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Journalismus: Die Queen verlässt die taz

Sie hat dem links-chaotischen Blatt ein Ethos von harter Arbeit und Ambition vorgelebt. Jetzt tritt Bascha Mika nach elf Jahren als Chefredakteurin der taz zurück

Dem Titel nach war sie Chefredakteurin. Ihre Rolle aber ist anders besser beschrieben: Bascha Mika war die Queen der taz – nicht ein Programm, sondern eine Haltung hat sie ausgezeichnet. Sie war Publizistin, nicht Politikerin. Jetzt hört sie auf, nach elf Jahren an der Spitze der tageszeitung.

Ihre Kritiker haben ihr angekreidet, dass sie nur selten ins journalistische Tagesgeschäft einstieg, dass sie nicht auf die Kommentarplätze drängte und überhaupt viel weniger Rote Fahnen schwenkte, als es innerhalb wie außerhalb der Zeitung dem Klischee einer taz-Chefin entsprach. Tatsächlich aber waren ihre Verdienste so groß, weil sie der Zeitung eine Orientierung vorexerziert hat, die in der taz dieser Jahre viel notwendiger war als noch ein richtiger politischer Standpunkt mehr: Sie hat dem links-chaotischen Blatt ein Ethos von harter Arbeit und schwungvoller Ambition vorgelebt, sie hat gegen die taz-Tendenz zum Kreuzberger Nischentum den Marsch in Berlins gesellschaftliche Mitte angeführt und die Zeitung nicht nur durch ihre ökonomisch erfolgreichsten Jahre geleitet, sondern ihr den Zugang zur Wirklichkeit erhalten – und damit ihre Relevanz.

Nicht die taz als kleine Insel der Guten in einem Meer der Bösen war ihr Leitbild, sondern die taz als Avantgarde einer Gesellschaft, die liberaler, sozialer und offener werden kann, wenn sie nur will – und dafür taz liest. Damit hat Mika die Zeitung durch die schwierigen Jahre der rot-grünen Koalition gebracht, als wahlweise stumpfer Kritikreflex oder publizistische Anbiederung drohten, und damit war das Blatt auch während der Großen Koalition oft eine anregendere Opposition als die parlamentarische Opposition.

Als Mika 1999 die Chefredaktion übernahm, elf Jahre nach ihrem Eintritt in die Redaktion, war das Blatt geachtet, aber in Gefahr, an seiner eigenen Geschichte zu ersticken. Wer dem Projekt übel wollte, konnte behaupten, die Mission der taz habe sich erfüllt und damit erledigt – in einem langen Bogen von 1968 über 1979, die Gründerzeit der Grünen wie der taz, bis zu 1998, dem rot-grünen Wahlsieg.

Mika und ihr Stellvertreter Peter Unfried haben dagegen frühzeitig erkannt, dass die Lage verwirrender, die Wirklichkeit spannender und die taz notwendiger wird für die Orientierung, wenn die innenpolitische Gut-böse-Konfrontation der Kohl-Ära nicht mehr so einfach aufrecht zu erhalten ist. Gleichzeitig setzten sie im notorisch selbstbezüglichen Innenleben der Zeitung auf eine systematische Entwicklung neuer Seiten und Konzepte, eine Professionalisierung der Redaktion und eine intensivere Zusammenarbeit mit dem Verlag und der Genossenschaft aus Lesern, der die Zeitung gehört. In der Folge wurde die taz journalistischer. Manche Kritiker sahen das als Nachteil, viele Leser eher nicht.

Dass die Chefredakteurin in ihren 22 Jahren bei der Zeitung zur Patriarchin der taz wurde, hat die Zusammenarbeit mit ihr nicht immer leicht gemacht. Trotzdem ist Bascha Mika gelungen, was weder in der Geschichte der taz noch des englischen Königshauses selbstverständlich ist: Die Königin geht, aber sie kann erhobenen Hauptes gehen.

Patrik Schwarz war von 1997 bis 2005 Redakteur der taz, heute ist er stellvertretender Ressortleiter Politik der ZEIT.

ZEIT ONLINE

Patrik Schwarz

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