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Jubiläum: Ein subversives Produkt der 68er

40 Jahre „Ästhetik und Kommunikation“: Inzwischen wird die Zeitschrift von der nachfolgenden Generation geprägt.

„Die Konzeption dieser Zeitschrift ist das vorläufige Resultat einer Zusammenarbeit von Arbeitsgruppen, Projektgruppen und Seminaren, von denen sich die ersten im Wintersemester 68/69 während des aktiven Streiks an der Universität Frankfurt gebildet haben“, hebt das allererste Heft von „Ästhetik und Kommunikation“ Mitte 1970 an. Damit ist alles über die Herkunft der alsbald in Berlin ansässigen Zeitschrift gesagt, nichts jedoch über den Werdegang. Verlegerisch führte er vom anfänglichen Rowohlt Verlag, der sich seinerzeit sehr fortschrittlich gebärdete, über Nischenverlage bis zum heutigen Selbstverlag, der freiesten, aber auch einsamsten Form des Veröffentlichens.

Redaktionell war der Weg der nominellen Vierteljahreszeitschrift noch weit verschlungener. Da gab es mal eine maoistische Phase und zeitweise eine sehr intensive Foucault-Jüngerschaft. Heute gibt es keine Festlegung mehr. Die Redaktion, zahlreich an Köpfen und Gedanken, schreibt und lässt schreiben über die entlegensten Themen. Wer käme schon auf die Idee, das Jubiläumsheft zum 40-jährigen Bestehen zum „Virus“ zu machen, nicht dem medizinischen, sondern dem virtuellen? Das ist, siehe Stuxnet, einerseits aktuell, andererseits auch weit weg von jener gesellschaftskritischen Übereinkunft, die das Heft einst trug. „Virale Strategien“, Werbung mit Viren, ziert als Bildstrecke das neue Heft, gestaltet von Studenten der Universität der Künste Berlin. Es gibt also doch eine nachfolgende Generation, die sich für „Ä & K“ interessieren lässt, wie denn auch die Redaktion sich mittlerweile aus Nach-68ern zusammensetzt; die seien, so die „Redaktionsleiterin“ Elisabeth von Haebler, „weniger ideologisch“.

Zur Jubiläumsfeier von 40 Jahren und Heft Nr. 150 ließen sich einige Altherren blicken, die mitunter, wie Diethart Kerbs (73), bereits am allerersten Heft mitgewirkt hatten oder doch, wie Dieter Hofmann-Axthelm (70), seit auch schon 37 Jahren. Alte SDS-Kämpen wie Tilman Fichter, lange Jahre Redaktionsmitglied, fehlten. Heft 140/141 vom Frühjahr 2008 über „Themen und Motive der Studentenbewegung“ mit Autoren wie Wolfgang Lefèvre, Bahman Nirumand oder Ulrich K. Preuß muss man als eine Art Vermächtnis betrachten. Doch linke Nostalgie, getarnt als branchenübliche „Selbstkritik“, ist die Sache von „Ä & K“ nur ausnahmsweise. Neben erwartbaren Betrachtungen zu „Demos – Rückkehr der Straße?“ oder „Ästhetik nach Adorno“ stehen un-linke Themen wie „Das Schloss“ (2001), in dem Goerd Peschken, der beste Kenner der Berliner Schlossgeschichte, seinen Schmerz „beim Denken an Königsberg, Stettin, Breslau“ kundtut und ein – freilich aufgeklärtes – „Nationalbewusstsein“ einfordert. Die Auflage von „Ä & K“ ist über die Jahre von 15 000 Exemplaren auf magere 2000 geschrumpft. Immerhin hat das subversive Blatt geschafft, was dem heimlich beneideten, fünf Jahre eher gegründeten „Kursbuch“ nicht vergönnt war – nämlich bis heute zu überleben. Und weiterhin die Möglichkeit zu bieten – wie Hoffmann-Axthelm zur Feierstunde im kalten Uni-Foyer beschwor –, „Dinge zu behandeln, die im Wissenschaftsbetrieb keine Chance haben“. Dass auch das ein hauseigener Mythos ist, zeigen die Autorenbiografien der Hefte. Da wimmelt es von Professores und Doctores, Geistes- und Sozialwissenschaftlern. Nur dass sie alle eint, mehr zu wollen, als der Unibetrieb ihnen im Alltag erlaubt. Bernhard Schulz

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