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Klischees will das Magazin „365 One World“ widerlegen. Langstreckenläufer Haile Gebrselassie ist nicht etwa Putzmann, sondern er betreibt in Äthiopien eine Fitnessstudio.

© Promo

Jenseits vom Klischee: Sinn des Lebens

Afrika statt A-Promis: Beate Wedekind startet das Magazin „365 oneworld“. Die Publikation soll zeigen, dass Äthiopien sehr viel mehr ist als hungernde Kinder, vertrocknete Landschaften und politische Konflikte.

Als Beate Wedekind Mitte Januar im Hotel in Addis Abeba sitzt und in den Nachrichten sieht, dass zwei deutsche Touristen im Nordosten des Landes getötet wurden, denkt die Journalistin, dass sie jetzt wohl aufgeben muss.

Ein Magazin über Äthiopien will die frühere Chefredakteurin von Zeitschriften wie „Bunte“, „Elle“ und Produzentin von TV-Shows wie „Bambi“ und „Goldene Kamera“ machen. Zeigen, dass das Land mehr ist als hungernde Kinder, vertrocknete Landschaften und politische Konflikte. Ein Land, in dem sich Unternehmen wie Ara Shoes und Tchibo ansiedeln, junge Menschen erfolgreich eigene Firmen gründen wie Schuhdesignerin Bethlehem Tilahun Alemu und kaum ein Foto in Addis Abeba gemacht werden kann, ohne dass irgendwo ein Kran zu sehen ist, weil so viel gebaut wird. Und dann passiert der Überfall und bestätigt das Klischee, das Wedekind doch widerlegen will.

Jahrelang hat sie selbst ein Klischee gelebt. Das Klischee der Chefredakteurin, die People- und Modehefte macht. Es war eine Welt, in der wichtig ist, welcher Promi sich von wem getrennt hat und wer welches Kleid trägt. Wedekind ist First Class um die Welt gejettet. Wer über Stars berichtet, soll reisen wie jene, hieß es damals. Es waren die goldenen 80er. Heute ist Wedekind 60 und lebt in Berlin-Kreuzberg. „Ich will auf meine alten Tage journalistisch noch mal etwas Sinnvolles tun", sagt Wedekind, aber nicht allein das treibt sie an. „Mich nervt es wahnsinnig, dass ich nicht mehr Chefredakteurin bin. Ich liebe nun mal Blatt machen über alles. Und das kann ich jetzt mit meiner eigenen Zeitschrift wieder tun.“

Seit zwei Jahren arbeitet sie an der Idee zu „365 oneworld“. Ein Magazin, das 365 Tage im Jahr aktuell sein soll und sich mit einem einzigen Thema beschäftigt. Nicht leicht in einer Zeit, in der neue Nachrichten fast im Sekundentakt über die Ticker laufen. Also müssen Themen her, die Leser auch dann interessieren, wenn der Bundespräsident abtritt oder ein neuer US-Präsident gewählt wird. Altern ist so ein Thema, meint Wedekind, das Heft dazu ist bereits in Planung. Und Afrika.

Dass sie ausgerechnet Äthiopien die erste Ausgabe von „365 oneworld“ widmet, hat mit ihrer engen Verbundenheit zu dem Land zu tun. Mitte der 70er arbeitete Wedekind, die gelernte Bankkauffrau ist und erst mit 30 Jahren bei der Berliner Zeitung „Der Abend“ volontierte, in der äthiopischen Hauptstadt als Logistikerin im Büro des Deutschen Entwicklungsdienstes. 1998 kam sie als Journalistin mit Karlheinz Böhms Hilfsorganisation „Menschen für Menschen“ dorthin zurück und war überrascht, wie sehr sich Äthiopien in diesen knapp 20 Jahren entwickelt hat. Seither reist sie fast jedes Jahr für einige Monate nach Äthiopien, gibt an der Uni Workshops über Startups und Zukunftsplanung und erlebt, wie vor allem junge Menschen danach streben, ihr Land nach vorne zu bringen.

Es geht um Nachhaltigkeit und den Abbau von Vorurteilen

Beate Wedekind.
Beate Wedekind.

© Felix Brüggemann

Über sie will Wedekind berichten. Doch nach dem Überfall auf die Touristen Mitte Januar fürchtet Wedekind, dass Anzeigenkunden abspringen. Bis auf zwei bleiben alle dabei.

Am 8. März stellt Wedekind die Äthiopien-Ausgabe auf der Tourismusmesse ITB in Berlin vor. 20 Euro kostet das Heft, doch nur 5000 der 15 000 Exemplare werden über Kioske vertrieben, den Großteil der Auflage hat Wedekind vorab verkauft an Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, Einzelpersonen und Unternehmen. Namen von Abnehmern nennt Wedekind nicht. Über diesen Vorabverkauf und über Anzeigen sei „365 oneworld“ komplett finanziert.

Doch wie journalistisch, wie kritisch kann ein Magazin sein, das nur die positiven Seiten eines Landes zeigen will? „Ich war nie eine kritische Journalistin, immer Reporterin“, sagt Wedekind. „Mich interessiert, wie Menschen leben. Darüber zu berichten, das sehe ich als meine journalistische Aufgabe.“

Dass viele Menschen in Äthiopien in Armut leben, wird in „365 oneworld“ zwar erwähnt, aber am Rande. Im Mittelpunkt stehen Erfolgsgeschichten. Beispielsweise die des Läufers Haile Gebrselassie, der in Äthiopien ein Fitnessstudio betreibt und mehrere Immobilien besitzt. Es geht um Nachhaltigkeit, beispielsweise um die Solarlampe, die Künstler Olafur Eliasson entwickelt hat. Klaus Töpfer, früherer Direktor des UN-Umweltprogramms, unterhält sich mit Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar über Vorurteile.

Wedekind will mit Vorurteilen in „365 oneworld“ aufräumen. Mit dem Vorurteil, dass Afrika zur Armut verdammt ist. Danach mit dem Vorurteil, dass Älter werden schrecklich ist. Vorhaben, die länger als 365 Tage dauern dürften.

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