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Medien: Just Joe

Nach Fälscherskandal leitet Joe Lelyveld „New York Times“

Lakonischer kann eine Visitenkarte kaum sein als jene dieses großen Mannes der amerikanischen Medien: „Joseph Lelyveld“, liest man in kleiner Schrift. Und: „New York Times“. Mehr ist nicht nötig. Lelyveld ist Legende. Vor einigen Tagen hat der 66-Jährige vorläufig die Chefredaktion der „New York Times“ übernommen, an deren Spitze er schon einmal, von 1994 bis 2001, stand. Damit zieht die „Times“, wie man sie in den USA nennt, ihre Konsequenzen aus dem jüngsten Skandal um gefälschte Reportagen und Interviews eines Mitarbeiters, in dessen Folge die amtierende Chefredaktion abdanken musste – ein Image-Desaster für die 152 Jahre alte „Times“.

Mit Lelyvelds Ernennung besinnt sich die Zeitung auf einen ihrer Besten. Der Pulitzer-Preis-Träger, dessen Karriere 1962 als Copyboy (Korrektor) bei der „New York Times“ begann, gilt als die Integrität in Person. Im Gespräch mit ihm spürt man eine für die Branche – und erst recht für die „Times“ – unübliche, feine Autorität ohne Allüren oder Arroganz. „Joe“, antwortet er auf die erste Frage nach seinem Namen, „just Joe“.

Joseph Lelyveld, der lange Jahre als Korrespondent aus Südafrika berichtete, geht bescheiden, gründlich und sehr sensibel ans Werk. Dabei gehört fundierte Kritik an den Mächtigen für ihn zu den obersten zu seinen Maximen journalistischen Ethos. In einer Reportage für die „New York Review of Books“ beschrieb er unlängst schonungslos die rechtswidrigen Zustände der Haftanstalt von Guantanamo Bay auf Kuba.

Investigativer, politischer Journalismus ist für Lelyveld unerlässlich. „Unsere Aufgabe ist herauszufinden, was wirklich vor sich geht“, sagte er bei einer Preisverleihung nach dem 11. September 2001. Den Medien der USA hielt er in seiner Rede vor, das Berichten aus dem Ausland zu vernachlässigen und sich lieber mit „Börsenkursen und Vitaminpillen“ zu befassen. „Ich würde mir wünschen, dass die Nachrichtenagenturen jetzt neu nachdenken und der Einsicht folgen, dass auch Ignoranz gegenüber der Außenwelt Folgen für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit haben kann.“

Joe Lelyveld, so hört man von Beobachtern, wird vermutlich über die Interimsphase hinaus die Redaktion der „New York Times“ weiter leiten.

Caroline Fetcher

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