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Jubiläum: Der Musterknabe

3sat wird 25 Jahre alt – und soll dem neuen ZDF-Kulturkanal auf die Beine helfen

Wenn der Sender 3sat nicht gerade auf Latein sendet oder 24 Stunden Rockmusik spielt, sieht ein Sendetag in etwa so aus wie heute: Morgens schwenkt die Kamera 90 Minuten lang über die Welt der Berge – das vom ORF ab 7 Uhr 30 gelieferte „Alpenpanorama“ ist als Ausgleich zum Morgenmagazin-Gewusel auf anderen Kanälen unbedingt empfehlenswert. Die Österreicher steuern noch das „Slowenien Magazin“ bei und ihre Nachrichtensendungen „Zeit im Bild (ZIB)“ und „ZIB 2“. Der Schweizer Rundfunk ist nachmittags mit „schweizweit“ zu Besuch und glänzt mit dem Nachrichtenjournal „10 vor 10“. Dazwischen Natur-Dokus, Reportagen, Spielfilme und Wiederholungen, „heute“ und „Tagesschau“ sowie der ganze Stolz des Mainzer 3sat-Biotops: die Gemeinschaftsproduktionen aller vier beteiligten Sender, das Wissenschaftsmagazin „Nano“ und die „Kulturzeit“.

Der Sender 3sat feiert am Dienstag seinen 25. Geburtstag. Seine Wurzeln reichen in die Fernseh-Steinzeit zurück, in der drei Programme genügten. 1984 begann der Aufbruch in die neue Epoche. RTL plus funkte von Luxemburg über die Grenze nach Deutschland, wo die KohlRegierung dem privaten Rundfunk die Lizenz zum Senden erteilt hatte. Ab dem 1. Dezember schickten ZDF, ORF und SRG täglich sechs Stunden Fernsehprogramm in 8000 Haushalte der Kabelpilotprojekte in Ludwigshafen und München. Weil drei Länder beteiligt waren und die Ausstrahlung per Satellit erfolgte, gab man dem gemeinsamen Kind den etwas technokratischen Namen 3sat.

Nicht sehr sexy, das Label, würde man heute sagen, gefühlte 250 Fernsehjahre später. 3sat war das erste Experiment, mit dem sich der öffentlich-rechtliche Sektor in der erweiternden Fernsehlandschaft ausprobierte, lange vor Arte (1992) und Phoenix (1997). Ein wahrer Musterknabe, allein der Kultur verpflichtet, auf den Quoten-Mainstream pfeifend. Dass 3sat 2008 mit 1,1 Prozent Marktanteil auf den bisher besten Sendeschnitt in seiner Geschichte kam, wird gerne herausgestellt. Der Hit war der Thementag „Imperium Romanum“ mit dem Leckerbissen einer auf Latein vorgetragenen „Kulturzeit“. Das ist ohnehin die kulturgeschichtliche Leistung von 3sat: Fernsehen im Ausdehnungsmodus. Schon 1989 gab es erste Thementage, etwa am 8. März, dem internationalen Frauentag. Der stetig wachsende Archivfundus von drei, später vier Sendern – die ARD schloss sich 1993 an – liefert einen erklecklichen Grundstock. 2004 sendete man eine ganze Philosophie-Woche, bald sind wohl Themen-Monate unumgänglich. Dazu verschärftes Denken mit „scobel“ und „delta“. Solch geballtes Schwerpunkt-Fernsehen hat Schule gemacht. Bei Arte, Phoenix, in den Dritten und sogar bei ARD und ZDF gehören Themenwochen längst zum guten Ton.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass nun, an der Schwelle einer neuen, der digitalen Medienwelt offenbar gerade 3sat als Steinbruch für die nächste Exoten-Generation dient. Das Jubiläum, so scheint es, läutet den Abgesang ein. Wenn 3sat heute in Berlin mit einer Kabarett-Gala seinen Geburtstag feiert, wenn alle vier Intendanten Fensterreden halten, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hauptfinanzier ZDF zugunsten der digitalen Zukunft enorme Summen umschichtet. Für 2009 bis 2012 waren für die drei Sender Neo, Info und Theaterkanal ursprünglich 60,9 Millionen Euro vorgesehen. Laut „Funkkorrespondenz“ hat das ZDF bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs die Summe auf 184 Millionen erhöht, aber zugesichert, die fehlenden 123 Millionen an anderer Stelle einzusparen. Für 3sat stehen in diesem Zeitraum nur noch 74,4 statt 98,8 Millionen Euro für sogenannte Fremdleistungen zur Verfügung. Aus Mainz ist zu hören, dass dies in etwa der Summe entspreche, die für den Aufbau des digitalen ZDF-Kulturkanals vorgesehen sei. Darin soll Ende nächsten Jahres der ZDF-Theaterkanal aufgehen, dessen Redaktionen bereits verstärkt mit 3sat-Kollegen zusammenarbeiten sollen.

Was das für die praktische Arbeit im 3sat-Biotop auf dem Lerchenberg bedeutet, darüber herrscht große Unsicherheit. Im Januar will man schlauer sein, aber vielleicht trägt ja ZDF-Intendant Markus Schächter heute zur Aufklärung bei. Bevor Esther Schweins das „Foyer“ betritt, schenkt der Sender seinem Publikum zum Geburtstag eine Intendantenrunde (22 Uhr 25). Daraus spannendes Fernsehen zu machen, dürfte selbst für die flotte Katrin Bauernfeind eine Herkules-Aufgabe werden.

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