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Medien: Keine Frage des Geldes

Es gab einmal eine Zeit, da war Werbung Tagesgespräch, zumindest aber Bestand- teil des täglichen Lebens. Seit ein paar Jahren beschränkt sich das Interesse auf ärgerliches Wegzappen, auf rasches Überblättern von Anzeigen und Fluchtaktionen vor vollgemüllten Briefkästen.

Es gab einmal eine Zeit, da war Werbung Tagesgespräch, zumindest aber Bestand- teil des täglichen Lebens. Seit ein paar Jahren beschränkt sich das Interesse auf ärgerliches Wegzappen, auf rasches Überblättern von Anzeigen und Fluchtaktionen vor vollgemüllten Briefkästen.

Auch die Werbung für den neuen VW- Golf vor einem Jahr war ein Fall für die Berliner Stadtreinigung: „Er fährt jetzt auch geradeaus.“ Oder „er schafft jetzt auch Kurven“. Kein Wunder, dass er bis zu massiven Rabattaktionen elegant vor sich hinstaubte – der bayerische Humor eines Herrn Pischetsrieder ist nicht unbedingt norddeutsche Sache. Zum Glück kann die Berliner Werbeagentur DDB auch anders – wenn sie darf. Etlichen Tagesspiegel-Lesern ist noch der Sauna- Film in Erinnerung: Einige beleibte Männer stürmten nackt, wie vom Herrn geschaffen, aus einer Heißluftsauna in einen Golf, um sich dank seiner vorzüglichen Klimaanlage ein wenig Kühlung zu verschaffen.

Ein ähnlicher Wurf ist jetzt den Berlinern mit den beiden Knaben gelungen, die vor einem Einfamilienhaus hocken und mit lautstarkem Brummen ihre Lieblingsautos intonieren. Der Nicht-Golfer tut sich dabei leicht. Sein Wagen hat ein Schaltgetriebe. Und er kann beziehungsweise muss genauso regelmäßig Luft holen, wie Autofahrer ohne Automatik zum Schalthebel greifen. Der Knabe, der den Golf nachmacht, bekommt hingegen arge Probleme. Der Motor schaltet so unmerklich hoch, dass zum Ein- und Ausatmen keine Zeit bleibt. Widrigenfalls wäre die wunderbare Laufruhe unterbrochen.

Zweifellos ein lustiger Film, von denen es im Ausland – speziell in kleinen Ländern wie Estland, der Slowakei und Slowenien – immer mehr gibt. Der Grund ist ein einfacher: Dort haben die Werbeabteilungen kein Geld für Ideen, die aus teuren „Wüstenstraßen in Mexiko“ oder „Autoversenken auf den Malediven“ bestehen. Sie müssen mit einem Zehntel dessen auskommen, was die großen Reklame-Nationen ausgeben. Offensichtlich macht sich diese Tendenz nun auch bei uns breit. Insofern kann es der deutschen Werbung nicht schlecht genug gehen.

Reinhard Siemes

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