führte Stefan Schweiger.

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